Mit den Ausgangs- und Reisebeschränkungen, die Mitte März viele wichtige Produktionsbereiche lahm gelegt haben, rückte auf einmal ein kaum gesehener Teil des Proletariats in den Mittelpunkt. Die bürgerlichen Zeitungen warfen auf einmal schon fast panisch die Frage auf, wer denn jetzt den Spargel stechen würde? Und das obwohl hunderttausende ihre Jobs verloren hatten. Das klingt erstmal recht paradox, da ja theoretisch genug Arbeitskräfte vorhanden waren. Doch wenn man einen näheren Blick auf die Arbeitsbedingungen und die Löhne der Erntehelfer*innen wirft, sieht man schnell wo das Problem liegt. Denn diese sind so miserabel, dass sie nur gegenüber nahezu vollständig entrechteten osteuropäischen Arbeiter*innen durchsetzbar sind und ein Einsatz einheimischer Arbeiter*innen daher kaum in Frage kommt. Doch was gibt es für Ansätze der Organisierung von Erntehelfer*innen und wie kann ein Kampf für bessere Arbeitsbedingungen aussehen?
Die Lage der Erntehelfer*innen
Pro Saison arbeiten in Österreich ungefähr 14.000 Erntehlfer*innen. Sie kommen vorwiegend aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Ungarn, der Slowakei oder der Ukraine. Aufgrund der nahezu vollständigen Isolation von der übrigen Bevölkerung und den Sprachbarrieren ist es für Landwirt*innen oft ein leichtes, sie nicht nur in miserablen Unterkünften unterzubringen und enorm schlecht zu bezahlen, sondern dazu noch deutlich länger als die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen erlauben, arbeiten zu lassen. Unterschiedlichen Berichten zu Folge sind die Unterbringungen der Erntehelfer*innen oft weit unter jeglichen räumlichen und hygienischen Standards, oft wird die wenige Freizeit in eng und in verschimmelten Kellerräumen verbracht. Die Tagesarbeitszeiten überschreiten oft deutlich die gesetzlichen Vorschriften, es gibt Berichte von bis zu 13, 14 oder sogar 16 stündigen Arbeitstagen und das unter äußerst harten Bedingungen in der glühenden Sonne oder im Regen. Zusätzlich dazu sind 7 Tage Arbeit pro Woche nichts ungewöhnliches. Und dafür gibt es oft einmal nicht einmal den kollektivvertraglich äußerst gering bemessenen Lohn. Dieser variiert noch dazu von Bundesland zu Bundesland, z.B. für Oberösterreich 1.270 Euro Brutto für 40h/Woche. Die Bezahlung ist oft noch deutlich geringer, in einem Video der Kampagne Sezonieri berichtet ein Erntehelfer von Stundenlöhnen von 3,80 € pro Stunde. In seinem Fall konnten mit der Unterstützung der Gewerkschaft PRO-GE mehrere tausend Euro eingeklagt werden.
Sezonieri Kampagne
2014 startete die PRO-GE eine Kampagne, um Erntehelfer*innen über ihre Recht aufzuklären. Gemeinsam mit NGOs und Aktivist*innen wurde in mehreren Bundesländern versucht die Arbeitsbedingungen von Erntehelfer*innen zu verbessern. Die Kampagne sticht in einigen Aspekten positiv in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung hervor. Vor allem ist das die Fokussierung auf einen Teil der Proletariats, der einer der größten Überausbeutungen unterworfen ist, das sollte Vorbildwirkung auch für andere Sektoren wie z.B. von privaten Reinigungs- oder Pflegekräften haben. Vor allem wichtig ist hier, dass die Kampagne versucht Informationen in einer ganzen Reihe an unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung zu stellen, die Webseite ist neben deutsch noch auf rumänisch, ungarisch, englisch, bosnisch-kroatisch-serbisch, ukrainisch, bulgarisch und albanisch verfügbar.
Entscheidend für die Kampagne der PRO-GE dürfte der Streik von 70 Erntehelfer*innen in Thaur in Tirol 2013 gewesen sein. Serbische und rumänische Erntehelfer*innen protestierten hier gegen die schlechten Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten und die ausstehenden Zahlung von Überstunden-, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Hier zeigt sich gut, dass eine Organisierung an der Basis, auch wenn sie in diesem Fall vermutlich komplett außerhalb der Gewerkschaft stattgefunden haben dürfte, die Gewerkschaften zum Handeln bringen kann.
Systemerhalter*innen
Während Corona hat sich deutlich gezeigt, dass Erntehelfer*innen essentiell sind um Österreich am Laufen zu halten. Nach Tirol wurden zum Beispiel im April diesen Jahres extra über 100 Erntehelfer*innen aus Rumänien eingeflogen. Das zeigt deutlich wie stark ein Arbeitskampf in dieser Branche wirtschaftlichen Druck ausüben kann und dadurch deutliche Verbesserungen erzielen könnte. Schwierigkeiten gibt es natürlich auch in diesem Bereich, nicht nur auf sprachlicher Ebene. Vor allem die örtliche Isolation vieler Erntehelfer*innen macht eine überlokale Organisierung sehr schwierig, genauso wie die oft nur sehr kurzfristigen Arbeitsverhältnisse. Es braucht daher gegenüber den Erntehelfer*innen praktische Solidarität der anderen Teile der Arbeiter*innenbewegung, nicht aus karitativem Mitleid, sondern weil jede Spaltung der Arbeiter*innenklasse letztlich die Kraft der Arbeiter*innenbewegung als ganzes schwächt. Oft werden schlechte Arbeitsbedingungen erst einmal in rassistisch oder sexistisch unterdrückten Sektoren der Arbeiter*innenklasse durchgesetzt bevor sie auf die gesamte Klasse verallgemeinert werden. Deshalb ist der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechte sowie die gewerkschaftliche Organisierung der Erntehelfer*innen im Interesse der gesamten Arbeiter*innenklasse in Österreich.