Corona-Demonstrationen: Faschistische Aufmärsche oder harmlose Verwirrte?

Foto: Presseservice Wien

In den letzten Wochen hat Österreich einen Aufschwung in der Mobilisierung der Corona-Skeptiker*innen erlebt. Bei der bisher dahin größten Mobilisierung am 16. Jänner waren in Wien vermutlich mehr als 10.000 Menschen auf der Straße. Auch Ende Jänner waren trotz behördlicher Untersagung vermutlich mehr als 10.000 Menschen auf der Straße.

Wir betonen seit fast einem Jahr die Unfähigkeit bzw. den Unwillen der schwarz-grünen Bundesregierung das Virus adäquat zu bekämpfen und nicht nur die wirtschaftlichen Interessen ausreichend gut zu bedienen. Auch der Anlass der Demonstrationen ist die Pandemie-Politik der Regierung, „Kurz muss weg!“ ist einer der Hauptslogans der Bewegung. Lässt sich deshalb irgendwie positiv an diese Bewegung anknüpfen?

Rechte Führung der Bewegung

Seit Beginn der Corona-skeptischen Mobilisierungen im Mai waren Rechte und Faschist*innen beteiligt. Die Identitären traten schon im Mai mit bekannten Gesichtern auf. Die FPÖ organisierte bald darauf eigene Kundgebungen, die aber nicht wirklich die gewünschte Dynamik auslösen konnten, dass sich die FPÖ die Führung der Bewegung aneignen hätte können. Auch verschiedene Figuren aus der neonazistischen Szene waren schon früh auf den Demonstrationen im Frühling vertreten, z.B. aus dem Umfeld des verurteilten Neo-Nazi Gottfried Küssel. Doch anfangs war die Bewegung vor allem von der „überparteilichen“ „Initiative für evidenzbasierte Corona-Information“ (ICI) geprägt, die von sich sagte „Wir sind nicht rechts. Wir sind nicht links. Wir sind wütend!“. Richtig Fahrt nahm die Bewegung dann aber erst mit der zweiten Welle und den viel zu späten Anti-Pandemie-Maßnahmen auf. Was der FPÖ nicht gelungen war, wurde nun deutlich diffuser von unterschiedlichen Einzelpersonen und Netzwerken – vor allem über den Messenger-Dienst Telegram – organisiert. An Stelle von klaren Organisationen, wie der ICI oder auch der FPÖ, sind mittlerweile weniger durchsichtige Zusammenhänge getreten.

Nichtsdestotrotz sind die führenden Organisator*innen weiterhin für ihre klar rechte Gesinnung bekannt. Jennifer Klauninger zum Beispiel, die zur komplett maskenverweigernden Hardliner-Fraktion gehört und durch das öffentliche zerreißen einer Regenbogenfahne mediale Aufmerksamkeit bekam, organisierte schon 2015/16 rassistische Mobilisierungen an der österreichisch-slowenischen Grenze gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Sie gründete im Zuge dessen die faschistische „Partei des Volkes“ mit. Kurzzeitig war sie auch Parteimitglied der FPÖ. Mittlerweile schwadroniert sie davon, dass die Elite – in ihrer antisemitischen Logik werden namentlich Rothschild und Soros genannt – das „überlegene weiße Volk“ am liebsten „ausrotten“ möchte.

Nach den Ereignissen am Wochenende 30./31. Jänner dürfte sich aber innerhalb der Bewegung Martin Rutter, mit dem Klauninger seit einiger Zeit im Zwist liegt, durchgesetzt haben. Als ehemaliger Landtagsabgeordneter für das Team Stronach wurde er wegen seines Auftritts beim sogenannten Ulrichsbergtreffen – einem Treffen von SS-Traditionsvereinen und anderen rechts bis rechtsaußen stehenden Traditionsverbänden – aus der Partei ausgeschlossen. Daraufhin schloss er sich dem BZÖ in Kärnten an. Neben einem offenen Rassismus gegenüber Migrant*innen sind bei ihm auch antisemitische Verschwörungstheorien über George Soros und die „Globalisten“ an der Tagesordnung. Außerdem repräsentiert er einen klar christlichen Flügel in der Bewegung.

Faschistische Bewegung?

