Das Internationale Exekutiv Komitee (IEK) der LFI hat fünf GenossInnen aus der österreichischen Sektion ausgeschlossen, darunter auch die langjährigen Mitglieder Nina Gunic und Michael Pröbsting. Diese fünf GenossInnen waren Teil einer Fraktion in der LSR, die sich nach der 22. Konferenz mit dem Namen „Bolschewistische Opposition“ (BO) gegründet hat. Die Fraktionsgründung war ein Ergebnis der Debatten, die auf der 22. Konferenz der LSR geführt wurden, die sich vor allem um Fragen des Organisationsaufbaus, des Verhältnisses zur Jugendorganisation REVOLUTION, die Einschätzung der aktuellen Konjunktur und der Herangehensweise zur reformistischen ArbeiterInnenbewegung drehten. Die sich darin entwickelnden politischen Differenzen sind ein Kristallisationspunkt der sich bereits in den letzten Monaten und Jahren abzeichnenden Meinungsverschiedenheiten zu zentralen Fragen sowohl internationaler als auch österreichischer Politik.Die Plattform, auf der die Gründung der Fraktion erfolgte, beinhaltete manche der schärfsten Charakterisierungen, die man innerhalb einer innerorganisatorischen Auseinandersetzung fruchtbar machen kann. Die Mehrheit wurde von der Fraktion von Beginn an denunziert, mit dem Ziel eine interne Kampagne gegen die Mitglieder der Mehrheit aufzubauen. In der Plattform der BO drückt sich dies am klarsten in der Charakterisierung des von ihnen sogenannten „rechten Lagers“ (der Mehrheit) aus:
„Die Schwächen des rechten Lagers sind umfassend und drücken sich in einer methodisch falschen Herangehensweise zu fast allen politischen Fragen des letzten Jahres aus. Man kann heute bei ihnen von einer kleinbürgerlichen, opportunistischen Ausrichtung sprechen, die ihrem Wesen nach mit einer undialektischen, unmaterialistischen Herangehensweise Hand in Hand geht.“
Diese Form der Kritik war umso überraschender, als sie in einem absoluten Missverhältnis zu den Beschlüssen der Konferenz gestanden ist. Die Konferenz hat im Rahmen einer fundierten und lange vorbereiteten Diskussion die Herangehensweise der LSR zum Organisationsaufbau kritisch reflektiert. Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir aufgrund überoptimistischer Einschätzungen der Klassenkampfsituation in der Vergangenheit oftmals einen zu starken Schwerpunkt auf zum Teil hyperaktivistische Kampagnenarbeit gelegt haben und zu wenig Zeit für theoretische Weiterentwicklung und Schulungsarbeit verwendet haben. Wir haben beschlossen, Debatten in der LSR auch stärker für Mitglieder der Jugendorganisation REVOLUTION zu öffnen und gleichzeitig die Konzeption einer permanenten Beeinflussung von REVOLUTION über zuvor in der LSR gefällte Beschlüsse klar zurückgewiesen. Darüber hinaus haben wir vor allem betont, dass eine Organisation nur dann über eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern hinaus wachsen kann, wenn sie es schafft ein Kollektiv zu entwickeln, in dem solidarische Auseinandersetzungen unterschiedlicher Positionen möglich sind, ohne bei Kritik als „KleinbürgerInnen“ oder „RevisionistInnen“ bezeichnet zu werden.Genau diese Herangehensweise der Fraktion, die anscheinend politische Debatte durch Brandmarkungen und Deklarationen ersetzt hat, hat von Anfang an ein solidarisches Klima in der Organisation zerstört. Ein solches Klima sehen wir jedoch als fundamentalen Bestandteil revolutionärer Organisationen, um Meinungsverschiedenheiten auf einer solidarischen Grundlage diskutieren zu können.
