Regierungsprogramm 2025: Ist der Status quo wirklich so viel besser?

Das größte Regierungsteam der zweiten Republik hat sich gefunden. Foto: © BMEIA/ Michael Gruber

Nach langem Hin und Her starteten die Regierungsverhandlungen wieder dort, wo sie letzten Herbst angefangen hatten. NEOS, SPÖ und ÖVP werden unter Anleitung der ÖVP – nach dem kläglichen Scheitern einer blau-schwarzen Verhandlung – eine Regierung bilden. Für viele bedeutet es ein Aufatmen, weil noch schlimmeres abgewendet wurde. Kann man sich jetzt einfach für die nächsten 5 Jahre zurücklehnen, weil ein Kanzler Kickl verhindert wurde? Im Folgenden wollen wir uns ansehen, was genau die neue Regierung vorhat, welche Rolle die Sozialdemokratie unter Andreas Babler darin spielen wird und ob nicht zu befürchten ist, dass die FPÖ durch die Politik der von ihr so genannten „Zuckerlkoalition“ noch weiter Zulauf bekommen wird.

Das Regierungsprogramm steht bereits fest und der Fokus liegt klar auf dem Budgetloch und dem Themenbereich Asyl und Migration. Es gibt wenig substanzielle Änderungen, viele leichte Verschlechterungen und ein paar kleine Verbesserungen, die sich schwertun mit den großen Schritten der angekündigten Sparpolitik mitzuhalten. Viele Aspekte des Programms sind unklar oder propagieren nur eine „Prüfung“ oder eine „Verpflichtung“ zu abstrakten Modellen. Da wir uns nicht an irgendwelche schön klingenden Floskeln, die wohl nie in die Realität umgesetzt werden, abarbeiten wollen, werden wir uns im Folgenden vor allem auf die handfesten Punkte beschränken, die die Grundlage der kommenden Regierungsarbeit bilden werden.

Inflation und Budget

Das wichtigste Wahlmotiv bei den Nationalratswahlen war das Thema Teuerung. Im Regierungsprogramm sind aber die gestiegenen Lebenserhaltungskosten für die Mehrheit der Menschen in Österreich kaum ein Thema. Das größte Versprechen ist die Entkoppelung des Mietpreises vom Verbraucherpreisindex bis 2028 und die Entwicklung eines neuen Mietpreisindex. Auch sollen Mindestlaufzeiten von Mietverträgen auf 5 Jahre erweitert werden, was größere Mietpreissprünge in einzelnen Fällen verringern kann. Über Mietpreisdeckelungen oder -senkungen wird kaum geredet. Steigende Kosten in anderen Bereichen werden auf Kommissionen verschoben oder geprüft, wie dabei Preiserhöhungen nicht direkt an Konsument*innen weitergegeben werden (wie im Bereich von Energie und Lebensmitteln, wo sich z.B. auf Energiegemeinschaften und mehr Transparenz in der Preissetzung konzentriert wird). Gekürzt wird stark bei älteren Personengruppen. Die Pensionseinzahlzeit wird auf 42 Jahre erhöht und die Beiträge zur Krankenversicherung von Pensionist*innen steigen ebenfalls. Die kalte Progression (also das Rutschen in eine höhere Steuerklasse, wegen Inflation) wird auch teilweise zurückkehren, nachdem sie die letzten Jahre so gut es ging und mit großem Eigenlob ausgeglichen wurde.

Kein Wunder, dass Maßnahmen zur Entlastung hingegen wenig Platz einnehmen. Schließlich wurden die Pläne zur Budgetsanierung, die von FPÖ und ÖVP ausgehandelt und an die EU-Kommission übermittelt worden waren, übernommen. Bei den allermeisten Kapiteln des Regierungsprogrammes, die Gelder versprechen, ist auch noch unklar, wann sie umgesetzt werden können. Sie sind abhängig von der budgetären Lage und werden nur unter Vorbehalten erwähnt. Sehr prominent ist mit der Senkung der Lohnnebenkosten, die in Österreich weit über dem EU Schnitt liegen, eine langjährige Forderung der Wirtschaftskammer und de facto eine Umverteilung von unten nach oben. Statt einer Entlastung soll vor allem bei ökologischen Maßnahmen (z.B. Klimabonus) und in den Ministerien gespart werden. Bei letzteren sind 1,1 Mrd. Euro an Verwaltungsaufwand einzusparen. Wie das genau gemacht wird, bleibt den einzelnen Ressortleiter*innen überlassen. Es kommen höhere Abgaben für Banken und Steuererhöhungen für Stiftungen, was ein Lichtblick ist. Die machen aber nur einen kleinen Teil der Einnahmen aus und sollen auch 2027 wieder stark gesenkt werden.

