LSR wird wieder AST

2007 haben wir unsere Organisation, den ArbeiterInnenstandpunkt, in LSR (Liga der Sozialistischen Revolution) umbenannt. Die Begründung dafür haben wir damals in der Notwendigkeit gesehen, klarer auf den Punkt zu bringen, wofür wir programmatisch stehen. Während wir immer noch die zwei Achsen – Sozialismus und Revolution – als zentral für unsere programmatischen Ansichten sehen, hat die Umbenennung in LSR über weite Strecken auch eine Zäsur in unserer Tradition bedeutet. Der Umbenennung gingen im Jahr 2006 diverse Ausschlüsse von langjährigen GenossInnen voraus, mit denen sich nicht nur personelle Veränderungen eingestellt haben. Damit einher ging auch eine über weite Strecken stattfindende Besiegelung unserer eigenen politischen Geschichte und Tradition. In dieser Phase haben sich auch einige der methodischen Fehler entwickelt, die in den Monaten vor dem Ausschluss der Fraktion „Bolschewistische Opposition“ von den GenossInnen der LSR / des AST kritisiert wurden.

Nach der Spaltung im April 2011 haben wir länger diskutiert, wie wir als Organisation mit einer Situation umgehen wollen, in der viele der GenossInnen Teile der Entwicklung des AST und der LSR nicht mehr persönlich mitbekommen haben. Gemeinsam mit dem Bewusstsein politische Fehler gemacht zu haben, ist es uns ein Anliegen auch an unsere politische Tradition und unsere politischen Stärken anknüpfen zu können. Der einzige Weg dies zu erreichen, führt über eine kritische Aufarbeitung der eigenen politischen Vergangenheit, um eben jene Stärken und Schwächen klar herausarbeiten zu können.

 

Woher kommt der ArbeiterInnenstandpunkt?

Der ArbeiterInnenstandpunkt wurde 1986 von GenossInnen aus der IKL (Internationale Kommunistische Liga) gegründet. Politisch versuchte der ASt damals vor allem die Frage eines revolutionären Programms zur Überwindung des Kapitalismus in den Vordergrund zu stellen und sich eine theoretische Grundlage zu unterschiedlichen Fragen zu erarbeiten. Der sich ankündigende Zusammenbruch des Stalinismus, die Rolle des Reformismus in der ArbeiterInnenbewegung und die Analyse der Ursachen der Frauenunterdrückung gehörten dabei zu den zentralen Eckpfeilern der ersten Jahre der Publikationstätigkeit.

Ebenfalls in den Vordergrund gestellt wurde die Notwendigkeit des Aufbaus einer internationalen Organisation. Von Anfang an war der ASt deshalb mit der britischen Organisation Workers Power in Kontakt und schloss sich der internationalen Strömung BRKI (Bewegung für eine revolutionär kommunistische Internationale) an. International wurde Wert darauf gelegt eine kritische Aufarbeitung mit der Entwicklung der IV. Internationale nach dem Zweiten Weltkrieg zu erarbeiten, nachdem diese es nicht geschafft hatte an ihre revolutionäre Tradition vor dem Krieg anzuschließen. Vor allem politisch durch die Auffassung geprägt, dass Trotzkis Perspektiven nach dem Zweiten Weltkrieg (entweder politische Revolution in der Sowjetunion oder Zusammenbruch des Stalinismus mit anschließender kapitalistischer Restaurierung) noch zutreffen werden, verpasste es die IV. Internationale eine politische Neuausrichtung zustande zu bringen, die sich von den falschen Prognosen Trotzkis verabschiedete.

Relativ bald begann der AST auch energischeren Aktivismus, der neben einzelnen Versuchen der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit vor allem auch einen Fokus auf Jugendarbeit unter SchülerInnen richtete. Nach mehreren erfolglosen Versuchen des Aufbaus einer Jugendorganisation, wurde in den späten 1990ern die Jugendorganisation REVOLUTION gegründet, die bis heute besteht und als eine der wichtigsten Erfolge der AST-Arbeit gesehen werden kann. Im Gegensatz zu anderen Strömungen hat der AST gemeinsam mit seiner internationalen Strömung immer betont, dass die Notwendigkeit der organisatorischen, politischen und finanziellen Unabhängigkeit der Jugendorganisation ein zentraler Eckpfeiler zur eigenständigen Entwicklung junger GenossInnen ist.

 

Wieso Umbenennung?