Keine Organisation kann verhindern, dass sich Differenzen zu unterschiedlichen Einschätzungen, taktischen aber auch programmatischen Fragen entwickeln. Es ist gerade die Pflicht einer Organisation eine Mitgliedschaft hervorzubringen, die zur Kritik innerhalb der Organisation und deren leitenden Gremien befähigt ist. Ohne diese Herangehensweise ist es unmöglich eine Organisation aufzubauen, die aus mehr als nur einer Handvoll GenossInnen besteht. Es ist dies ein Problem, dass sich auch in der Vergangenheit der LSR und des ASt (der Vorläuferorganisation der LSR) immer wieder u.a. auch bei den ausgeschlossenen GenossInnen gezeigt hat.Die Fraktion hatte diesbezüglich jedoch eine andere Vorstellung. Sie wollte eine Organisation schaffen, die einen monolithischen Block, geführt von ein bis zwei Personen, repräsentiert. Darüber hinaus wurden Rollenbilder kreiert, nach denen es sich nach Vorstellung der Fraktion zu orientieren galt. In einer kruden Herangehensweise, die eher an Stalinismus und M/L Kult erinnert, galt es in der Fraktion als erstes Ziel „neue Lenins“ zu entwickeln. Diese Positionen wurden mehrmals artikuliert und auch theoretisch untermauert. Dass eine solche Herangehensweise in Wirklichkeit nichts mit den politischen Traditionen und methodischen Herangehensweisen des Marxismus gemein hat, muss hier nicht lange erklärt werden.
Politische Hintergründe der Spaltung
Es gab sicher mehrere Auslöser für die politischen Konflikte in der LSR. Eine Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, dass die Fraktion nicht mit einer Situation umgehen konnte, in der wie in Österreich relativ stabile Verhältnisse durch eine weitgehende Friedhofsruhe an Klassenkämpfen herrschen. Die Reaktion darauf war vor allem „revolutionäre Ungeduld“ und die Überzeugung, dass radikale Schlagwortpolitik reicht, um eine revolutionäre Organisation aufzubauen. Gerade jedoch die objektive Situation erfordert eine seriöse Einschätzung potentieller Bruchpunkte und möglicher Risse dieser Stabilität. Die vergangenen Jahre haben zwar nicht jenen Aufschwung an Kämpfen gebracht, den die LSR oftmals aus einer simplen Übertragung globaler Entwicklungen angenommen hat. Es wurde jedoch auch aufgezeigt, dass soziale Bewegungen in Österreich möglich sind. Die SchülerInnenbewegungen, die Besetzungsbewegung auf den Universitäten und die gerade bestehende steirische Bewegung gegen das Sparpaket haben unter Beweis gestellt, dass es nicht eine „österreichische Mentalität“ ist, die eine weitgehende Scheu vor Auseinandersetzungen bedingt. Vielmehr ist diese Scheu symptomatisch für ein über Jahrzehnte hinweg geschaffenes politisches System, in dem über sozialpartnerschaftliche Institutionen Konflikte zu Lasten der ArbeiterInnenklasse abgewandt wurden. Die bürokratischen Führungen von Sozialdemokratie und Gewerkschaft haben dafür durch eine weitgehende Aushöhlung lebendiger und kämpferischer Gewerkschaftspolitik und einer permanenten Demobilisierung den zentralen Beitrag geleistet. Die Antwort auf dieses Problem darf jedoch nicht in ultralinken Herangehensweisen und Sektierertum liegen. Es gilt viel mehr die Gründe dafür zu analysieren, Forderungen zu entwickeln, die eine klare Aktions- und Widerstandsperspektive als Alternative zu reformistischer Verhandlungsmentalität vorschlagen und diese Perspektiven mit allgemeinen antikapitalistischen, revolutionär-sozialistischen Schlussfolgerungen zu verbinden.Gerade aufgrund der weitgehenden Kampflosigkeit ist es umso bedeutender sich an bestehende Bewegungen zu orientieren und zu versuchen diese über gemeinsame Bündnisse aufzubauen.
Die LFI und auch die österreichische Sektion hat über Jahre hinweg gerade über die Betonung von Einheitsfrontarbeit versucht ein angemessenes Mittel zu finden, den Kampf mit etablierten politischen Strukturen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung zu führen. Wir haben immer klar gemacht, dass revolutionäre Organisationen die Führerschaft über Gewerkschaften und andere Organisationen der ArbeiterInnenklasse nicht reformistischen und bürokratischen Führungen überlassen dürfen, sondern um politische Positionen kämpfen müssen. Die Fraktion hat sich immer mehr darauf konzentriert Alternativen zu dieser oft langwierigen und mühsamen Arbeit zu finden und sich damit von der Einheitsfront als Taktik wegentwickelt. Diese Taktik beinhaltet in unserem Verständnis sowohl den Vorschlag an als auch die gemeinsame Aktion mit nicht-revolutionären Kräften, um sie zu zwingen Aktionen zu setzen und die Möglichkeit zu haben sie in diesem Prozess zu kritisieren. Die BO hat diese Taktik immer mehr als „ultimatistischen“Aufruf an reformistische und zentristische Kräfte verstanden, nur um ihre Unwilligkeit gemeinsam zu kämpfen zu „demonstrieren“. So wurde die Generalstreikslosung als Lackmustest verwendet, um zu testen, ob Organisation bereit waren zu kämpfen, oder nicht. Egal ob man diese Losung nun unterstützt, oder nicht, war klar, dass sie als Ultimatum verwendet wurde, um zu „beweisen“, dass all anderen Kräften „nicht bereit waren zu kämpfen“ und nicht bereit waren „zu sagen was ist“.
