Was tun gegen Teuerung und Reallohnverlust?

Die Inflation und die damit verbundene Verteuerung nahezu aller unmittelbar notwendigen Produkte sind gekommen ist um zu bleiben, das sollte mittlerweile auch den optimistischen bürgerlichen Ökonom*innen klar geworden sein. Sie droht nicht nur die globale Weltwirtschaft in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen, viel wichtiger sie ist dabei den Lebensstandard fast aller Menschen, insbesondere der Ausgebeuteten und Unterdrückten in den kommenden Monaten und Jahren massiv zu drücken. Wenn wir diesem massiven Angriff nicht einfach zusehen wollen, brauchen wir eine Strategie verbunden mit Forderungen, die in dieser Krise nicht nur eine Möglichkeit zu Verteidigung bieten, sondern auch die Arbeiter*innenklasse in eine Situation bringen wo sie gestaltende Kraft der Gesellschaft werden kann.

Bisherige Bilanz der Gewerkschaften: Luft nach oben

Die bisherige Antwort der österreichischen Gewerkschaftsbewegung auf die Lebenskostenkrise ist mehr als dürftig. Schon seit mehr als einem Jahr zeichnet sich ein stetiger Zuwachs der Inflation ab, doch in der traditionellen Manier der ritualisierten KV-Verhandlungen wurden Lohnerhöhungen an die Vergangenheit gebunden. Argumentiert wird das damit, dass man ja angeblich nicht in die Zukunft sehen könne. Das mag zwar stimmen, aber zentral für die Ausgaben, die wir hier und heute tätigen ist ja logischerweise nicht die Inflationsrate von vor einem Jahr, sondern das aktuelle Preisniveau.

Als Beispiel für diese verfehlte Taktik sollen kurz die Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst diskutiert werden. Schon bei der ersten Verhandlungsrunde im Oktober letzten Jahres wurde sich auf die durchschnittliche Inflationsrate von 2,1 % von Oktober 2020 bis September 2021 als Verhandlungsgrundlage geeinigt. Die Inflationsraten in den vier Monaten vor den Verhandlungen waren aber mit 2,8 % (Juni) bis 3,3 % (September) schon deutlich über der Verhandlungsbasis und dabei noch stetig steigend. Beim Abschluss der Verhandlungen im Dezember war die Inflationsrate bereits 4,3 % und trotzdem verkaufte die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) den Abschluss als Erfolg. Die um durchschnittlich um 3,0 % gestiegenen Gehälter gab es ab Jänner, als die Inflation schon 5,0 % erreicht hatte.

Dieses der aktuellen Situation mehr als unangemessene Schema nimmt der ÖGB auch weiterhin als Grundlage, selbst in den KV Verhandlungen der letzten Monate, als die Inflationsrate noch einmal rasanter zulegte. Die außergewöhnliche Situation die wir derzeit erleben, erfordert aber auch außergewöhnliche Maßnahmen. Jahrzehnte lang eingeübte Muster müssen durchbrochen werden und die Gewerkschaften müssen endlich durch die Arbeiter*innenklasse zurückgewonnen werden.

Aktuell mobilisiert der ÖGB zu Maßnahmen gegen die Inflation, setzt dabei vor allem auf die Forderung die Preise zu senken, sich aber selbst bei der Nase zu nehmen und in den KV-Verhandlungen ordentlich Dampf zu machen, scheint für sie keine Option zu sein. Dabei erleben wir aktuell sehr gute Voraussetzungen, dass selbst der traditionell mehr als träge ÖGB im Herbst in Bewegung kommen kann. Immerhin ist die SPÖ, die die Führung der Gewerkschaftsbewegung ist, nicht in der Bundesregierung und gleichzeitig in den Umfragen auf Platz 1. Gute Voraussetzungen für Mobilisierungen, damit diese aber nicht nur taktisch kurzfristig bleiben, braucht es eine demokratische Basisbewegung in den Gewerkschaften, um die Macht der reformistischen Arbeiter*innenbürokratie zu brechen.

Gleitende Lohnskala

Wenn die Preise jetzt schon monatlich steigen und das mit jedem Monat stärker, dann können wir uns auf jährlich stattfindende KV-Verhandlungen für adäquate Lohnerhöhungen noch weniger als davor verlassen. Wir brauchen einen Mechanismus der dem Tempo der Preissteigerungen angepasst ist. Zentrales Mittel dafür kann die gleitende Lohnskala sein. Wenn dieses Mittel der automatischen Anpassung der Löhne und Gehälter durch die Gewerkschaften für eine Branche durchgesetzt wird, würde es eine automatische, monatliche Anpassung der Löhne an die aktuelle Inflationsrate bedeuten.

