Corona: Neue Welle, alte Scheiße

Am 16. März war der erste Jahrestags des ersten Lockdowns in Österreich. 12 Monate voller Verunsicherung, Pressekonferenzen und allgemeiner Verwirrung. Immer mehr Menschen sind ausgebrannt, Freizeitgestaltung und Sozialkontakte sind massiv eingeschränkt, der Druck von Lohnarbeit und Arbeitslosigkeit ist für viele nicht nur gleichgeblieben sondern meistens sogar angestiegen. In dieser Situation befinden wir uns, als die dritte Welle der Pandemie hereinbricht.

Die Ausgangslage

Derzeit sind vier bekannte Mutationen dominant im Infektionsgeschehen – sie alle vereint ein wesentlich höheres Infektionsrisiko. Mutationen sind bei Viruserkrankungen nichts ungewöhnliches, doch neben Faktoren wie einer schnelleren Verbreitung könnte es sogar zu Mutationen kommen gegen die die bisher entwickelten Impfungen nicht mehr oder nicht mehr so gut helfen. Das ist womöglich bei der südafrikanischen Variante oder bei der Mutation der britischen Mutation der Fall.

Die Auslastung der Intensivstationen ist massiv, der Begriff Triage (die Entscheidung wem bei nicht mehr vorhandenen Kapazitäten geholfen wird und wem nicht) ist derzeit in aller Munde. Die Bedrohung durch das Virus steigt erneut, die große Anzahl an Testmöglichkeiten schafft es auch nicht mehr diesen Anstieg zu verhindern. Die Politik springt von Öffnungen zu halbherzigen Lockdowns, und manchmal spricht sie auch über beides gleichzeitig. Ein Debakel jagt das nächste, doch viele Menschen sind so abgestumpft, dass sie nichts mehr hören wollen was im entferntesten mit Corona zu tun hat, andere beobachten, kritisieren, wissen aber nicht was man überhaupt besseres tun sollte.

Die östliche Osterruhe

Erst haben alle über die Öffnung der Schanigärten gesprochen. Darüber ob es für die Wirtschaft sinnvoll ist. Darüber ob man Räume ohne Konsumzwang wie Parks dem Konsum zur Verfügung stellt damit auch Lokale ohne Schanigarten einen abbekommen. Dann kam die Kehrtwende – die Zahlen explodierten – schließen statt öffnen, wir brauchen einen neuen Lockdown! Und was sollte man dabei beachten? Wie wird es der Wirtschaft damit gehen? Kann man der Regierung vorwerfen sie hätte nichts getan?

Die vermeintliche Lösung ist die sogenannte Osterruhe in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Wien möchte diese – notfalls auch alleine – bis 11. April verlänngern. Immerhin sechs Tage lang werden aber auf jeden Fall Geschäfte geschlossen – mit Ausnahme jener mit Gütern des täglichen Bedarfs. Nur zwei dieser Tage sind als Feiertage sowieso geschlossen. Die Ausgangsbeschränkungen werden wieder auf den ganzen Tag ausgeweitet – in einer Zeit wo viele Menschen sich freigenommen haben. Alle, die sich darauf gefreut haben zu Ostern bei schönem Wetter im Freien ihre Familien zu treffen werden enttäuscht – denn das ist durch die Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen verboten.

Zynische Feigenblattpolitik auf dem Rücken der Menschen ist es was wir hier sehen. Zu kurz um einen Effekt erkennen zu können selbst wenn es einen geben sollte. Lang genug angekündigt und kurz genug gehalten damit den geschlossenen Geschäften kein Schaden geschieht – man kann ja alles noch vorher kaufen – und wenn dadurch die Anzahl der Personen in den Geschäften steigt, was soll‘s? Die Wirtschaft leidet nicht, die Menschen erkranken fröhlich weiter. Vor allem im privaten Bereich soll man verzichten, bloß nicht auf die Profite einiger weniger. Und wenn es nicht wirkt waren wir alle nicht brav genug!

