SVB, Signature und Credit Suisse: Vorboten der Rezession

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Mitte März 2023 hat ein erstes Bankenwackeln stattgefunden. Zuerst kam die Silicon Valley Bank (SVB) in Zahlungsschwierigkeiten und wurde unter staatliche Kontrolle gestellt, wenig später wurde die Signature Bank New York (SBNY) behördlich geschlossen. Am 15. März verkündete schließlich die zweitgrößte Schweizer Bank, Credit Suisse, dass sie ohne staatliche Notkredite keine Zahlungen mehr tätigen kannSVB und SBNY sind zwar nur mittelgroße Banken und die Credit Suisse hatte im letzten Jahr schon fast 75 % ihres Börsenkurses verloren. Die Staatshilfen sind aber jetzt schon enorm: Die amerikanische Zentralbank Fed schüttete letzte Woche 150 Milliarden Dollar als Notfalls-Hilfen aus, das ist mehr als sogar während der Krise 2008 in einer einzelnen Woche ausgegeben wurde (damals waren es 110 Milliarden).

Eine marxistische Analyse der Ereignisse schließt an die Einschätzung an, dass 2023 eine tiefe Rezession droht. Die hat mit diesem Crash noch nicht begonnen, der aber eine warnende Vorbotin ist.

In den politisch-ökonomischen Perspektiven des Arbeiter*innenstandpunkt für 2023 haben wir geschrieben, dass eine Bankenkrise in Österreich von einem Zusammenbruch der internationalen Finanzmärkte ausgelöst werden könnte.

Viele Wirtschaftswissenschaftler*innen rechnen 2023 mit dem Beginn einer tiefen Rezession, was Arbeiter*innen und die Linke vor große Herausforderungen stellen wird. Was wir jetzt sehen, ist noch nicht der Beginn dieser Rezession. Aber sowohl die schnelle Ausbreitung des Banken-Chaos als auch die großzügigen Finanzspritzen an Groß-Aktionär*innen sind ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet.

Das ist nicht normal

Die SVB und der SBNY sind mittelgroße und sehr spezialisierte Banken. Die Silicon Valley Bank hat vor allem kurzfristige Einlagen von Technologie-Firmen und Online-Zahlungsabwicklungen gehalten und im Gegenzug langfristige Staatsanleihen gekauft. Andere Banken geben stattdessen Kredite aus oder investieren in weniger langfristige Papiere.

Weil die Zentralbanken in den USA und Europa seit Jahresbeginn die Zinsen anheben, sinkt der Preis der alten Staatsanleihen (weil die neu ausgegebenen höhere Zinsen einbringen, möchte niemand mehr die alten kaufen). Die SVB hatte deshalb weniger Buchwerte am Konto und konnte nicht bezahlen, als ihre Kund*innen gleichzeitig ihr Geld abheben wollten. Das nennen Wirtschaftswissenschaftler*innen einen „bank run“.

Die Signature Bank war dafür vor allem an den Märkten für Kryptowährungen aktiv, der im letzten Jahr mehrmals stark eingebrochen ist. Das ist generell ein eher riskantes Geschäft, aber im Prinzip hatte die Bank ein ähnliches Problem wie die SVB: Kund*innen waren von den Zahlungsschwierigkeiten in Kalifornien alarmiert und haben (richtigerweise) angenommen, dass es die SBNY als nächstes erwischen könnte. Als sie ihre Guthaben abheben wollten, konnte die Bank nicht bezahlen.

Die Credit Suisse schließlich hatte im letzten Jahr immer wieder Negativschlagzeilen, weil sie fast zahlungsunfähig war. Ihre Aktie hatte um 75 % an Kurswert verloren, weil viele Investor*innen mit einem Zusammenbruch gerechnet haben. Jetzt schließlich haben die Haupt-Aktionär*innen sich geweigert, weitere Liquidität (also Zahlungsmittel) zuzuschießen, die Schweizer Zentralbank hat schließlich ausgeholfen.

Die SVB, SBNY und Credit Suisse sind spezielle Geldinstitute mit außergewöhnlichen Rahmenbedingungen. Aber das bedeutet nicht, dass andere Banken nicht auch instabil sind – sie sind nur stabiler als diese drei. Die Auswirkungen ziehen sich aber durch die Finanzmärkte genauso wie durch die Zentralbanken. Die Börsenkurse der großen Banken in den USA, Europa und Japan haben im letzten Monat 16 % an Wert verloren, das sind 500 Billionen US-Dollar. Die Bankenhilfen in den USA in der letzten Woche waren höher, als sie sogar in der Finanzkrise je waren.