Die Aufgabe des zwischen 2007 und 2011 bestehenden Namens LSR hat zwei zentrale Gründe. Erstens ist die 2007 beschlossene Umbenennung für sich selbst ein Ausdruck einer politischen Fehleinschätzung der damaligen Situation. Zweitens verbinden wir mit der neuerlichen Verwendung des Namens ArbeiterInnenstandpunkt auch die Aufgabe an eine politische Tradition anzuknüpfen. Ohne bereits jetzt ein abgeschlossenes Bild unserer eigenen Aufarbeitung präsentieren zu können, halten wir es für wichtig bereits jetzt einzelne Problemfelder zu benennen.

Die politische Fehleinschätzung sehen wir vor allem in der weitgehenden Überschätzung der Klassenkampfverhältnisse in den letzten Jahren. Die Aktivität der LSR war über weite Strecken am Paradigma einer sich verschärfenden Radikalisierung von ArbeiterInnenklasse und Jugend ausgerichtet und hat damit zu einer weitgehenden Überbetonung von Aktivismus geführt. Damit einhergehend spielte die theoretische Aufarbeitung von aktuellen aber auch historischen Fragestellungen nur eine untergeordnete Rolle. Daraus entwickelte sich eine vulgäre Form des Marxismus, die durch ihre Verkürzung nicht nur eine oberflächliche Kritik an Kapitalismus und Imperialismus angeboten hat, sondern auch versuchte sich selbst in sektiererischer Selbstabgrenzung zu anderen Organisationen der Linken zu übertreffen. Die Kritik am Kapitalismus wurde immer weiter weg von strukturellen Problemen geführt und immer stärker anhand von Einzelbeispielen verdeutlicht.

 

Einschätzung von Sozialdemokratie und Gewerkschaft

Methodisch fundamental für die ultralinken Tendenzen der LSR war dabei auch die Einschätzung von Sozialdemokratie und Gewerkschaft. Die seriöse Einschätzung des Reformismus in Österreich und die Entwicklung von Taktiken, um den Einfluss der staatstragenden Bürokratien in SPÖ und Gewerkschaft zu brechen, gehört zu den Grundpfeilern der Herausbildung des ArbeiterInnenstandpunkt. Die Einschätzung der SPÖ als bürgerliche ArbeiterInnenpartei, die durch ihre Dialektik zwischen kapitalistischer Staatsfunktion und Verbindung mit der organisierten ArbeiterInnenbewegung einen entscheidenden Einfluss auf die Passivität der ArbeiterInnenklasse ausübt, wurde jedoch nur mehr in Worten aufrecht erhalten.

Spätestens mit der Aufstellung der Losung einer neuen ArbeiterInnenpartei in Österreich verabschiedete man sich weitgehend von der Anwendung taktischer Losungen auf reformistische Organisationen. Als Grundlage für diese Taktik diente die Einschätzung, dass 2008 nach sechs Jahren Schwarz/Blau und zwei Jahren der Großen Koalition eine Linksbewegung in der sozialdemokratischen Basis einsetzen würde. Begründet wurde dies mit der Enttäuschung der sozialdemokratischen Basis mit der Politik der Gusenbauer-SPÖ zwischen 2006 und 2008. Während diese Enttäuschung sicherlich vorhanden war, handelte es sich dennoch um eine Fehleinschätzung, dass diese unmittelbar zu einer organisierten Linksentwicklung führen müsse.

Auch wenn durch das Wahldebakel des Bündnisses „Linke“ immer offensichtlicher wurde, dass „die Massen“ nicht auf eine neue Linkspartei warten, sondern entweder immer noch stark innerhalb der Sozialdemokratie organisiert sind oder Teile mit reaktionärem Bewusstsein auch zu FPÖ-WählerInnen avancieren, wurde die Auseinandersetzung mit dem Reformismus nur sehr oberflächlich geführt. In der politischen Realität kam es zu einer starken Vulgarisierung der Taktiken und Forderungen. Dies ging soweit, dass wir sogar den Ausschluss aller FunktionärInnen aus dem ÖGB forderten.

Neues Programm

Diese Form der Aufarbeitung kostet Zeit, ist jedoch eine zentrale Komponente zur Ausarbeitung eines neuen revolutionären Programms für Österreich. Neben der Unterstützung und Organisation von Aktivitäten, sehen wir es deshalb als zentrale Aufgabe ein solches Programm in den kommenden Monaten auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen.

Auch wenn kein Automatismus zwischen radikalen Kämpfen wie in Spanien, Griechenland oder Syrien besteht und der Militanz des Protests in Österreich besteht, so gilt es trotzdem neu gewonnene Erfahrungen der internationalen ArbeiterInnenklasse zu ziehen. Diese wollen wir gemeinsam mit den Entwicklungen in Österreich reflektieren und in ein neues programmatisches Dokument verpacken.

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