Reicht das aus um 6,4 Mrd. Euro einzusparen? Vermutlich noch nicht. Die meisten Kosten in der Budgetsanierung tragen Arbeiter*innen als Privathaushalte, während der Staat und Unternehmen jeweils nur leicht über 20% beitragen. Das merkt man auch daran, welche Steuern erhöht und gesenkt werden. Die Körperschaftssteuer für Unternehmen bleibt unten, dafür werden aber z.B. Tabak und jegliche Kosten, die auf Ämtern zu entrichten sind, teurer.

Rassismus und staatliche Kontrolle

Im Themenbereich „Sicherheit“ finden sich die reaktionärsten Vorschläge. In klassischer FPÖ-Manier wird das Thema Sicherheit im Regierungsprogramm unmittelbar mit dem Thema Asyl und Migration verknüpft. Stellen Asylwerber*innen und Migration ein Sicherheitsproblem für Österreich dar? Das Programm lässt es so klingen. Es wird vom Stopp der „irregulären Migration“ und von einem Missbrauch des Asylsystems gesprochen. Asylanträge sollen im Inland auf 0 reduziert und die Familienzusammenführung soll aufs erste gestoppt werden. Die Verweigerung der Familienzusammenführung wird gerechtfertigt durch einen angeblichen Missbrauch des Sozialsystems. Die Regierungsparteien beziehen sich dabei auf Notfallklauseln, weil die Systeme überlastet seien und die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört würden. Dass das in Österreich rechtlich haltbar ist, bleibt sehr unwahrscheinlich und es widerspricht sicher auch EU-Recht. Diese tiefen Eingriffe in Menschenrechte wären noch vor ein paar Jahren mit einer Regierungsbeteiligung der SPÖ schwierig gewesen. Heute funktionieren sie sogar mit dem „Linken“ Andreas Babler. Es wird weiter fantasiert über das Einsperren von Menschen, die vor der Abschiebung stehen, länger und unter schlechteren Bedingungen als bei der aktuellen, an sich schon verwerflichen Schubhaft. Wie genau das aussehen soll, ist aus dem Regierungsprogramm allerdings nicht herauszulesen. Es soll einen eigenen österreichischen Fond für den „Grenzschutz“ geben, oder auch die Abnahme von „verwertbaren Gegenständen“ von Asylwerbenden, um damit Kosten für deren Unterbringung zu decken. Auch die ohnehin schon mangelhafte Grundversorgung soll drastisch gekürzt werden (um wieviel ist nicht klar, weil es Differenzen zwischen den Ländern diesbezüglich gibt). Asylwerbende, die sonst wenig Zugang zu irgendwelchen Leistungen und auch keine Arbeitserlaubnis haben, bekommen damit immer weniger Möglichkeiten, sich über Wasser zu halten. Volle Sozialleistungen sollen erst nach einer Integrationsphase von bis zu 3 Jahren möglich sein. Ein Kopftuchverbot für unter 14 Jährige soll kommen, was das Potenzial hat, junge Menschen aus dem öffentlichen Raum zu drängen. Das Verbot soll verfassungskonform sein, es bleibt also abzuwarten, welche Räume es inkludiert. Es soll auch für Geflüchtete notwendig werden, eine Antisemitismuserklärung zu unterschreiben, die implizit wieder nahelegt, Antisemitismus sei ein importiertes Problem und vor allem bei pro-palästinensischen Muslim*innen zu finden. Es findet sich auch ein klares Bekenntnis zu Israel im Programm (bilaterales Bekenntnis zu Sicherheit und Zusammenarbeit). Keine Erwähnung findet (außer einem inzwischen weit verbreiteten Tippfehler) Österreichs eigenes Problem mit Antisemitismus, dieses hat man ja auch mit einer guten Beziehung zu Israel hinter sich gelassen.