Was wir hier Anfang März gesehen haben ist keine normale „Marktbereinigung“ sondern ein erheblicher Schock im internationalen Finanzsystem. Spätestens seit der globalen Wirtschaftskrise 2008 wissen wir, wie eng die Finanzmärkte und das Kapital in Produktion und Dienstleistungen zusammenhängen. Große Kursverluste sind oft nur Vorboten einer gesamtwirtschaftlichen Rezession oder sogar einer Krise.

Das ist auch nicht wurscht

Ist es nicht ein bisschen wurscht, wenn die Hausbank von Elon Musk, eine Krypto-Bank und ein wegen Betrugsvorwürfen angezähltes Schweizer Institut zusperren? Die Geschäftsfelder von SVB, SBNY und Credit Suisse scheinen so obskur, dass man schon fast an die unsichtbare Hand des Marktes glauben mag, die hier ein bisschen aufgeräumt hat.

Im Kapitalismus kann man es sich aber leider nicht aussuchen. Es ist ähnlich unangenehm wie bei Ölfirmen und Waffenkonzernen, die Zahlungsabwicklungen im Silicon Valley sind systemrelevant geworden. Auch die Kryptomärkte werden als ernsthafte Anlegestrategie großer Institute behandelt, ihre Kapitalisierung (also wie viel Geld in ihren Produkten angelegt wurde) ist in den letzten 5 Jahren zur systemrelevanten Größe geworden. Das bedeutet, Verluste auf diesen Börsen wirken sich schnell auf das etablierte Finanzkapital, und dann auch auf die Gesamtwirtschaft aus.

Das bedeutet aber auch, dass Kryptowährungskurse nicht rein aus der Luft gegriffen, oder halb ironisch gemeinten Anlege-Hypes unterworfen sind, sondern realwirtschaftliche Entwicklungen (verspätet) spiegeln. Wie bei den meisten Finanzprodukten stecken Kapitalist*innen mehr Geld auf diese Märkte, wenn Firmen-Profitraten sinken. Das bedeutet dann Blasenbildung, und diese Blasen platzen etwas später.

Aktien und Firmenanteile bedeuten im Prinzip ein Anrecht auf einen Teil der Firmenprofite, Blasen platzen wenn Aktienpreise hoch- aber die Profite hinuntergehen. Andere Anlageprodukte (sogenannte Derivate) beziehen sich auf Aktien und Anleihen, das gilt im Prinzip auch für Kryptowährungen in ihrer Rolle als Anlageprodukt. Mehr als bei anderen Finanzprodukten sind diese „Währungen“ aber wirklich Pyramidenspiele, die solange funktionieren, wie neue Kund*innen dazukommen.

Wenn andere Renditen hinuntergehen, steigt erstmal die Nachfrage, weil sie Anlage-Alternative sind, wenn dann aber kein neues Geld nachkommt (zum Beispiel weil die Profite fehlen), geht es wieder rasch talwärts. Die wirtschaftliche Abwärtsentwicklung, die Vorbotin der Rezession, ist also zuerst für den Kursanstieg und dann für die Verluste verantwortlich.

Diese Verluste haben sich aber gerade jetzt auf den gesamten US-amerikanischen Finanzmarkt ausgewirkt, andere kleine und mittlere Banken haben Staatshilfen angefordert. Der Kursverlust auf den weltweiten Märkten zeigt, wie schnell sich das weiter ausbreitet. Auch wenn es die instabilsten Banken sind, die als erste wackeln, bleiben die Auswirkungen nicht auf sie selbst beschränkt – es ist also nicht wurscht.

Die Rezession ist noch nicht da

Die Summen, von denen da die Rede ist, sind riesig: 150 Milliarden an Soforthilfen, 500 Billionen Kursverluste, und so weiter und so fort. Und spätestens seit 2008 ist weithin bekannt, das scheinbar kleine Auslöser zu Chaos im gesamten Finanzsystem führen können. Im Moment sieht es aber so aus, als wäre es noch nicht so weit.

