KV-Verhandlungen: Heißer Herbst oder Friedhofsruhe?

Wie jedes Jahr im Herbst verfärben sich die Blätter und die Sozialpartner*innen verhandeln die Kollektivverträge. Im vergangenen Jahr waren diese geprägt vom Gemeinschaftsgedanken – von der Behauptung wir säßen alle im selben Boot und Abschlüssen in der Höhe der Inflation bzw. teilweise sogar darunter. Auch dieses Jahr versucht die Unternehmensseite weiterhin mit schlechter Wirtschaftslage und Pandemie zu argumentieren. Die Gewerkschaft gibt sich bei den Verhandlungen der Metall-KVs weniger auf Kuschelkurs als im vergangenen Jahr.

Wie gehts der Wirtschaft?

Die Wirtschaft befindet sich im Aufschwung, die Auftragslage in der Industrie ist gut. Die größten Schwierigkeiten sind aktuell, dass der Aufschwung zu rasant geht – und damit zu Lieferengpässen und Preissteigerungen führt. Doch das ändert nichts daran, dass selbst in der sozialpartnerschaftlichen Logik dieses Jahr wieder mehr gefordert werden kann und muss. Durch die steigende Inflation haben die Abschlüsse vom letzten Jahr in der Höhe der Inflationsrate zu Reallohnverlusten geführt.

Wenn die Unternehmensseite mit den Folgen der Pandemie argumentiert ist das mehr als lächerlich. Eine Studie der AK zeigt, dass Unternehmenseinkommen während der Pandemie um 5,1 Mrd. gewachsen sind. In derselben Zeit haben Arbeiter*innen 5,5 Mrd. weniger verdient. Staatliche Maßnahmen wie Kurzarbeit und Förderungen sind also den Unternehmen zugute gekommen – nicht der arbeitenden Bevölkerung, nicht jenen für die geklatscht wurde. Und jetzt besitzt die sogenannte Arbeitgeber*innenseite in den Verhandlungen tatsächlich weiterhin die Frechheit mit der Pandemie zu argumentieren wieso die Arbeiter*innen nicht einmal Brösel vom Kuchen des Aufschwungs bekommen sollen.

Krachts bei den Metaller*innen?

Bei den Metaller*innen gibt sich die Gewerkschaft kämpferisch. Die geforderten Gehaltserhöhungen von 4,5 Prozent bedeuten bei einer prognostizierten Inflation von 2,6 (IHS) bis 2,8 (WIFO) Prozent Reallohnerhöhungen. Außerdem sollen die Zulagen für 2. und 3. Schicht und Nachtarbeit erhöht werden. Schließlich fordern die Produktionsgewerkschaft PROGE und die Gewerkschaft der Privatangestellten GPA einen selbstbestimmten Verbrauch von Gleitzeitguthaben in ganzen Tagen sowie eine Erhöhung der Lehrlingsentschädigung.

Nach zwei Verhandlungsrunden sieht es bisher nicht nach Einigung aus. Der FMTI (Fachverband Metalltechnische Industrie) bietet Lohnerhöhungen zwischen 1,9 und 2,2 Prozent und eine Zulage für die zweite Schicht. Dafür will er Regelungen bezüglich Sonntagsarbeit und Überstunden massiv aufweichen. Die Gewerkschaft hat daraufhin den Verhandlungstisch verlassen und beruft nach der zweiten Runde – und damit ungewöhnlich früh – Betriebsversammlungen ein.

Die Verhandlungen für den Handel starten als nächstes. Damit die KV-Verhandlung mit den meisten Beschäftigten sowie einer Branche, die sich massiv vom Metallbereich unterscheidet. Die Metallbranche ist bekannt als gut organisiert, kampfbereit und stark. Ihr Abschluss dient stets als Richtwert für die weiteren Verhandlungen verschiedenster Branchen. Unter den Metaller*innen finden wir viele Fachkräfte und hauptsächlich männliche Arbeiter.

Wer kämpft für den Handel?

Im Handel ist die Lage eine andere. Die gewerkschaftliche Organisation ist deutlich schwächer, die Beschäftigten arbeiten häufig Teilzeit, es handelt sich mehrheitlich um Frauen, oftmals um Alleinerzieher*innen und Menschen mit Migrationshintergrund. Ihre Arbeitsbedingungen sind katastrophal, ihre Verhandlungsergebnisse oftmals schlechter. Letztes Jahr wurden die Handelsangestellten gefeiert und beklatscht, doch in ihren Arbeitsbedingungen schlug sich das nicht nieder. Dieses Jahr hat die GPA angekündigt Zuschläge für Nachtarbeit zu fordern – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, ist in Österreich im Jahr 2021 eine Forderung bei der noch fraglich ist ob und wie sie erfüllt wird.

Wie können wir gewinnen?

Mit der Einberufung von Betriebsversammlungen hat die Gewerkschaft einen Hauch von Kampfbereitschaft signalisiert und, dass sie nicht bereit ist das Spiel von den Zugeständnissen, die angeblich alle machen müssen, in der aktuellen wirtschaftlichen Situation nochmals zu spielen. Auch die von der Unternehmensseite proklamierte Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, die den Wirtschaftsaufschwung bedrohen würde, scheint und darf sie nicht einzuschüchtern, das bedeutet nur die Verantwortung für wirtschaftliche Stabilität auf die Arbeitenden abzuschieben. Eine tatsächliche Kampfbereitschaft bei den KV-Verhandlungen im Metallbereich würde einen heißen Herbst in vielen weiteren Branchen einläuten.

Es ist Zeit, dass die Gewerkschaft wieder zum Kampfinstrument der Arbeiter*innenklasse wird – und dazu kann sie nur die Gewerkschaftsbasis machen. Die Bürokratie wird im Zweifel immer mehr auf ihre eigenen Interessen als Vermittler*innen achten als auf die der Klasse. Genauso wie Teile der sozialdemokratischen Arbeiter*innen glauben sie noch an die Sozialpartner*innenschaft – oder tun zumindest so. Doch eine streichelweiche Gewerkschaftsbürokratie kann in den Verhandlungen keinen Druck erzeugen. Wer hingegen Druck erzeugen kann sind Arbeiter*innen die streiken und auf die Straße gehen.