Die Geschichte mit den Impfungen

Endlich gibt es Impfstoffe die gegen das Virus und wie es aussieht sogar gegen bisherige Mutationen helfen. Sie bringen die Hoffnung die Pandemie eindämmen zu können und für viele Menschen den Zustand der sozialen Isolation zu beenden. Für eine kleine Handvoll Pharmakonzerne bieten sie nicht nur die Hoffnung sondern die Gewissheit riesige Profite erwirtschaften zu können. Die Verteilung der Impfstoffe hängt international davon ab wie viel Geld die jeweiligen Länder haben um ihre Rationen kaufen zu können. Ärmere Länder verzichten daher auf Impfrationen, reichere können noch mehr zukaufen. Für Österreich peinlich – ist doch der Bundeskanzler darüber nicht ausreichend informiert und schiebt sein eigenes Versagen öffentlich anderen in die Schuhe. Das Finanzministerium und das Gesundheitsministerium spielen sich den Ball für die unzureichende Budgetierung von Impfstoffen gegenseitig zu. Derweil herrscht Chaos bei der Frage wer wann geimpft wird. Impfstoffe werden ungenutzt entsorgt, die Informationslage ist dürftig, wer zu spät mitbekommt, dass die eigene Berufsgruppe prioritär geimpft wird bekommt keinen Platz mehr. Derweil entscheiden Bürgermeister und Polizei über ihre eigene Relevanz und lassen sich in Pflegeheimen impfen während Angehörige von Risikogruppen weiter verzweifelt warten. Ein neuer Impfplan für das kommende Quartal wurde präsentiert – ob er hält und wie oft er noch verändert wird weiß niemand.

Die österreichische Maskenproduktion

Monatelang wurden in Österreich die chinesischen KN95 Masken gleichberechtigt mit FFP2 Masken eingesetzt. Sie wurden von Gesundheitsberufen genutzt und von der Ärztekammer ausgegeben. Ende Jänner dann kam der Beschluss von der Bundesregierung, dass diese nur noch mit entsprechender Zertifizierung zulässig sind – kurz nachdem viele Menschen aufgrund der neuen FFP2-Maskenpflicht im guten Glauben unzählige KN95 Masken gekauft hatten nachdem diese leichter erhältlich waren. Dabei ging es natürlich ausschließlich um den Schutz der Gesundheit – und es gab natürlich gar keinen Zusammenhang mit der österreichischen Wirtschaft. Und die persönlichen Beziehungen von Hygiene Austria ins Bundeskanzleramt hatten nicht den geringsten Einfluss.

Anfang März kam der Skandal – die angeblichen FFP2 Masken „Made in Austria“ von Hygiene Austria waren in Wirklichkeit zu einem Gutteil umettiketierte KN95 Masken aus China. Hygiene am Arbeitsplatz gab es bei Hygiene Austria nur wenn ein PR-Termin anstand – wozu denn auch, es geht ja nur um Masken durch die Menschen stundenlang atmen. Die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten waren unbeschreiblich. Schwere Arbeitsunfälle durch unzureichende Sicherheitsmaßnahmen und ausstehende Löhne sind nur die Spitze des Eisbergs unter dem die Beschäftigten dort die Masken umettiketierten. Die Arbeitskräfte wurden von Leiharbeitsfirmen organisiert – frisch gegründet und dubios. Die dort produzierten Masken waren in mehrerlei Hinsicht nicht sauber – aber zumindest „made in Austria“.

Wohin mit den Schüler*innen?

Die Relevanz von Kindern bei der Verbreitung des Coronavirus ist mit den neuen Mutationen erneut stark gestiegen. Die Versuche Kinder regelmäßig in der Schule zu testen, führen zu vielerlei Schwierigkeiten – Probleme für Lehrer*innen durch Streiche, falsche Testergebnisse, verlorene Unterrichtszeit. Doch wo Schüler*innen tatsächlich positiv sind kommt es schnell zu Clustern in den Klassenzimmern. Daher werden jetzt die Osterferien im Osten verlängert bzw. der Unterricht auf Distancelearning umgestellt. Die Auswirkungen auf Schüler*innen haben sich im vergangenen Jahr nicht geändert. Nicht nur die soziale Isolation von Freund*innen und Gleichaltrigen macht ihnen zu schaffen. Die Ressourcen für erfolgreichen Unterricht von zuhause aus sind immer noch massiv ungleich, es wurden kaum Schritte unternommen daran etwas zu ändern. Eine vierköpfige Familie mit zwei Zimmern und einem Computer wird immer noch genauso im Stich gelassen wie bereits vor einem Jahr. So wird die soziale Ungleichheit nachhaltig verschärft. Der massive Anstieg psychischer Probleme bei Kindern und Jugendlichen ist in diesem Zusammenhang nicht verwunderlich.

