Rex Rotmann, Revolutionärer Marxismus 52, November 2019 (Erstveröffentlichung 2009)
Obwohl 1989 untergegangen, ist die DDR immer noch lebendig. In schöner Regelmäßigkeit, oft aus Anlass von Jahrestagen oder wenn es darum geht, die PDS bzw. DIE LINKE zu attackieren, ist sie Gegenstand von Skandalen oder mehr oder weniger seriösen Diskussionen. Meist ist es das Thema „Stasi“, welches wie ein Damoklesschwert über jeder Darstellung der DDR oder der Beschäftigung mit bestimmten Aspekten dieses Staates schwebt. Bisweilen ist die Beschäftigung mit dem Erbe der DDR auch seriöser, z. B. wenn es um das Bildungs- oder das Gesundheitswesen des ersten deutschen ArbeiterInnenstaates geht, an denen man dann manchmal positive Seiten entdeckt. Mitunter geht es einfach nur um Ostalgie.
In jüngster Zeit war das Jubiläum von 60 Jahren (west-)deutschem Grundgesetz einigen Leuten wieder einmal Anlass, eine grundsätzliche „Charakterisierung“ der DDR vorzunehmen. Das Jubiläum des Mauerfalls vor 20 Jahren sowie die aktuelle Krise, welche Probleme wie die Verstaatlichung aufwarf oder ganz und gar den Kapitalismus in Frage stellte, rückten die DDR erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Dass über die Demokratie-Frage erneut oder immer noch so heftig diskutiert wird (oder zumindest die bürgerlichen Medien darüber berichten), hat nicht etwa neue Erkenntnisse zur Ursache, sondern den einfachen Umstand, dass die Demokratie der heutigen Bundesrepublik ins Gerede gekommen ist. Die Wahlbeteiligung sinkt, die „Volks“parteien schwächeln, viele demokratische Grundrechte wurden und werden unterhöhlt: das Asylrecht, das Streikrecht, der Datenschutz usw. usf. Gründe genug also für die ApologetInnen der bürgerlichen Demokratie, eifrig einen monströsen „Unrechtsstaat DDR“ zu konstruieren, damit vor dessen finsterem Hintergrund die Bundesrepublik, deren demokratischer Lack immer mehr abblättert, umso heller leuchtet.
Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die DDR ein „Unrechtsstaat“ war. Dabei geht es natürlich nicht etwa darum zu betonen, dass es in der DDR an wichtigen demokratischen Rechten (z. B. Versammlungsfreiheit, Organisationsfreiheit, Streikrecht usw. ) mangelte. Das ist allgemein bekannt und wird höchstens noch von den allerdümmsten StalinistInnen bestritten.
Es geht in der Debatte vielmehr darum zu zeigen, dass die DDR im Vergleich zur BRD grundsätzlich undemokratischer war. Die Frage der Demokratie, des „Rechtsstaats“ wird dabei zur zentralen, ja in gewisssem Sinn zur einzigen Frage, um die es bei der Einschätzung der DDR geht. Allein schon daran wird die idealistische Methode der Betrachtung deutlich. Nicht etwa die Frage nach den materiellen, ökonomischen Verhältnissen, auf denen sich rechtliche, politische u. a. Systeme gründen, ist von Interesse, sondern die „Demokratie an sich“. Dass jedes Recht wie auch jede Politik letztlich den (ökonomischen) Interessen einer Klasse dient, bleibt dabei ausgespart. Doch immerhin setzt z. B. das Eigentumsrecht auch ein handfestes Eigentum voraus, ohne das ein Gesetz einfach nur eine Fata Morgana wäre.
Diese „Aussparung“ hat freilich Gründe. Einmal lenkt man von der wesentlichen Frage des Eigentums an Produktionsmitteln ab, zum anderen stellt man so die „Demokratie“ auch gleich als Wert an sich, als Struktur dar, die sich scheinbar nur aus abstrakten Ideen ableiten würde. Doch schon Marx postulierte, dass das Recht nie höher stehen könne, als die materielle Basis, auf dem es sich erhebt.
