von Gruppe ArbeiterInnenmacht (Deutschland)
Am 8./9. Juni findet die Wahl zum Europäischen Parlament, kurz Europawahl, statt. Mit mehr als 350 Millionen Wahlberechtigten ist sie nach dem Urnengang in Indien der größte dieses Jahres.
Euphorie und Beigeisterung des Wahlvolkes halten sich freilich in Grenzen. Obwohl das Europäische Parlament in den letzten Jahren an Kompetenzen hinzugewonnen hat, kommt ihm in den Augen der Bevölkerung wie auch der konkurrierenden Parteien gegenüber nationalen Parlamenten eine untergeordnete Bedeutung zu. Kein Wunder also, dass der öffentliche Kampf um Stimmen und Sitze erst einen Monat vor der Entscheidung beginnt. Aufsehen erregte bisher eher der Kampf um Listenplätze und Startpositionen für mögliche zukünftige Posten.
Charakter des Europaparlaments
Das spiegelt nicht zuletzt auch den Charakter des Europaparlaments wieder. Anders als jene der EU-Einzelstaaten wird das Gegenstück zur Regierung auf nationaler Ebene, die Europäische Kommission, nicht direkt vom Parlament gewählt. Präsidentschaft und Kommissar:innen (quasi Minister:innen) werden vielmehr vom Rat der Europäischen Union (auch EU-Ministerrat genannt) mit qualifizierter Mehrheit ernannt und dann dem Parlament vorgeschlagen. Dies kann natürlich, wie 2019 der EVP-Listenführer Manfred Weber (CSU) schmerzlich erfahren musste, den Vorschlag ablehnen und so den EU-Ministerrat zur Neuverhandlung zwingen, aber keinen eigenen Vorschlag zur Abstimmung stellen.
Ebenso wenig kann es eigene Gesetzesinitiativen starten, sondern nur die der Europäischen Kommission abändern, verwerfen oder beschließen.
Kurzum, es ist auch rein formal ein Parlament mit beschränkter legislativer Vollmacht. Gegenüber der Europäischen Kommission spielt es die zweite Geige. Darin unterscheidet es sich nicht grundsätzlich von nationalen Parlamenten, wo Regierung und Staatsapparat die politische Macht auf sich konzentrieren, es ist hier nur offensichtlicher.
Viel bedeutender ist jedoch, dass die Europäische Kommission keineswegs als EU-Regierung missverstanden werden will. Auch wenn die europäischen Institutionen in den letzten Jahrzehnten an Kompetenzen hinzugewannen und auch über beachtliche Budgets verfügen, so liegt die politische Macht bis heute letztlich nicht bei den suprastaatlichen Einrichtungen, ganz so wie die EU kein Staat, sondern ein Staatenbund ist. Die eigentliche Macht befindet sich bei den politischen Exekutiven der Nationalstaaten, genauer bei den tradierten großen imperialistischen Staaten Europas – Deutschland, Frankreich, Italien.
Auch wenn diese keineswegs „allmächtig“ ihren Willen durchsetzen können, ja gelegentlich auch von den „kleinen“ blockiert werden können, so geht doch nichts ohne sie und vor allem vertreten diese Staaten das Ziel, die EU zu einem imperialistischen Block unter ihrer Dominanz zu gestalten, der weltmachtfähig werden soll. Die Schwierigkeiten auf diesem Weg reflektieren letztlich, dass die vorherrschenden Nationen und die dominierenden nationalen Kapitale nicht bloß „Partner:innen“, sondern zugleich auch Konkurrent:innen sind, die zwar alle für „Einheit“ und einen „freien Markt“ eintreten, aber nur solange es nicht auf ihre Kosten geht.
Inhärenter Widerspruch
Kein Wunder also, dass die europäische Politik immer an diese Grenze stößt, einen wirklichen inneren Widerspruch, der innerkapitalistisch nicht aufzulösen sein wird, der verdeutlicht, dass Nationalstaat und imperialistische Sonderinteressen selbst ein Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte, für die Lösung aller großen europäischen Probleme darstellen.