Großes Augenmerk wird auch auf bessere Arbeitsbedingungen für die Polizei und innere Sicherheit gelegt. Bei der Bekämpfung von Terrorismus wird auf die Dokumentationsstelle politischer Islam gesetzt, die muslimische Menschen einem Generalverdacht aussetzt und Überwachung erleichtert. Angekündigt sind auch Verschärfungen im Vereinsrecht und mehr Informationen, die für die Anmeldung von Versammlungen notwendig werden. Das wird alle Formen von politischer Organisierung treffen – rechte wie linke.

In Bezug auf Außenpolitik und Krieg ist das Regierungsprogramm ebenfalls klar reaktionär. Es gibt ein klares Bekenntnis zur eigenen Aufrüstung sowie zu einer Beteiligung an der Aufrüstung Europas in der Form von Skyshield. Damit rückt Österreich im Eindruck der internationalen Krise zwischen den Großmächten näher an die europäischen Großmächte in ihrer Auseinandersetzung mit dem russischen Imperialismus.

Wie sieht die neue Regierung aus?

Aber nicht nur das Regierungsprogramm zeigt, vor welchen Problemen wir stehen. Die Postenverteilung sendet auch klare Zeichen. Die SPÖ macht sich mit dem Finanzministerium zur Nummer 1 in der Krisenverwaltung, die Kürzungen und Verrat an der Arbeiter*innnenklasse bedeuten wird, und die Neos bekommen das Bildungsministerium, wo wir bereits in Wien ihren neoliberalen Anstrich sehen durften. Das Wirtschaftsministerium bleibt natürlich bei der ÖVP, um durch Wettbewerb die Probleme des freien Marktes zu lösen. Mit so einer Besetzung ist es also kein Wunder, dass in der Vereinbarung keine sinnvollen Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung geplant sind.

Wir sehen, dass diese Regierung in Fragen von Asyl und „Integration“ der FPÖ/ÖVP Koalitionsverhandlung um kaum etwas nachsteht. Auch die kommenden Kürzungen verheißen nichts Gutes. Ein wichtiger Faktor ist: Mit der Sozialdemokratie begeben sich auch die von der SPÖ geführten Organisationen der Arbeiter*innenbewegung – insbesondere ÖGB und Arbeiter*innenkammer – wieder einmal in eine Burgfriedenspolitik. Das heißt, ohne Druck von unten wird von der Gewerkschaftsführung kaum ein Widerstand gegen die Angriffe auf unsere Rechte kommen. Wir müssen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung eine Opposition gegen die Beteiligung der sozialdemokratisch geführten Organisationen an der Krisenverwaltung aufbauen und der sozialdemokratischen Basis klar machen, dass die SPÖ schon lange nicht mehr in ihrem Interesse arbeitet – auch nicht unter dem „Linken“ Andi Babler.

Es braucht immer noch Widerstand gegen den internationalen Rechtsruck, den wir erleben, der mittlerweile ja offensichtlich auch eine SPÖ/ÖVP/Neos Regierung zu einer klar rechten Regierung macht. Dafür müssen wir Arbeitskampf und Widerstand organisieren, speziell was Angriffe auf Menschenrechte angeht. Es braucht eine Einheitsfront zwischen allen Organisationen der Arbeiter*innenklasse und Linken, um diese Angriffe abzuwenden.

Bei den kommenden Wienwahlen gibt es zumindest mit KPÖ-LINKS am Stimmzettel auch eine Option, den eigenen Unmut auszudrücken und eine dezidierte Opposition gegen den sozialdemokratischen Ausverkauf an die Konservativen und Neoliberalen zu wählen. Wählen allein wird aber kaum etwas verändern. Deshalb braucht es auch eine klare Organisierung gegen die bevorstehenden Angriffe. Wir rufen also auch dazu auf, sich mit uns gemeinsam am Aufbau einer schlagkräftigen Linken zu beteiligen, sei es in LINKS oder aber in der Gewerkschaftsbasis, um dort direkt Druck auf die Bürokrat*innen zu organisieren.