Die Regierungspolitik

Seit Ausbruch der Pandemie vor einem Jahr hat sich wenig geändert – die Bundesregierung versucht mit ihrer Politik die Interessen verschiedener Wirtschaftsfraktionen sowie ihre eigenen Interessen zu bedienen. Gesundheit und Menschenleben spielen eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu Wirtschaftswachstum und PR-Stunts. Öffnungen und Lockdowns passieren aus gesundheitlicher Sicht eher willkürlich und die im Mittelpunkt stehenden Wirtschaftsinteressen werden dabei kaum verhehlt. Den alten Spruch „Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns allen gut“ hat sich die Regierung sehr zu Herzen genommen. Doch wie es „uns allen“ geht interessiert sie eigentlich nicht – steigende Fallzahlen sind ein legitimes Opfer für offene Skigebiete. Coronatote sind vollständig legitim wenn sich Menschen in der Arbeit oder am Weg dorthin anstecken. Aber bitte gestaltet eure Freizeit so, dass ihr euch nicht infiziert – wer wegen Quarantäne nicht arbeiten gehen kann schadet der Wirtschaft (auch wenn z.B. im Fall von Kurzarbeit ein Teil der Lohnkosten in dieser Zeit natürlich vom Staat übernommen wird). Seit einem Jahr kennen wir nun die Auswirkungen der Pandemie und ihre Folgen auf die psychische Gesundheit, insbesondere von sozial Unterdrückten

Die Alternative

Eine sinnvolle Pandemiebewältigung sprengt die Grenzen des kapitalistischen Systems. Solange von Impfstoffen bis Lockdowns alle Maßnahmen aus der Perspektive der Wirtschaft und nicht vorrangig aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Pandemieeindämmung getroffen werden, wird die Profitlogik weiter die physische und psychische Gesundheit der Menschen zerstören. Sinnvolle Maßnahmen wären:

  • Die Enteignung der Pharmakonzerne unter Kontrolle der Beschäftigten – so kann gemeinsam am bestmöglichen Impfstoff geforscht und dieser patentfrei zum Selbstkostenpreis abgegeben werden.
  • Aussetzen aller nicht unmittelbar notwendigen Arbeit – so kann die Infektionsausbreitung verlangsamt werden.
  • Sicherung von Hygiene- und Schutzmaßnahmen unter Kontrolle der Beschäftigten in allen Bereichen deren Schließung nicht möglich ist, wie dem Gesundheitswesen oder dem Handel – denn die Unternehmen haben mehr Interesse an ihren Profiten als an der Gesundheit der Beschäftigten.
  • Materielle und finanzielle Mittel für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Distance Learning und die Erhaltung der psychischen Gesundheit statt massive Finanzspritzen für AUA und Co.
  • Ausfinanzierung, Ausbau und Vergesellschaftung des Gesundheitssystems. Massive Verbesserung der Löhne, Arbeitszeiten und Personalschlüssel des Pflegepersonals.
  • Öffnung von leerstehenden Räumen in Hotels und Unternehmen für die sichere Unterbringung von Obdachlosen, Geflüchteten und um Raum zu schaffen für all jene die zuhause nicht genug Raum haben.
  • Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohn- und Personalausgleich – damit nicht die einen psychisch an der Überarbeitung zugrunde gehen während die anderen unter der Arbeitslosigkeit und ihren Auswirkungen leiden.

Das sind Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit mit den Grundfesten des kapitalistischen Systems unvereinbar sind, denn eine Bewältigung der Pandemie im Interesse der Menschen statt der Wirtschaft ist mit diesem System unvereinbar. Sobald die Pandemie halbwegs in den Griff gebracht ist wird die Regierung sich daran setzen ihre Kosten abzuladen – und zwar auf jene die bereits am meisten darunter gelitten haben. Nur ein gemeinsamer Widerstand der Unterdrückten kann diesem Treiben ein Ende bereiten. Nur der Sturz des kapitalistischen Systems durch eine Revolution der Arbeiter*innenklasse unterstützt durch andere Unterdrückte kann den Alptraum endgültig beenden.