Diese Tendenz wird noch dadurch verschärft, dass sich EU-Mächte und damit die EU selbst im schärfer werdenden globalen Kampf um die Neuaufteilung der Welt gezwungen sehen, sich auf das „Kerngeschäft“ in der Konkurrenz zu besinnen: Aufrüstung und Kriegsfähigkeit, Aufbau eigener europäischer Großkapitale und Hightechbranchen, rassistische Abschottung durch selektive Migrationspolitik. Und auch dabei sieht es nicht rosig aus. Der Green Deal, einst als „ökologisches“ und „transformatorisches“ Wunderwerk der EU-Kommission verkauft, wurde längst auf die politische Müllhalde der Staatenunion entsorgt.
Die „Große Koalition“ der EU
Da die EU bis heute ein strategisches Projekt aller ihre zentralen Mitgliedstaaten verkörpert, agieren alle staatstragenden Parteien – die Konservativen der EVP, die Liberalen, Grünen und die Sozialdemokratie – faktisch als „große Koalition“ der EU.
Von den 705 Mitgliedern stellt zur Zeit die EVP (Europäische Volkspartei), der CDU und CSU angehören, 178 Abgeordnete und damit die größte Fraktion im Parlament. Die S&D (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten) stellt 140, die liberale Renew Europe, der die FDP angehört, 102, die Grüne Fraktion 72 Abgeordnete. Zusammen vereinen sie 492 Sitze auf sich, also fast 70 %.
Auch wenn alle diese Bündnisse mit eigenen Spitzenkandidat:innen zur Europawahl antreten, so ist doch von einer Wiederwahl von der Leyens, der Spitzenkandidatin der EVP, auszugehen.
Auch wenn das Europaparlament nach wie vor nur begrenzte Rechte hat, so stellen die Wahlen natürlich dennoch ein Barometer für die politischen Stimmungen in der EU und das Kräfteverhältnis dar.
Prognosen
Die aktuellen Umfragen gehen davon aus, dass die EVP ihre Position halten oder sogar leicht ausbauen kann. Auch der Sozialdemokratie wird prognostiziert, dass sie ihren Anteil behaupten kann. Erhebliche Verluste werden jedoch den Liberalen (etwa ein Drittel) und den Grünen (rund die Hälfte) vorausgesagt. Das bedeutet für die „große Koalition“ des Europaparlaments zwar weiter eine deutliche Mehrheit, aber eine Verschiebung hin zum konservativen Lager.
Gestärkt werden mit großer Wahrscheinlichkeit die rechten Fraktionen im EU-Parlament, wobei diese jedoch auch große innere Gegensätze – gerade bezüglich des Ukrainekrieges – austragen. Der größte Zuwachs wird dabei der Fraktion der „Konservativen und Reformer“ vorhergesagt. Dieser gehört als wohl wichtigste Partei Melonis Fratelli d’Italia (FdI) an, die durchaus in die EU-Mehrheit integrierbar ist, ganz so wie Meloni als rechte Ministerpräsidentin eng mit von der Leyen und der EU-Kommission zusammengearbeitet hat. Der Grund dafür liegt darin, dass viele dieser Parteien in der Kriegs- und Aufrüstungsfrage vollkommen auf EU-Linie liegen.
Die andere, noch rechtere Fraktion, „Identität und Demokratie“, der auch AfD, FPÖ und Le Pens „Rassemblement National“ (RN) angehörten, dürfte nur leichte Stimmenzuwächse erzielen können – auch, weil sie schon bei den Wahlen 2019 sehr stark abschnitt und die italienische Lega deutliche Verlust einfahren dürfte.
Nichtsdestotrotz können wir mit einem Anteil von 20 – 25 % für die europäischen rechtspopulistischen, rechtskonservativen bis rechtextremen Parteien rechnen, der sich insgesamt vergrößert und konsolidiert, zumal manche rechte Parteien wie z. B. Fidesz aus Ungarn keinem Parteibündnis angehören.
Die Fraktion „Die Linke im Europäischen Parlament“ (GUE/NGL) wird ihren Anteil halten, etlichen Prognosen zufolge womöglich sogar vergrößern können. Die wohl stärkste einzelne Partei in der Fraktion dürfte dabei La France insoumise werden, die 2019 mit einem eigenen Bündnis angetreten war, nun aber so wie andere linke Parteien aus Frankreich wieder im (Fraktions-)Boot sitzt.
Was tun bei den Wahlen?