Größere Finanzinstitute waren noch in der Lage, ihre eigenen Geschäfte anzupassen ohne selber in Schwierigkeiten zu geraten. In diesem Moment noch wichtiger haben die Zentralbanken ihre Rolle als „ideelle Gesamt-Finanzkapitalist*innen“ wahrgenommen und verhindert, dass eine Liquiditätskrise zur Solvenzkrise wird. Von einer Liquiditätskrise redet man, wenn einer Bank derzeit das Bargeld fehlt, um Zahlungen zu tätigen. Eine Solvenzkrise ist, wenn das Geschäftsmodell nicht genug Umsatz macht um die Kosten zu decken.

Bei Banken ist das keine scharfe Trennung, weil sich auch das Kerngeschäft um Bargeld dreht, hier geht es um einen Umschlag von Quantität (Liquiditätsprobleme) in Qualität (Zahlungsunfähigkeit). Das gilt übrigens auch für finanzialisierte Firmen in anderen Bereichen, zum Beispiel große Energieunternehmen, die an den Gas- und Strommärkten ähnlich arbeiten wie Firmen an den Börsen. Dass die besondere Instabilität der Finanzmärkte auch in anderen, überlebenswichtigen Wirtschaftsbereichen herrscht, ist keine lustige Anekdote, sondern ein echtes Problem.

Und letztlich steht die Wirtschaft in Produktion und Dienstleistungen noch vor, und nicht mitten in der Rezession. Die Industrieprofitraten gehen seit 2016 zurück, ironischerweise hat aber die Corona-Pandemie die Krise teilweise aufgefangen und teilweise sogar verzögert. Das wegen Lockdowns „zwangsgesparte“ Geld der Arbeiter*innenhaushalte stabilisiert die Konsumnachfrage, und die riesigen Staatshilfen und Staatsnachfrage (zum Beispiel nach Masken, Tests und Impfstoffen) haben Umsatzeinbrüche ausgeglichen.

Vor allem für Kapitale in den neokolonialen Ländern werden Staatsschulden als Geschäftskonzept nicht ausreichen. Und auch in Europa und den USA werden wieder Sparpakete diskutiert. Die gehen zuallererst auf Kosten der Arbeiter*innen und Erwerbslosen, aber auch die „quergeschossenen“ Firmenumsätze werden hinuntergehen. Dann sind Waren- und Dienstleistungsproduzent*innen wieder auf ihr Kerngeschäft gestellt, und das kriselt schon seit einigen Jahren gehörig.

Zentralbanken, halbwegs stabile Industrieprofite und hohe Beschäftigung verhindern aber gerade eine Ausbreitung der „kleinen Bankenkrise“. Aber darunter brodelt die typische kapitalistische Krisentendenz: Seit Jahren fallende Profitraten, überschuldete Haushalte und Staaten, und Blasenbildung bei Aktien und Immobilien. Die Rezession wird nicht jetzt ausbrechen, das Chaos rund um SVB, SBNY und Credit Suisse ist aber ihr Vorbote.

Milliarden für die Bosse, Unsicherheit für die Arbeiter*innenklasse

Die bürgerliche Antwort auf die Probleme der Banken ist quasi dieselbe wie auf die Inflationskrise. Die Einlagen der Anleger*innen wurden uneingeschränkt garantiert. In den USA gibt es an sich eine Einlagensicherungen wie in Österreich auch, dort sind Guthaben bis zu 250.000 Dollar versichert. Größere Vermögen tragen aber das Risiko „ihrer“ Bank mit. Das wurde jetzt umgangen, und auch Millioneneinlagen garantiert. Für die Credit Suisse organisieren europäische und amerikanische Regulierungsbehörden jetzt eine schnelle Fusion mit einer Großbank (möglicherweise der UBS) an allen Regeln zum Aktionärsschutz vorbei. Auch hier geht die Sicherheit der großen Guthaben über die an sich geltenden Regeln.

Gleichzeitig versuchen die Zentralbanken weiterhin durch Zinserhöhung eine „kleine Rezession“ einzuleiten. Die Annahme ist, dass höhere Zinsen es teurer machen Geld zu borgen, und deshalb weniger konsumiert, aber auch weniger investiert wird. So soll die Nachfrage gesenkt und die Preissteigerungen eingedämmt werden. Unabhängig davon, ob das eine zielgenaue Politik ist, sind die realen Kosten aber kleine Schuldner*innen die ihre variablen Zinssätze nicht mehr bedienen können, und Arbeiter*innen die entlassen werden.