Die gleitenden Skala der Löhne darf aber nicht als technokratische Lösung des Problems verstanden werden. Vielmehr muss sie verbunden werden mit der Bestimmung des Warenkorbs, der diesen Lohnerhöhungen zugrunde liegt, durch Organe der Beschäftigten selbst. Denn der formale Verbraucherpreisindex, der die statistische Grundlage der Inflationsrate ist, spiegelt nicht unbedingt die Ausgaben eines durchschnittlichen Arbeiter*innenhaushalts in Zeiten der erhöhten Inflation wieder. Ebenso muss die monatliche Anpassung der Löhne durch Komitees der Beschäftigten kontrolliert werden, die notfalls rasch mobilisierend tätig werden können falls Unternehmen die monatlichen Lohnerhöhungen verabsäumen.

Das gleiche wie für die Löhne muss auch für Pensionen, Arbeitslosengeld und Sozialausgaben gelten. Auch hier braucht es eine automatische monatliche Anpassung kontrolliert durch Komitees aus Betroffenen und der Gewerkschaftsbewegung.

So eine Maßnahme würde den Alptraum der Teuerung für die Arbeiter*innenklasse beenden und die „natürlichen“ Gesetze der kapitalistischen Marktwirtschaft aushebeln. Ihre Durchsetzung erfordert deshalb einen verallgemeinerten militanten Massenkampf der Arbeiter*innenklasse und würde – falls sich die Durchsetzung nicht auf eine besonders militante Branche der Klasse beschränken wird – zur Durchsetzung einen Generalstreik erfordern. Da wir in keinster Weise darauf vertrauen oder auch nur hoffen dürfen, dass die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung solche Maßnahmen aus eigenen Stücken umsetzt, braucht es die Organisierung der Beschäftigten an der Gewerkschaftsbasis und direkt in den Betrieben. Wir brauchen aktive Organe der Beschäftigten selbst – egal ob innerhalb aktuell existierender Strukturen (Betriebsräte) oder außerhalb. Solche Organe sind auch zentral, wenn es zu konkreten Mobilisierungen bzw. Arbeitskämpfen kommt um diese nicht alleinig der Kontrolle der Bürokratie zu überlassen. Methodisch wichtig hierbei ist, dass die Durchsetzung dieser strategisch essentieller Forderung nicht einfach mit den normalen Methoden der österreichischen Gewerkschaftsbewegung durchgesetzt werden kann, sondern strategisch den kapitalistischen Markt in Frage stellt und gleichzeitig der Arbeiter*innenklasse Organe gibt, die als Grundlage für proletarische Gegenmacht dienen.

Sicherung der Grundkosten

Neben der strategischen Übergangsforderung nach einer, durch Organe der Arbeiter*innenklasse kontrollierte, gleitenden Lohnskala braucht es aber noch mehr Antworten, die die Belastung für unsere Klasse lindern können. Zentraler Preistreiber in der aktuellen Situation ist vor allem Energie. Hier steigen nicht nur Spritpreise massiv, sondern auch ganz enorm die Kosten für Heizen, Warmwasser und Strom. Insbesondere im Stromsektor zeigt die Preisgestaltung die Absurdität des kapitalistischen Marktes. Obwohl mehr als drei Viertel der elektrischen Energie in Österreich aus erneuerbaren Kraftwerken (insbesondere aus Wasserkraft) erzeugt werden, orientiert sich die Preisgestaltung an den internationalen Marktpreisen von elektrischer Energie. Konkret bedeutet das, dass der Österreichische Strompreisindex an die europäische Energie-Börse EEX in Leipzig gebunden ist und damit die österreichischen Energieunternehmen Übergewinne erzielen können, weil die Stromerzeugung mit Wasser und Wind nicht der Steigerung der Preisen für Gas, Kohle und Öl unterworfen ist.

Statt dieser fantasievollen Preisgestaltung braucht es eine staatlich zur Verfügung gestellte Energiegrundsicherung. Hierbei soll Haushalten eine an Haushaltsgröße und das Haushaltseinkommen angepasste Menge an notwendiger Energie (Strom, Gas, Fernwärme, etc.) zur Verfügung gestellt werden. Im Gegensatz zur von der Regierung angekündigten Strompreisbremse soll aber keine Subventionierung an die Energieunternehmen erfolgen um die Differenz zwischen Haushalts- und Marktpreis durch staatliche Subventionen wett zu machen. Vielmehr sollen die Energieunternehmen unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden und die Energiegrundsicherung kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Diese kurzfristige Maßnahme gegen die Teuerung muss verbunden werden mit einer raschen Umstellung bzw. dem Umbau auf Wärmepumpen, lokaler Photovoltaik und Wärmeisolierung. Im Bereich des Verkehrs braucht es den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, verbunden mit kostenloser Nutzung für alle.