Demokratie konkret
Ein Beispiel. Dass es in der DDR nur wenige hundert RechtsanwältInnen gab, wird von einigen KommentatorInnen so interpretiert, dass ein wichtiges Rechtsinstrument fast ganz fehlte. Tatsächlich gibt es auch in Ostdeutschland inzwischen tausende, ja vielleicht zehntausende RechtsanwältInnen. Doch ob es deren in der DDR nun zu wenige gab oder nicht – die entscheidende Frage ist eine ganz andere: Warum musste es so wenige geben? Die Antwort darauf ist relativ leicht, wenn man bedenkt, dass es wesentliche Dinge, die eine/n Anwalt/Anwältin erfordern, nicht gab: erstens konkurrierende PrivateigentümerInnen, die miteinander um ihr Eigentum oder deren Verwertung streiten; zweitens einen Markt, der nach Verwertungskriterien funktioniert. So waren Grund und Boden Volkseigentum oder – soweit privat –gab es klare Regelungen, so dass niemand wie im Kapitalismus als MaklerIn mit Immobilien Profit machen konnte. Dieses Fehlen so wesentlicher Merkmale des Kapitalismus ist – ganz nebenbei – auch ein klares Indiz dafür, dass die DDR kein Staatskapitalismus war.
Nach der „Wende“ konnten die DDR-BürgerInnen mit der Wiedereinführung des Kapitalismus ganz hautnah erleben, wie diese auch mit einer alles und alle erfassenden „Verrechtlichung“ einherging; jede Sache war plötzlich hoch kompliziert. So, wie die Konkurrenz, wie „die Wirtschaft“, sich anarchisch hinter dem Rücken der AkteurInnen durchsetzt, genauso spreizt sich die Demokratie vor unseren Augen.
Der „Rechtsstaat“ Bundesrepublik zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er ein riesiges Gestrüpp von Regelungen, Gesetzen, Institutionen kennt, um das Phänomen der Arbeitslosigkeit zu regeln (Hartz IV-EmpfängerInnen würden eher sagen: um Arbeitslose zu schikanieren). Soviel Juristerei gab es in der DDR dazu nicht. Da gab es tatsächlich einen echten Mangel – an Lohnarbeitslosigkeit.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die Juristerei komplett unproduktive Arbeit darstellt. Eine Gesellschaft, die sich davon eine Menge sparen kann – nicht, weil sie sie willkürlich abschafft, sondern weil diese nicht mehr nötig ist –, ist dann insofern eine produktivere. Dass die DDR in einigen Bereichen dazu fähig war, zeigt, dass sie tatsächlich – trotz all ihrer riesigen stalinistischen Verkümmerungen, ihrer bürokratischen Wucherungen und ihrer nationalbornierten Kleinbürgerlichkeit – im Ansatz auch eine Gesellschaft des Übergangs zu einer neuen Ordnung verkörperte. Diese Dimension des „Nicht mehr Brauchens“ steckt schon in Marx´ Postulat, dass der Staat im Kommunismus abgestorben sein wird.
Welche Demokratie?
Ein Zweck der Unrechtsstaats-Debatte ist (ob gewollt oder ungewollt) eine doppelte Verschleierung. Zum einen wird der wahre Charakter der Demokratie im Westen vertuscht. Sie erscheint nicht als ein spezifisches Instrument der Herrschaft der Bourgeoisie (neben anderen, z. B. der Militärdiktatur oder des Faschismus), um deren Herrschaft zu verhüllen. Auch die formelle Form dieser Demokratie wird nicht betrachtet, geschweige denn kritisiert. So sind Gewählte weder jederzeit kontrollierbar noch abwählbar. Das Gros des Staatsapparates ist nicht wählbar (Armee, Polizei, BeamtInnen, RichterInnen usw.). Entscheidende Fragen der Gesellschaft wie die Wirtschaft, das Privateigentum usw. stehen überhaupt nicht zur Wahl.
Doch auch die Demokratie der DDR wird verschleiert, nämlich insofern, als sie als typisch für den Sozialismus/Kommunismus dargestellt und deren Geschichte, die eben auch und vor allem eine Geschichte der Verhinderung, ja Zerstörung alternativer Formen von Demokratie durch den Stalinismus war, ausgeblendet wird.
Im Grunde hat schon Walter Ulbricht die Demokratie gut beschrieben, als er einmal sagte: „Wir müssen alles in der Hand haben und es trotzdem demokratisch aussehen lassen.“ Ulbricht meinte damit die DDR, aber es würde auch auf die BRD perfekt passen. Wenn man die DDR-Demokratie auf eine kurze Formel bringen wollte, könnte man sagen, dass sie zwei Seiten hatte. Eine war die fast lückenlose Machtmaschine aus Stasi, Polizei, Bürokratie und Partei. Trotzki bemerkte einmal durchaus zutreffend, dass der stalinistische Staat in seiner Form (nicht in seiner Funktion!) dem faschistischen sehr ähnlich ist. Die andere Seite bestand aus dem Torso einer bürgerlichen Demokratie mit Parteien, Wahlen usw. Es ist bezeichnend, dass der Stalinismus fast jede Form von direkter Massendemokratie, von Räten, Fabrikkomitees usw. verbot oder zerschlug, jedoch keinen Aufwand scheute, seine aberwitzige Karikatur von bürgerlicher Demokratie aufzupolieren.