Das allgemeine Stimmrecht, so Engels im „Ursprung der Familie“, liefert einen Gradmesser für die Reife des Proletariats. „Solange die unterdrückte Klasse, also in unserm Fall das Proletariat, noch nicht reif ist zu ihrer Selbstbefreiung, solange wird sie, der Mehrzahl nach, die bestehende Gesellschaftsordnung als die einzig mögliche erkennen und politisch der Schwanz der Kapitalistenklasse, ihr äußerster linker Flügel sein.“
Betrachten wir die Ergebnisse von 2019 und die Prognosen zur Europawahl für 2024, so steht es schlecht um die „Reife“, Organisationsgrad, Klassenbewusstsein und Programmatik des Proletariats.
Nehmen wir alle Parteien, die sich sozial, historisch, organisch auf die Arbeiter:innenklasse stützen, so werden die sozialdemokratischen, in Wahrheit bürgerlichen Arbeiter:innenparteien zwar mit einem blauen Auge davonkommen, aber doch eindeutig unter 20 % in ganz Europa bleiben. Die SPD wird z. B. kaum verlieren, weil sie ihr Desaster schon 2019 eingefahren hat und daher nur 16 von 99 Sitzen zu „verteidigen“ hat.
Grundsätzlich stand jedenfalls die Mehrheit der europäischen Sozialdemokratie während der gesamten Legislaturperiode und steht weiterhin für die nächste für eine Politik, die nicht bloß den europäischen Kapitalismus (mit)verwalten will und das tut, sondern auch für eine aggressive imperialistische Außenpolitik: Sanktionen und neuer Kalter Krieg gegen Russland, NATO-Erweiterung und Aufrüstung, Einverleibung der (West-)Ukraine in NATO und EU, mehr oder minder bedingungslose Solidarität mit Israel, Sanktionen gegen den Iran und direkte Intervention auf Seiten Israels durch Verbände im Mittelmeer und im Roten Meer. Diese Liste ließe sich noch weiter fortführen.
Natürlich steht die Sozialdemokratie auch für die Festung Europa, für rassistische Abschottung und selektive Migration – und sie wird weiter eine Stütze der EU-Kommission bleiben.
Auch wenn die sozialdemokratischen Parteien weiter ihre soziale Stütze in der Arbeiter:innenklasse, vor allem in den relativ bessergestellten Teilen, der Arbeiter:innenaristokratie haben und die Gewerkschaften in Europa dominieren, so lehnen wir eine Stimme für diese Parteien bei diesen Wahlen in der Regel ab – in der Regel, weil wir hier nicht beanspruchen wollen, für jedes der 27 Mitgliederländer eine detaillierte Analyse der politisch-ökonomischen Lage und der Situation in der Arbeiter:innenbewegung vorzulegen.
Links der Europäischen Linken
Allerdings treten in vielen Ländern linksreformistische Organisationen an, die meist, aber nicht immer Teil der GUE/NGL sind (die wohl wichtigste Ausnahme bildet hier die griechische KKE, deren stalinistisches Programm wir grundlegend ablehnen, die jedoch im Gegensatz zu DKP oder MLPD über eine reale Verankerung in signifikanten Teilen der Arbeiter:innenklasse verfügt).
Wir rufen in den meisten europäischen Ländern zur Wahl der Parteien der Europäischen Linken auf, es sei denn diese repräsentieren keine nennenswerte Schicht in der Arbeiter:innenklasse, sondern stellen nur linke, reformistische Kleinstparteien dar.
In Frankreich unterstützen wir die Wahl der NPA. Auch wenn sie noch keine Partei im eigentlichen Sinn darstellt, so bildet sie aktuell einen Ansatzpunkt für die Formierung einer revolutionären Partei in Frankreich. Unser Unterstützung ist dabei durchaus eine kritische. Wir kritisieren, dass sie selbst über kein ausgearbeitetes revolutionäres Programm verfügt, und wir schlagen den Genoss:innen vor, ein solches zu diskutieren und erarbeiten.