Aktuell sind zwar Mieten nicht der größte Preistreiber, aber das liegt vor allem daran, dass sie in den letzten Jahren schon massiv angestiegen waren. Hier ist das Mindeste ein Stopp weiterer Mieterhöhungen. Das gleiche gilt für diverse staatliche und Gemeinde-Gebühren, keine weiteren Anpassungen an die Inflation!

Neben den Energiekosten sind auch insbesondere Lebensmittel überdurchschnittlich hoch von Teuerung betroffen. Insbesondere im Kontext der globalen Getreidekrise durch den Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie den globalen Logistik- und Umweltproblemen, braucht es hier eine direkte Verbindung der Arbeiter*innenbewegung zu lokalen und regionalen Produzent*innen.

Forderungen gegen die Lebenskostenkrise

Es braucht eine politische Bewegung gegen die Teuerung. Sie soll alle Organisationen der Arbeiter*innenbewegung und Linken umfassen, insbesondere die Gewerkschaften sind mit ihrer Massenmitgliedschaft eine Schlüsselkraft. Innerhalb so einer Bewegung kämpfen wir für folgende Forderungen:

  • Automatische, monatliche Anpassung von Löhnen, Pensionen, Arbeitslosengeld an die Inflationsrate, kontrolliert durch Komitees aus Beschäftigten, Betroffenen und Aktivist*innen der Gewerkschaftsbewegung
  • Festlegung des Warenkorbs für die Inflationsberechnung durch Komitees aus Konsument*innen und Aktivist*innen der Gewerkschaftsbewegung
  • Massive Anhebung von Löhnen und Einkommen (Mindestsicherung, Arbeitslosengeld, Pensionen) gegen Armut auf mindestens 1800,- netto/Monat
  • Abschaffung von Massensteuern
  • Einführung einer Energiegrundsicherung. Enteignung der Energiekonzerne und Fortführung unter Kontrolle der Beschäftigten
  • Ausbau des öffentlichen Verkehr und kostenlose Nutzung für alle
  • Enteignung des Agrarkapitals, Fortführung landwirtschaftlicher Großbetriebe unter Kontrolle der Beschäftigten, Verbindung von Arbeiter*innenbewegung mit kleinen, lokalen und regionalen Produzent*innen und gemeinsame Komitees zur Festlegung der Preise
  • Preisstopps und Kontrolle in besonders stark von Teuerung betroffenen Sektoren, aufgrund der historischen Teuerung: Mietpreisstopp. Für die Enteignung von Immobilienkonzernen
  • Falls Unternehmen aufgrund der Inflationskrise Massenentlassungen planen oder durchführen, sollen sie stattdessen unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden
  • Finanzierung durch massive Besteuerung von Vermögen und Unternehmensgewinnen. Alle Enteignungen müssen entschädigungslos und Arbeiter*innenkontrolle stattfinden zur Reorganisation der Produktion im Interesse der Massen und ökologischer Nachhaltigkeit.

Es braucht politischen Klassenkampf!

Die aktuelle Krise bedarf einer kollektiven Antwort unserer Klasse. Zentrale Bezugspunkte im Herbst werden wohl Kollektivvertragsverhandlungen werden, doch wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Fragen der Teuerung hier endgültig gelöst werden können. Es braucht stattdessen eine Antwort der gesamten Klasse, die insbesondere neben ökonomischen Fragen auch den politischen Bereich miteinbeziehen muss (Anpassung von Sozialleistungen, Energiegrundsicherung, etc.). In anderen Ländern wie Großbritannien wo es über den Sommer schon in diversen Branchen zu Arbeitskämpfen (Eisenbahner*innen, Postler*innen, etc.) kam, wird die Frage einer Antwort der gesamten Klasse immer drängender diskutiert. Konkret bedeutet das, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten das Gespenst eines Generalstreiks im Raum steht.

Auch in Österreich müssen wir uns darüber im klaren sein, dass die verallgemeinerte Krise des Kapitalismus nur durch politischen Massenstreik, den Kampf um die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und den Aufbau von proletarischer Gegenmacht wirklich im Interesse der Arbeiter*innenklasse gelöst werden kann. Dafür kämpfen wir auf allen Ebenen für eine Einheitsfront der Arbeiter*innenbewegung gegen die Krise und den Aufbau von Aktionskomitees gegen Teuerung in Betrieben, Stadtteilen, Gemeinden, Schulen und Unis.