ArbeiterInnendemokratie
Doch auch auf dem Boden der ehemaligen DDR gab es Ansätze einer anderen Demokratie. Als nach 1945 die Nazis geflohen oder verhaftet waren, nahmen die ArbeiterInnen es selbst in die Hand, die Betriebe wieder aufzubauen und in Gang zu setzen. Das war ArbeiterInnenselbstverwaltung. Doch es fehlte eine politische Führung, die diese Ansätze zu einem System von geplanter Produktion unter ArbeiterInnenkontrolle hätte weiterentwickeln können oder wollen. So war es der sowjetischen Militäradministration (SMAD) möglich, die Betriebe der realen Verfügungsgewalt der ArbeiterInnen wieder zu entwinden, indem sie sie zu sowjetischem Eigentum erklärte, womit diese dann der Moskauer Bürokratie unterstanden. Das war der erste, besondere Schritt Richtung bürokratische Planwirtschaft, bei der die ArbeiterInnenklasse viel zu arbeiten, aber wenig zu sagen hatte.
Auch wenn die KommentatorInnen alljährlich des ArbeiterInnenaufstands in der DDR im Juni 1953 gedenken, wird fein säuberlich ausgespart, dass es damals eben nicht nur um bürgerliche „Demokratie“ ging, sondern viele Losungen und Forderungen dezidiert die direkte Machtausübung der ArbeiterInnenklasse forderten und diese sich nicht nur auf die politische Ebene bezogen wie die bürgerliche Demokratie, sondern auch und gerade soziale Fragen und die Wirtschaft selbst betrafen.
Wenn die Urteile der Bürgerlichen über die DDR meist nur fade sind, so erweist sich die Verteidigung der DDR durch viele Linke – und nicht nur StalinistInnen! – nur als peinlich. Diese Linken glauben ernsthaft, sie täten etwas Gutes, wenn sie zu beweisen suchen, dass die DDR kein „Unrechtsstaat“, sondern durchaus demokratisch – und zwar im Sinne von bürgerlich-demokratisch war.
Peinlich ist an diesen Verteidigungsreden dabei weniger, dass es natürlich auch in der DDR in vielen Bereichen nicht ganz so wenig Rechtsstaat gab, wie es in den Medien oft hingestellt wird. Peinlich ist vielmehr, dass diesen Linken offenbar gar nicht in den Sinn kommt, dass zu einer nichtkapitalistischen Gesellschaft ein bürgerlicher Überbau nicht besonders gut passt.
Nein, diese Liberos/Liberas des Stalinismus verteidigen die DDR, weil sie keine Vorstellung davon haben, welche Staatsstruktur, welche Art von Demokratie der ArbeiterInnenstaat zu seinem Gedeihen braucht. Sie glauben offenbar tatsächlich, dass solche bizarren demokratischen Staffagen wie die Volkskammer, die Wahlen, die Nationale Front, die vom Schnürboden des demokratischen Theaters DDR heruntergelassen worden waren, verteidigenswert seien.
Diese linken „RechtsstaatlerInnen“ sind es aber auch, die dann in Diskussionen, in Bündnissen und in realen Konflikten im Klassenkampf jede Forderung nach ArbeiterInnenkontrolle, nach direkter Wähl- und Abwählbarkeit von Streikkomitees usw. ablehnen. Dort, wo ArbeiterInnendemokratie anfängt, hört bei diesen Leuten das Denken auf.
Wenn es einen zentralen Widerspruch in der DDR gab, dann jenen, dass die bürgerliche Form des Staatsapparates völlig unvereinbar war mit den Entwicklungsbedürfnissen einer nichtkapitalistischen Gesellschaft. Die Bourgeoisie in der DDR war enteignet, doch an deren Stelle als bestimmendes Subjekt der Gesellschaft trat nicht die ArbeiterInnenklasse, sondern eine bürokratische Kaste. Sie musste durch eine politische Revolution der ArbeiterInnenklasse gestürzt werden. Das gelang – trotz mehrerer Versuche in den Ostblockstaaten – leider nicht.