Die Führung der Bewegung ist also zwischen rechter Esoterik-Szene, der FPÖ und verrückten Verschwörungstheoretiker*innen angesiedelt. Auch gibt es viele Ähnlichkeiten mit der Trump-Bewegung auf der Straße, in der sich QAnon-Anhänger*innen, Trump-Fans und faschistische Gruppierungen vermischen. Doch im Gegensatz zur Bewegung in den USA ist in Österreich die rechts-ideologische Durchdringung noch weniger weit fortgeschritten. Von den zehntausenden Menschen, die auf der Straße waren, ist vermutlich nur eine Minderheit klar rechts-ideologisch eingestellt. Für viele Menschen spielt anscheinend auch der soziale Charakter des Zusammentreffens mit Freund*innen und Bekannten aus der Bewegung eine wesentlich Rolle. Die Gründe der unterschiedlichen Teilnehmer*innen sind aber durchaus komplex, genauso wie ihre Zusammensetzung. So stellen auch Migrant*innen – wenn auch für Wiener Verhältnisse deutlich unterrepräsentiert – einen Teil der Bewegung dar. Insbesondere stark erkenntlich ist auch die breite Teilnahme aus den Bundesländern und sogar aus dem Ausland bei den Großmobilisierungen in Wien.

Was aber alle Teile der Protestierenden teilen ist, dass sie offensichtlich kein Problem damit haben mit mehr oder weniger offen auftretenden Faschist*innen auf die Straße zu gehen. Insbesondere bei der (behördlich untersagten) Massendemonstration am 31. Jänner stellte über weite Teile eine Mischung aus rechten Fußball-Hooligans, Identitären und Neonazis die Spitze der Demonstration und damit auch ihre Führung. Durch deren organisiertes Auftreten war die Durchsetzung der Demonstration gegen die Polizei in dieser Form überhaupt erst möglich. In der Bewegung stellen die rechten bis faschistischen Kräfte aktuell den einzig wirklich organisierten und organisierenden Teil dar. Deshalb ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Dynamik der Bewegung sich in den kommenden Wochen und Monaten – falls nicht aufgrund einer Änderung der Pandemiebekämpfung von Seiten der Regierung oder weiterer interner Konflikte die Luft raus geht – vermutlich klar nach rechts verschieben wird. Eine gewisse Schicht an aktuell noch eher unpolitischen Leuten wird läuft Gefahr klar rechts politisiert zu werden, oder sich sogar den faschistischen Strukturen anzuschließen.

Der 31. Jänner

Ein wichtiger Faktor in der Entwicklung der aktuellen Corona-skeptischen Bewegung ist sicher das Wochenende vom 30. und 31. Jänner. Von Seiten der Polizei wurden nahezu alle Versammlungen an diesem Wochenende in Wien untersagt – und dabei nicht nur Versammlung von Corona-Skeptiker*innen, sondern auch klar linke Gegenveranstaltungen, die sich bisher immer aus eigener Überzeugung an das konsequente Tragen von Masken und Abständen gehalten hatten. Hier wird sichtbar warum man sich im Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat vertrauen soll, weil der seine erweiterten Befugnisse auch genauso auf die Linke und die Arbeiter*innenbewegung verwendet.

Am 30. Jänner scheiterten die von Jennifer Klauninger ausgerufenen Proteste kläglich, vermutlich nur einige dutzend Corona-Leugner*innen folgten ihrem Aufruf. Doch am Sonntag war die Lage anders. Nahezu die gesamte österreichische rechte und faschistische Szene mobilisierte zu der von Martin Rutter und Co. angeführten Demonstration. Bis zum Verbot war auch Herbert Kickl als prominenter Redner vorgesehen gewesen. Die FPÖ versuchte dann auch nach dem Verbot für die Corona-Skeptiker*innen eine eigene Kundgebung anzumelden, aber scheiterte hierbei auch an einer polizeilichen Untersagung.