Dieser sektiererischen Herangehensweise haben wir bereits auf der 22. Konferenz den Vorschlag gegenübergestellt, eine Diskussion in der österreichischen Linken über die notwendige strategische Ausrichtung zu beginnen. Ihren Zugang zur Einheitsfront zeigte die BO im Rahmen dieser internen Debatte deutlich auf. Sie lehnte auch unseren Vorschlag, Initiativen für eine „Konferenz der Linken“ zu setzen, ab:
„wir [haben] kein Interesse daran, ein Projekt der verstärkten Diskussion und Zusammenarbeit mit dem sich keineswegs nach links bewegendem Zentrismus zu puschen, sondern vielmehr die Notwendigkeit der Stärkung einer revolutionären Organisation und der Unbrauchbarkeit des zentristischen Sumpfes zu betonen.“
Diese Unwilligkeit sich real stattfindender Debatte und Argumentation zu stellen und diese mit Deklarationen zu ersetzen, bekam auch die Mehrheit der LSR zu spüren. Immer mehr wurde darauf gesetzt eine interne Kampagne gegen einzelne Mitglieder aufzubauen. Wir nehmen an, dass von Seiten der ehemaligen Fraktion auch wüste Unterstellungen und Verleumdungen in der Öffentlichkeit verbreitet werden und möchten schon jetzt klarstellen, dass wir kein Interesse am Aufbau eines Kleinkrieges mit den GenossInnen haben. Zurzeit gibt es wichtigeres zu tun, wie vor allem die sehr ermutigende Bewegung in der Steiermark zeigt.
Ausschluss der Fraktion
Die LSR Mehrheit hat immer betont, dass der Fraktion alle demokratischen Rechte zugesprochen werden, die unsere Statuten beinhalten. Dies heißt natürlich auch, dass wir der Fraktion trotz all ihrer sektiererischen Tendenzen nicht vorschreiben konnten und wollten, in welcher Form sie ihre politische Kritik äußert. Doch wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir es nicht akzeptieren werden, sollte die Fraktion diese demokratischen Rechte missbrauchen, um zu versuchen die Organisation zu zerstören. Dies wurde jedoch offensichtlich, nachdem diverse Dokumente der Fraktionen an die gesamte Organisation weitergeleitet wurden, in denen die BO unmissverständlich klar macht, dass es ihr nicht nur um eine Schädigung der LSR geht, sondern sie auch vor hat die Jugendorganisation REVOLUTION zu spalten. Wir möchten an dieser Stelle deshalb eine ausdrückliche Warnung an die GenossInnen von REVO aussprechen, was die Intentionen der ehemaligen LSR Mitglieder, die auch in REVO arbeiten, betrifft.Abgesehen von der die fast schon einer Selbstparodie gleichkommenden Sprache, kommt aus folgendem Absatz eines an uns weitergeleiteten BO Dokuments klar hervor, welche Motive sie für eine Arbeit in REVO haben:
„Die BO sieht sich gegenwärtig in einem harten Kampf in der LSR. Dieser Kampf kann aber nicht nur in der LSR ausgeführt werden. Wir wissen, dass die Menschewiki [also die Mehrheit] viele ihrer Einflussgebiete in Revolution ansetzen und diese in nächster Zeit auch ausweiten werden.Nun liegt es an uns weiter zu denken als die Menschewiki und mit allen uns möglichen Kräften auch in Revolution zu arbeiten, neue Kader auszubilden und sie von unseren Zielen zu überzeugen.Eine Spaltung der LSR kann möglich sein. Auch wenn wir nicht darauf hinarbeiten müssen wir vorrausschauend denken und uns bestmöglich auf diese Situation vorbereiten.Das heißt, dass wie auch schon der Titel des Dokumentes verrät, das oberste Ziel in der Revo –Arbeit die Bolschewisierung der FR –OG [Freitags Ortsgruppe] ist.“