Wenn MarxistInnen die DDR verteidigen, dann verteidigen sie deren soziale Errungenschaften – nicht die stalinistische Bürokratie, die das Land geknebelt, die den Weg der internationalen Revolution verlassen und die Straße zum Kommunismus blockiert hat. Die Bürokratie und ihre beschränkten reaktionären Ideen sind historisch gescheitert – verschwunden sind sie noch nicht. Sie fristen in der DKP oder der MLPD weiter ein kümmerliches Dasein; jene, die einst die zweite und dritte Reihe der SED-Bürokratie stellten, dominieren heute die Linkspartei. Sie haben sich etabliert, eine neue Welt etablieren sie nicht mehr.
Systemalternative
Die Weltwirtschaftskrise hat viele Menschen dazu animiert, den Kapitalismus als alternativlose Normalität in Frage zu stellen. Die zaghaften Erwägungen der Regierung, marode Betriebe eventuell zu verstaatlichen, haben andererseits aber auch Konservative dazu gebracht, Zeter und Mordio ob dieser drohenden „Einführung des Sozialismus“ zu schreien.
Die schweren Turbulenzen der Weltwirtschaft, ja die Gefahr des Zusammenbruchs des ganzen Ladens haben die Frage nach einer Systemalternative erneut angefacht. Insofern soll die „Unrechtsstaatsdebatte“ auch in dieser Hinsicht eine klare Botschaft vermitteln: Staatseigentum und Planwirtschaft haben schon einmal nicht funktioniert, sind also Teufelswerk.
Natürlich: Unterm Strich hat die Wirtschaft der DDR und der anderen stalinistischen Länder nicht gut genug funktioniert, um die Bedürfnisse der Bevölkerung ausreichend zu befriedigen. Und sie war schon gar nicht dem Westen – genauer: den führenden imperialistischen Ländern – überlegen. Doch daraus den Schluss zu ziehen, dass Staatseigentum und Planung per se nicht funktionieren würden, ist falsch.
Falsch ist an der Kritik zunächst einmal, dass nicht hinterfragt wird, wie das Staatseigentum konkret aussah und wie die Planung funktionierte.
Gemäß Marx und allen anderen großen MarxistInnen sind es im ArbeiterInnenstaat bzw. im Sozialismus die ProduzentInnen und KonsumentInnen, also das Proletariat, das die Produktion kontrolliert, organisiert und plant. Dazu braucht es Strukturen wie Räte, Betriebskomitees, Gewerkschaften, Kontrollorgane usw.
In den stalinistischen Ländern gab es solche Organe nie oder sie wurden bewusst zerstört oder ihres sozialen Inhalts beraubt. Die Steuerung der Wirtschaft oblag einer bürokratischen Schicht, deren Entscheidungen nicht transparent, diskutierbar oder gar änderbar waren. Auf der Ebene der Verteilung von Ressourcen funktionierte diese Planung aber durchaus nicht so schlecht; doch sie erwies sich als zunehmend hilflos, als es darum ging, technische Innovationen zu fördern und in die Produktion zu überführen. Das Wissen, die Erfahrungen der ArbeiterInnen, also der am engsten mit der materiellen Produktion verbundenen Klasse, konnten so nicht zur Wirkung kommen. Die permanente Gängelung und Bevormundung durch die Bürokratie, das Fehlen offenen gesellschaftlichen Meinungsstreits führten zudem zu einer immer größer werdenden Entfremdung der Klasse von dem Eigentum, das ihnen angeblich gehörte.
In der DDR wurde die Bourgeoisie entmachtet –durchaus entgegen der ursprünglichen strategischen Zielsetzung Stalins, in Mittel- und Osteuropa eine „neutrale“ Pufferzone zum Westen zu etablieren. Der Stachel des Profitmachens war als zentraler Motor des Wirtschaftens eliminiert, die Bourgeoisie als herrschende Klasse gestürzt worden. Doch der eigentliche Antrieb, die eigentliche Quelle des Wirtschaftens, ja überhaupt allen gesellschaftlichen Handelns im ArbeiterInnenstaat – die Bedürfnisse der ArbeiterInnenklasse bzw. der Massen – wurden nicht zum Stachel der neuen Gesellschaft. Diese Rolle des „Motors“ der Entwicklung übernahm die Bürokratie – ohne ihr gerecht werden zu können.
Die Entmachtung, die Fesselung der ArbeiterInnenklasse als sozialer Kraft bedeutete, dass die DDR immer mehr verkrustete, erlahmte und schließlich – implodierte, letztlich weil das revolutionäre Subjekt der Veränderung und des Übergangs zum Sozialismus systematisch an der Bildung revolutionären Klassenbewusstseins gehindert wurde – und, solange die Bürokratie herrschte – daran gehindert werden musste.