Letztlich fanden sich trotz behördlicher Untersagung vermutlich mehr als 10.000 Menschen in der Wiener Innenstadt ein.  Die Polizei stellte am Anfang zaghafte und letztlich erfolglose Versuche an, um die sich am Ring (auf der Höhe des Heldenplatzes) versammelte Menschenmenge einzukesseln bzw. am Formieren einer Demonstration zu verhindern. Doch die von den organisierten Faschist*innen und Fußallhooligans angeführte Menschenmenge schaffte es, sich aus der Umklammerung der Polizei zu befreien und startete eine stundenlange Demonstration einmal rund um die Wiener Innenstadt. Die Polizei verhielt sich nach den anfänglichen Verhinderungsversuchen der Demonstration gegeüber wie gegenüber einer normalen angemeldeten Demonstration. Die Demonstrant*innen wurden weitgehend begleitet, teilweise sogar sich selbst überlassen. Der Verkehr in den Seitenstraßen wurde so geregelt, dass die Demonstration ungehindert ihren Weg gehen konnte und kleinere Versuche antifaschistischer Blockaden wurden innerhalb von Sekunden von WEGA und Co. aus dem Weg geräumt. Erst nach 5 Stunden ungehinderter Demonstration durch Wien stellte die Polizei – vermutlich um zumindest etwas an Gesicht zu wahren – die Identitäten von den letzten verbliebenen Demonstrant*innen fest und das nachdem der aller größte Teil der Demonstrant*innen schon unbehelligt den Heimweg angetreten hatte. Gegen Ende der Demonstration bedankten sich noch Teilnehmer*innen bei der Polizei für ihre freundliches Vorgehen.

Was tun?

Der 31. Jänner war für die Bewegung ein klares Signal der Stärke. Seit Jahren gab es nicht so ein offenes und ungehindertes Auftreten der faschistischen und neonazistischen Szene in Österreich. Sie konnte über weite Teile die Demonstration anführen. Für die Linke und die Arbeiter*innenbewegung braucht es deshalb eine klare Antwort auf diese Gefahr von Rechts.

Auf der einen Seite braucht es ein klares Entgegentreten gegen die rechten Teile der Bewegung und das auch auf der Straße. Das mehr oder weniger offene Auftreten von Faschist*innen und Neonazis darf nicht unbeantwortet bleiben, auch wenn sie nur Teil einer größeren Bewegung sind. Überall wo Faschist*innen offen auftreten, müssen wir uns ihnen in den Weg stellen und sie im Idealfall von der Straße vertreiben. Ein Teil der Taktik gegenüber der Bewegung ist ganz einfach klassischer Antifaschismus. Das darf aber nicht dazu führen, dass die gesamte Bewegung deswegen zu einer faschistischen Bewegung gemacht wird. Vielmehr ist sie eine kleinbürgerliche Massenbewegung mit einem faschistischen Flügel, der in der Tendenz stärker und wichtiger wird.

Darüber hinaus braucht es aber auch eine klare Alternative zur aktuellen fatalen Regierungspolitik. Wenn auf der einen Seite der Wintertourismus weiter offen gehalten wird und gleichzeitig dazu die Regierung den Kampf gegen die Pandemie fast ausschließlich in die eigenen vier Wände verlegt, ist klar dass etwas falsch läuft. Einschränkungen bzw. verpflichtende Maßnahmen am Arbeitsplatz gibt es so gut wie nicht. Das wird Großteils den Unternehmen selbst überlassen. Wir fordern ein Ende der verlogenen Pandemiebekämpfung der schwarz-grünen Bundesregierung. Stattdessen braucht es die Schließung aller nicht-notwendigen Bereiche der Wirtschaft bis die Fallzahlen ein Niveau erreicht haben, wo durch effektives Test and Trace der Virus zur Gänze ausgemerzt werden kann. Es braucht eine Existenzsicherung und eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Gleichzeitig treten wird klar für die Verteidigung der demokratischen Rechte – inklusive des Rechts auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ein. Denn wie das Wochenende 30./31. Jänner gezeigt hat, schränkt der Staat nicht einfach nur Demonstrationen von Maskenverweigerer*innen ein, sondern genauso von Linken. Darüber hinaus dürfen die Kosten der Krise nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, sondern müssen von Reichen, die in der Krise ihr Vermögen nochmal deutlich steigern konnten, gezahlt werden. Nur wenn es die Linke schafft eine klar perspektivweisende, von der Regierung unabhängige Position zur der Eindämmung der Pandemie zu entwickeln, ist es möglich die von Pandemie und Wirtschaftskrise Getroffenen nicht den Rechten zu überlassen.