Doch die Lage in Frankreich bildet, europaweit betrachtet, eine Ausnahme. Im Gegensatz dazu rufen wir in Deutschland nicht zur Wahl vorgeblich „marxistischer“ oder „revolutionärer“ Parteien wie der DKP, der MLPD und der SGP (Sozialistische Gleichheitspartei) auf. Während die NPA über ein Potential verfügt, in eine revolutionäre Richtung zu gehen, handelt es sich bei DKP und MLPD um verknöcherte stalinistische Möchtegernparteien, wobei die DKP auch noch eine opportunistische Haltung gegenüber dem russischen und chinesischen Imperialismus vertritt. Die SGP ist eine pseudoradikale Sekte, die neben allgemeinen sozialistischen „Wahrheiten“ auch fatale und reaktionäre Positionen vertritt, wie die Ablehnung einer organisierten revolutionären Arbeit in den Gewerkschaften und jeder Einheitsfront mit ihnen.
DKP, MLPD und erst recht PSG vertreten nicht nur falsche, einem revolutionäre Programm entgegengesetzte Positionen, sie repräsentieren im Unterschied zur Partei DIE LINKE nicht einmal eine signifikante Minderheit der Arbeiter:innenklasse oder kämpferischer Aktivist:innen.
DIE LINKE als Alternative?
Allerdings hat auch DIE LINKE in den letzten Jahren einen weiteren Abstieg und Mitgliederschwund zu verzeichnen. Mit der Abspaltung der Bewegung Sahra Wagenknecht (BSW), die eine eigene populistische Volkspartei ins Leben rief, wurde sie weiter geschwächt. Allerdings stellt ihre Mischung aus pazifistischen Antikriegspositionen, sozialen Forderungen und einem klassenübergreifenden Programm, das für eine „vernünftige“ kapitalistische soziale Marktwirtschaft plädiert und in den rassistischen Chor der „rigiden Migrationspolitik“ einstimmt, keine wählbare Alternative, sondern einen Bruch nach rechts dar, wie wir schon ausführlich in der Sondernummer der NI (279) zur Krise der Linkspartei dargelegt haben.
DIE LINKE wird zur Zeit Opfer der eigenen Widersprüche ihrer reformistischen Politik. Einerseits will sie „Klassenpolitik“ betreiben, andererseits vom revolutionären Sturz des Kapitalismus nichts wissen. So läuft es dann auf mehr oder weniger „linke“ Mitgestaltung des Systems, auf Regierungsbeteiligungen und „Transformationsstrategie“ hinaus – und zwar nicht nur bei Wahlen, sondern auch in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, wo man links blinkt, die bürokratischen Apparate oder „Bündnispartner:innen“ aber nie infrage stellt, sondern sich vielmehr an diese anpasst.
Revolutionär:innen können nie das Programm und Strategie einer solchen Partei gutheißen. Wo sie zur Wahl dieser aufrufen, kann das immer nur eine kritische Unterstützung darstellen, die darauf zielt, die Basis eine solchen Partei zu erreichen und sie in einen Gegensatz zu ihrer Führung zu bringen, indem man einerseits zur Wahl dieser Partei aufruft, andererseits die Mitglieder oder Wähler:innen dazu auffordert, ihre Führung in der Aktion auf die Probe zu stellen, von ihr einen wirklichen Kampf selbst für ihre Reformforderungen zu führen. In diesem Sinne setzt die Taktik der kritischen Wahlunterstützung als eine Form der Einheitsfronttaktik notwendig mit der Kritik an den nicht-revolutionären Formationen an, die es hierdurch gilt, anhand ihres Programms zu überprüfen.
Heute verliert DIE LINKE an Einfluss bei den Wähler:innen. Nur 3 bis maximal 4 % werden ihr Umfragen zufolge bei der Europawahl ihre Stimme geben. Zugleich blieb bislang der Exodus aus. Sie ist zwar in den letzten Jahren stetig geschrumpft, organisiert aber noch immer rund 50.000 Mitglieder – weit mehr als der „Rest“ der Linken links von der Linkspartei zusammengenommen. Im Saldo ist sie seit dem Ausscheiden Wagenknechts und ihrer Verbündeten sogar leicht angewachsen.