Die Antwort auf die ersten Anzeichen einer kommenden Krise sind also Sicherheit für die Bosse auf Kosten der Arbeiter*innen. Das wird im Großen nicht anders sein, aber deutlich schlimmere Folgen haben.

Wird sich das auf die Dauer ausgehen?

Bürgerliche Ökonom*innen befürworten die schnelle Antwort der Zentralbanken, weil sie Sicherheit auf den Finanzmärkten schaffen soll. Anleger*innen glauben jetzt, dass ihre Einlagen gesichert sind, und werden sie deshalb nicht gleichzeitig abheben, was wieder neue Liquiditätskrisen verhindern soll. Die umfassenden Garantien für große Anleger*innen sind also nicht nur eine Umverteilung nach Oben, sondern Strategie um Unsicherheit zu verhindern.

Die Instabilität im Bankensystem kommt aber nicht von den Gefühlen der Anleger*innen. Der Grund dafür sind die sinkenden Profite, wegen denen Firmen ihr Bargeld brauchen und gleichzeitig Kredite weniger verlässlich zurückzahlen. Davon werden wir im weiteren Jahresverlauf mehr und nicht weniger sehen, und das bedeutet mehr und nicht weniger Druck auf das Bankensystem.

Es ist auch nicht das besonders schlechte Wirtschaften von SVB, SBNY und Credit Suisse (obwohl die jeweils wirklich obskure Geschäftsmodelle pflegen) ausreichend, um das Chaos der letzten Woche zu erklären. Oder umgekehrt, auch wenn keine einzige Bank diese Modelle anwenden würde wäre das Finanzsystem nicht stabil genug für die kommende Rezession. Unter dem gegenwärtigen Druck sind die schwächsten Banken als erste eingeknickt, aber ansonsten wären es die nächst-schwächeren gewesen.

Zentralbanken und Regierungen waren in der Lage, eine Ausbreitung der Zahlungsschwierigkeiten erstmal zu stoppen. Das hat aber sehr viel Geld gekostet, obwohl der Auslöser eher klein war. Die nächsten Verluste im Finanzsystem werden größer sein, und die staatlichen Interventionen ins bestehende System werden an ihre Grenzen stoßen.

Die Zeichen stehen leider immer deutlicher auf eine tiefe Rezession noch dieses Jahr. Die Regierungen der imperialistischen Zentren USA und EU werden sich anstrengen, die Kosten auf die Arbeiter*innenklasse abzuwälzen. In den politisch-ökonomischen Perspektiven für Österreich 2023 des Arbeiter*innenstandpunkt haben wir geschrieben, dass solche Angriffe wohl erst in der Folge der Krise zu erwarten sind. Dann kommen sie aber so sicher wie das Amen im Gebet, beziehungsweise die Krypto-Werbung im Business-Podcast. Leider hat sich diese Erwartung jetzt weiter bestätigt.

An der grundsätzlichen Krisenhaftigkeit des Kapitalismus kann auch eine starke Arbeiter*innenbewegung, eine starke Linke nichts ändern. Im Gegenteil, je stärker unsere Bewegung wird desto mehr werden wir uns anstrengen, dieses System als Ganzes abzuschaffen, was ja nicht gerade stabilisierend ist.

Aber in den kommenden Kämpfen wird es darum gehen, die Kosten der Krise den Herrschenden umzuhängen. Die können sie sich besser leisten, und haben außerdem gut davon profitiert, diese Krise herbeizuwirtschaften. Dazu braucht es starke Organisationen, eine feste Verankerung in der Klasse und den Gewerkschaften, und Erfahrung in Kämpfen.

Die Regierung in Österreich ist angezählt, es wird vergleichsweise einfacher sich gegen sie durchzusetzen. Aus demselben Grund wird sie aber auch radikalere und grauslichere Angriffe vorschlagen, weil ihr die Stabilität für einen „überlegteren“ Sparkurs fehlt.

Aber auch die Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments ist schwächer als noch 2008. Es ist keinesfalls garantiert, dass Schwarz-Grün oder sogar eine schwarz-blaue Koalition die Austeritätskämpfe verlieren werden.

Unsere erste Aufgabe bleibt es, die Krisendynamiken zu verstehen und uns auf ihren Ausbruch vorzubereiten. Dafür kann der Schockmoment jetzt ein wichtiger Weckruf sein.