Wir konnten und wollten dieser destruktiven Herangehensweise nicht mehr länger zusehen. Das in Wien tagende IEK hat deshalb die GenossInnen aufgefordert klar von solchen Vorhaben Abstand zu nehmen und diese Pläne zurückzuziehen, um wieder zu einer konstruktiven Arbeitsweise zurückkehren zu können. Die GenossInnen der Fraktion haben dies nicht nur nicht getan, sondern ihre Herangehensweisen auch noch aktiv verteidigt. Keine ernsthafte Organisation kann akzeptieren, wenn solche Ausfälle sogar noch positiv bewertet werden. Wir haben daraus die Schlussfolgerung gezogen und werden ab nun getrennte Wege beschreiten.Wir wollen nicht mit pathetischen Phrasen schließen und argumentieren, dass wir nun stärker als je zu vor wären. Jede Spaltung ist ein Rückschlag und zeigt auf, dass es Probleme in der Organisation gegeben hat, die auch von Seiten der LSR nun noch weiter analysiert werden müssen, um zumindest die politischen und theoretischen Schlussfolgerungen aus dieser internen Auseinandersetzung ziehen zu können.Dies beinhaltet auch eine stärkere Beschäftigung mit unsere politischen Traditionen, um darauf aufbauend auch eine aktive Rolle in den kommenden Auseinandersetzungen und Kämpfen in Österreich spielen zu können.
Weitere Perspektive
Die LSR wird in Zukunft somit weiter als österreichische Sektion der LFI existieren und aktiv am Aufbau einer revolutionären Partei in Österreich arbeiten. Vor allem werden wir unser Ziel weiterverfolgen, eine „Konferenz der Linken“ gemeinsam mit anderen Kräften zu organisieren, die Interesse an einer Diskussion über grundlegende Fragen linker Politik in der heutigen Situation haben. Beiträge wie jener von Benjamin Opratko und Stefan Probst haben uns – auch wenn wir einzelne Punkte daran kritisieren würden – bestärkt, dass eine solche Diskussion klare Priorität haben muss, um in zukünftigen Kämpfen und Bewegungen als Linke nicht im gesellschaftlichen Abseits zu stehen, sondern mittels der Einigung auf gemeinsame Punkte eine antikapitalistische Perspektive gesellschaftlich relevant zu machen ohne dabei Differenzen zwischen einzelnen Organisation zu ignorieren.
Natürlich geht jede Organisation davon aus, mit ihren Einschätzungen, Programmen und Forderungen richtig zu liegen und damit eine angemessene Antwort auf gesellschaftliche Fragen zu geben. Auch wir schließen uns natürlich davon nicht aus. Doch diese Positionen regelmäßig zu überprüfen – auch in einer solidarischen Auseinandersetzung mit Herangehensweisen anderer Gruppen und Einzelpersonen – gehört unseres Verständnisses nach zur Pflicht einer ernsthaften Organisation. Die gemeinsame Diskussion mit anderen linken Kräften auf dieser Grundlage hat nicht den Zweck zwanghafte Einheitsprojekte zu formen. Denn eine Addition bestehender Kräfte ergibt (wie das Wahlbündnis „Linke“ gezeigt hat) eben nicht mehr als ihre Summe und kann reale gesellschaftliche Bewegung nicht substituieren. Eine solche Diskussion hat den Zweck ernsthaft zu überprüfen, worin mögliche Differenzen bestehen, wie tief diese sind, gleichzeitig aber auch zu versuchen Gemeinsamkeiten herauszufiltern, um auf zukünftige Angriffe und potentiellem Widerstand dagegen angemessen reagieren zu können.
Die aktuelle welthistorische Periode bietet umfangreiche Möglichkeiten für den Kampf gegen die inhärente Grausamkeit der kapitalistischen Verwertungslogik und der Absicherung dieser Verhältnisse durch imperialistische Staaten und deren Statthalter. Die Revolutionen in Afrika und dem arabischen Raum zeigen, dass eine andere Welt möglich ist, gleichzeitig jedoch auch, dass das Aussehen einer solchen zukünftigen Welt nicht von vornhinein bestimmt, sondern selbst Ergebnis sozialer Auseinandersetzung ist. „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“ – die LSR wird versuchen dazu ihren Beitrag auf Basis eines revolutionär-sozialistischen Programms zu leisten, um in letzter Instanz die Kämpfe um Ressourcen und politische/wirtschaftliche Einflussgebiete zu beenden und eine klassenlose Gesellschaft aufbauen zu können.
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