Wir können durchaus nachvollziehen, dass auch zur Europawahl und erst recht zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg klassenkämpferische Arbeiter:innen und linke Aktivist:innen ihr Kreuz bei DIE LINKE machen, um damit einen weiteren Rechtsruck wenigstens an der Urne abzubremsen und auch ihre Ablehnung der vorherrschenden Politik der Ampel oder EU-Kommission zum Ausdruck zu bringen. Viele tun das mit wenig Enthusiasmus, wohl aber in der Hoffnung, dass DIE LINKE wenigstens ein „kleineres Übel“ als der ganze andere Scheiß sei. In letzter Instanz stellt auch das eine Illusion dar.
Da hilft es letztlich auch nichts, dass DIE LINKE bei innenpolitischen, sozialen und antirassistischen Fragen im Europawahlkampf sogar wieder etwas linker blinkt und ihre „Oppositionsrolle“ hervorzaubert. Doch die reformistischen Held:innen um Schirdewan, Rackete, Alev Demirel, Gerhard Trabert und Ines Schwerdtner bleiben auch gleich auf halber Strecke stecken. Zur Kriegsfrage halten sie sich bedeckt. Gegenüber Russland und der Ukraine machen sie auf Pazifismus, bezüglich Palästina lautet die Devise, möglichst nichts zu sagen.
Umso lauter positionieren sich Parteirechte wie Klaus Lederer für den Zionismus. Da reicht es nicht, dass auch Leute vom linken Flügel wie DIE LINKE Neukölln und Mitte in Berlin oder andere Gliederungen den Palästinakongress verteidigen.
Natürlich können wir nachvollziehen, dass viele Aktivist:innen DIE LINKE trotz alledem wählen werden – und wir sind durchaus bereit, diesen Schritt mitzugehen. Eine Kampagne, die sich auf eine Wahlenthaltung oder gar einseitig auf Nichtwahl der LINKEN kapriziert, als ob es nichts Schlimmeres im Juni 2024 gebe, halten wir für unsinnig. Sie richtet sich an Formationen, die einen bedeutenderen Einfluss auf die Arbeiter:innenbewegung nehmen, während sogenannte revolutionäre – bestenfalls Propagandagruppen, keine Parteien mit nennenswertem Einfluss in der Klasse – sich legitimatorisch und zugleich isolierend an die eigene Basis im Gewand revolutionärer Klarheit und eines abstrakten Propagandismus wenden.
Frage an ihren linken Flügel: Umgruppierung oder überwintern?
Aber an die Linken und kämpferischen Genoss:innen in der Linkspartei seien ein paar Fragen gestellt: Wie lange wollt Ihr noch „oppositionelle“ Sisyphusarbeit betreiben? Wie lange wollt Ihr Euch auf die „Reform“ einer schrumpfenden reformistischen Partei fokussieren, deren bürokratischen Apparat und deren reformistische Führungsallianzen Ihr in den letzten fast 20 Jahren keinen Schritt nach links bewegt habt? Wie lange wollt Ihr Euch noch etwas über eine Partei vormachen, wo Ihr vielleicht an einzelnen Orten neue Leute für linke Politik gewinnt, die Partei damit aber keinen Millimeter nach links zieht?
Wäre es nicht Zeit zu überlegen, ob Euer Anspruch, klassenkämpferische – ja im Falle von Organisationen wie Sozialismus von unten, marx21, Sol oder SAV „revolutionäre“ – Politik voranzubringen, in DIE LINKE einlösbar ist? Wäre es nicht höchste Zeit, statt weitere Jahre mit politischen Manövern in einer Partei zuzubringen, die auch, als sie mehr Anziehungskraft auf kämpferische, nach links gehende Schichten ausübte, sich nicht nach links bewegt hat, in eine systematische Diskussion um den Aufbau einer wirklichen Alternative zum Reformismus mit Genoss:innen in wie außerhalb der Partei zu treten? Wir würden dazu den Austritt oder organisatorischen Bruch nicht zur Vorbedingung machen, aber halten es für unabdingbar, dass die subjektiv revolutionäre und klassenkämpferische Linke einen solchen Diskussionsprozess mit Ziel der Schaffung einer gemeinsamen revolutionären Organisation auf Basis eines revolutionären Programms in Angriff nimmt. Denn die gesamte weltgeschichtliche Lage, Krisen, Krieg, drohende Umweltkatastrophe erfordern eine revolutionäre Antwort, nicht ein weiteres, „kleineres reformistisches Übel“.