Nicht „das Staatseigentum“, nicht „die Planung“, sondern deren stalinistische, bürokratische Formen und Methoden haben nicht funktioniert. Dazu kam u. a. , dass die internationale Kooperation und Arbeitsteilung im Ostblock aufgrund der Eigeninteressen der nationalen Bürokratien und der Vormachtstellung Moskaus ein niedrigeres Niveau hatten als der kapitalistische Weltmarkt.
Perspektive
Trotzki, die Linksopposition und später die IV. Internationale hatten schon seit den 1920er Jahren die Fehlentwicklungen des aufsteigenden Stalinismus kritisiert und für eine revolutionäre und arbeiterInnendemokratische Alternative gekämpft. Gestützt auf diese Tradition und bereichert durch die Erfahrungen unter dem Stalinismus haben wir heute ein deutlich klareres Bild davon, welche Gefahren der Entwicklung eines ArbeiterInnenstaates drohen, aber auch, welche großartigen Möglichkeiten eine demokratische Planwirtschaft der Welt zu bieten hat. Angesichts der Krise und der durch den Kapitalismus immer größer werdenden globalen Probleme der Menschheit verbietet es sich fast, von einer Möglichkeit zu reden – die Planwirtschaft ist eine existenzielle Notwendigkeit für die Menschheit.
Gerade die Tatsache, dass die DDR kein kapitalistischer Staat mehr war, sondern eine Übergangsgesellschaft, deren Fortschreiten zum Sozialismus jedoch durch die Herrschaft einer bürokratischen Kaste strukturell blockiert war, verweist darauf, dass die Begriffe „Rechtsstaat“ oder „Unrechtsstaat“ höchst untauglich sind, die Verhältnisse des Landes zu erfassen.
Natürlich war die DDR, wie jeder Staat, einer, der unterdrückt. Aber er – war und daran muss eine marxistische Kritik der DDR ansetzen – ein Staat der Unterdrückung nicht nur jeder Opposition, sondern der ArbeiterInnenklasse.
Ist die BRD deshalb ein Rechtsstaat? Aber ja. Doch was bedeutet das schon?
Der Begriff des „Rechtsstaats“ wurde im Kampf gegen die feudale Aristokratie entwickelt und fand Eingang in die Verfassungen der bürgerlichen Staaten, insbesondere in die US-Verfassung. Die Staatsgewalt sollte als „Herrschaft des Gesetzes“ verstanden werden, nicht als die eines/r MonarchIn oder DespotIn. Das Gesetz habe „über allem zu stehen“.
Natürlich war das immer eine Ideologie, welche die realen Verhältnisse verschleiert und auf den Kopf stellt. Bequem konnten die „Rechtsstaaten“ so auch mit der Sklaverei leben. Vor allem aber blendet die Vorstellung vom Rechtsstaat die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft aus.
Die bundesdeutsche Demokratie ist hohl und heuchlerisch. In Wahrheit ist die Macht des Kapitals brutaler, größer und folgenreicher als die aller Stasi-Generäle zusammen. Das ist die Realität des heutigen „Rechtsstaats“. Einen Grund, ihn zu glorifizieren, ihm etwa „sozialistisch“ nachzueifern, gibt es nicht. Im Kapitalismus in der Krise, in einer Gesellschaft des Niedergangs werden auch die „demokratischen“ Rechtsformen nicht mehr zur humanitären Blüte gelangen.
Trotzdem, oder gerade deshalb müssen auch RevolutionärInnen, ja alle aufrechten DemokratInnen und klassenbewussten ArbeiterInnen jede demokratische Errungenschaft gegen die Angriffe von Schäuble und Co. verteidigen. Aber nicht, weil wir einer Fiktion huldigen und irgendwelchen „Idealen“ des Rechtsstaats nachfeiern, sondern weil wir unsere Kampfbedingungen verteidigen müssen.
Wenn derzeit wieder über die „Wende“ in der DDR von 1989/90 geredet wird, dann wissen wir: der Kapitalismus hat seine Wende noch vor sich. Dann wird es nicht um einen halben Sozialismus in einem halben Deutschland gehen, sondern um die internationale sozialistische Revolution. Wenn es stimmt, dass jede Generation ihre revolutionäre Möglichkeit bekommt, dann ist die Zeit 20 Jahre nach der „Wende“ reif …