Krisen gehen zu Lasten der Stellung von Frauen in der Gesellschaft. Diese allgemeine Erfahrung bestätigt sich auch in der derzeitigen Corona-Krise, hier allerdings besonders eindrücklich. Dahinter steckt kein Automatismus, sondern ein politisches Kräfteverhältnis, welches immer wieder erschüttert wird, aufzubrechen droht und folglich auch das Potential für emanzipatorische Veränderung beinhaltet. Die radikale Linke muss anhand konkreter Problemstellungen Ansatzpunkte finden und in die Offensive gehen, um dieses Potential auch tatsächlich nutzen zu können.
In Zeiten der Krise kommt den sogenannten systemrelevanten Berufen eine besondere Bedeutung zu. Die Beschäftigten in den entsprechenden Branchen, die „uns alle durch die Krise bringen“ sollen und dabei einer besonderen Belastung ausgesetzt werden, sind überwiegend weiblich. Das ist kein Zufall. Systemrelevant bezeichnet in diesem Kontext nämlich das, worauf einfach nicht verzichtet werden kann, sprich Arbeiten zur grundlegenden Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Lebens – Bereiche die immer noch stark weiblich geprägt sind. So hat die Arbeiterkammer Oberösterreich im Arbeitsklimaindex November 2020 festgestellt, dass beispielsweise in den Bereichen Kindergartenpädagogik, Handel, Reinigung, medizinische Betreuung und Assistenz der Frauenanteil österreichweit jeweils bei über 80 % liegt. In den für Frauen typischen systemrelevanten Berufen herrscht ein weit überdurchschnittliches Ausmaß an Teilzeitarbeit, Samstags-, Schicht- und Turnusdiensten und kaum Gleitzeit. Während 58 % der Beschäftigten in allen anderen Berufen an ihren Dienstort kommen müssen (kein Homeoffice), und damit der Gefahr einer Corona-Infektion ausgesetzt sind, sind es bei ihnen 92 %. Trotzdem verdienen 70 % weniger als 1.800 €, während es in allen anderen Berufen 44 % sind. Die AK fordert deshalb einen Corona-Tausender, eine Erhöhung der Mindestlöhne auf 1.700 € sowie des Arbeitslosengeldes auf 70 % des Letztbezugs.
Die Wirtschaftskrise trifft die Arbeiter*innenklasse hart, und das obwohl Unternehmen über die Kurzarbeit mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden. Laut AMS waren im Dezember knapp 520.919 Menschen als arbeitslos oder in Schulungen gemeldet. Gegenüber dem Vorjahr sind das 113.047 Menschen mehr bzw. +27,7 %. Das entspricht auch fast wieder dem Höchststand von 571.477 im April. Frauen sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Zwar sind in absoluten Zahlen mehr Männer als Frauen arbeitslos, aber der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr ist bei Frauen (+35,1 %) deutlich höher als bei Männern (+22,6 %). Ein wesentlicher Grund dafür liegt offenkundig im Bereich Beherbergung und Gastronomie, wo viele Frauen arbeiten und wo sich die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich mit +113,6 % mehr als verdoppelt hat – und das bei 100.000 Kurzarbeiter*innen allein im Tourismus! Der ÖGB berichtete sogar, dass von den neuen „Corona-Arbeitslosen“ Ende Juni 85 % Frauen waren. Bedenkt man die niedrigen Löhne in den stark betroffenen, weiblichen Sparten und die zusätzlich hohe Teilzeitquote unter Frauen, dann ergibt sich eine finanziell besonders prekäre Lage für arbeitslose Frauen.
Arbeitslosigkeit, Homeoffice, Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen haben das Leben stark in die eignen vier Wände eingegrenzt. Das hat allerdings nicht dazu geführt, dass Hausarbeit zwischen Frauen und Männern gerechter verteilt würde, vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein, wie eine Befragung der Arbeiterkammer ergibt. Besonders schwierig ist für die Familien die Kombination aus Homeoffice und Homeschooling. Auch hier wird nicht nur von Frauen mehr unbezahlte Arbeit geleistet als von Männern, sie sind auch in der Arbeitszeit öfter mit den Kindern im selben Raum. Hinzu kommt noch, dass unter diesen verstärkt häuslichen Verhältnissen auch die häusliche Gewalt gegen Frauen zugenommen hat und es schwieriger geworden ist, einer Gewaltsituation zu entfliehen.
Die Auswirkungen der Krise drohen die soziale Stellung der Frauen insgesamt zu verschlechtern, die geschlechtliche Arbeitsteilung zu verschärfen und reaktionäre Rollenbilder wieder zu befestigen. Es ist klar, dass ein Kampf dagegen eng mit der Bewältigung der Wirtschaftskrise und diese mit der Bewältigung der Pandemie verknüpft ist. Die frauenspezifischen Anliegen können daher gut verbunden werden mit der Kampagnisierung eines „sozialen Shutdowns“ (siehe unseren Artikel zu ZeroCovid) um die Infektionen unter Kontrolle zu bringen und Schulen wieder öffnen zu können. Das beinhaltet auch die Forderung nach einer Existenzsicherung für von der Krise Betroffene, zum Beispiel in Form eines höheren und leichter zugänglichen Arbeitslosgeldes, die Aufwertung von „systemrelevanten“ Berufen durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, u.a. durch Arbeitszeitverkürzung, was eine Perspektive zur Reduktion der Arbeitslosigkeit aufmacht. Das ist aber nur möglich wenn die Organisationen der Arbeiter*innenbewegungen, insbesondere die Gewerkschaften, einen ernsthaften Kampf aufnehmen, die Arbeitenden und Arbeitslosen organisieren und für ihre übergreifenden Klasseninteressen gegen die Kapitalist*innen und ihre Regierung mobilisieren. Frauen werden in so einer Auseinandersetzung die besten und kämpferischsten Genoss*innen sein.