Rede und Nachruf für den verstorbenen Genossen Karl Fischbacher

Hiermit Veröffentlich wir eine Rede vom Begräbnis von und einen Nachruf für den verstorbenen Karl Fischbacher, auch wenn wir nicht vollkommen inhaltlich mit allen Bewertungen übereinstimmen.

Rede am Begräbnis von Karls Freund Petzl

Am Sonntag vor einer Woche ist Karl Fischbacher achtundsechzigjährig verstorben. Seine Frau Irmi hat uns davon umgehend verständigt und wir sind sofort ins Pflegeheim gefahren, wo er seit einem Monat lebte. Karl lag in seinem Bett, sein Körper war noch warm und all die Schmerzen und Ängste, die ihm seine unbarmherzige Krankheit ins Gesicht gezeichnet hatte, waren von ihm gewichen. Er sah erlöst aus, mit faltenfreiem Gesicht – friedlich, verjüngt und auch wieder schön!

Unser Karl war ja ein schöner und attraktiver Mann. Er war groß und kräftig und er war in seiner Jugend ein recht talentierter Handballspieler, robust und auch hart im Nehmen. Sport und Bewegung sollten ihn sein ganzes Leben lang begleiten.

Ich habe Karl vor 45 Jahren kennengelernt. Die Politik, der Kampf für die sozialistische Revolution führte uns zusammen. Und ohne revolutionäre Partei war unserer Meinung nach, die sozialistische Revolution nur eine Utopie. Also arbeiteten wir gemeinsam mit einigen anderen am Aufbau solch einer revolutionären Partei und gleich noch dazu einer Internationale.

Als wir uns damals trafen, waren wir von unserem Selbstverständnis her schon einige Jahre Anhänger von Leo Trotzki. Wir waren stolze Trotzkisten. Und die waren und sind berühmt-berüchtigt auch für ihre Spaltungswut. Wir traten an mit der Erwartung, dass die Revolution Zentrum auch unserer Realpolitik sein wird. Doch rückblickend und auch wenig überraschend zeigte sich bald, dass dies – nicht nur was Österreich betraf – eine Illusion war.

Wir flüchteten uns daher ins Wort, in die Bücher und in die Diskussion. Wir waren wie Schriftgelehrte, die die Schriften von Marx, Engels, Lenin und Trotzki von vorne nach hinten und von hinten wieder nach vorne gelesen haben. Wir haben dabei auch wirklich viel gelernt und Karl zeigte hier seine intellektuellen Kapazitäten. Bücher waren – neben seinen geliebten Haustieren, den Schildkröten – eine seiner großen Leidenschaften und er besaß die innere Ruhe und die Geisteskraft sie sorgfältig zu studieren und das Gelesene und Verstandene für seine Überzeugungsarbeit produktiv zu nützen.

Die Bücher von Karl sind wirklich durchgearbeitet. Wellenlinien, Ausrufungszeichen, Fragezeichen und Unmengen von Anmerkungen und Kommentaren sind in seinen Büchern zu finden. Und er benützte das aus den Schriften Gewonnene nicht als Keule, die das Gegenüber erschlagen soll. Nein, er wollte überzeugen und das Gegenüber für die gemeinsame Sache gewinnen. Meines Wissens hat Karl nie gespalten, er hat versucht zusammenzuführen, das Gemeinsame auch im Trennenden zu finden.

Das ist eine große Fähigkeit. Karl war das Verlässliche, die Kontinuität, ein Haltegriff, der einem Sicherheit gab. Zwischen Karl und mir sind oft auch die Fetzen geflogen, so manche meiner politischen Entwicklungen fand keinen Zuspruch von ihm. Aber dies warf keinen allzu großen Schatten auf unsere Freundschaft. Wenn er mich auch hin und wieder nicht verstehen konnte oder vielleicht auch wollte, so war er nie ein Diskussions- oder Gesprächsverweigerer, stellte nie die Freundschaft in Frage.

Als den meisten von uns klar geworden war, dass wir höchstwahrscheinlich die sozialistische Revolution als Realpolitik nicht mehr miterleben werden, hat sich Karl entschieden – im Gegensatz zu vielen anderen, die es vorgezogenen hatten sich mit der herrschenden Ordnung abzufinden oder gar zu versöhnen –  revolutionäre Realpolitik zu machen.

Die Sache mit der Partei war realiter ausgeträumt, auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Aber damit sind wir noch nicht am Ende der Geschichte angelangt. Karl war ein Arbeiterkind. Sein Vater war Briefträger und seine Mutter Krankenschwester. Karl durfte was lernen. Er wurde Ingenieur und er ging kurz zur Aufzugsfirma Wertheim arbeiten. Es war nicht das seine, und so wechselte er seine Profession und wurde Hauptschullehrer – Deutsch, Leibesübungen und Mathematik waren seine Fächer. Karl war ein Lehrer, der sich weigerte seinen Schülerinnen und Schülern ein Nicht Genügend zu geben. Er wollte niemanden einen Stolperstein in den Weg legen.

Für Karl wurde revolutionäre Realpolitik vor allem dort gemacht, wo einen das Leben hinstellt – in der Arbeitswelt. So engagierte er sich zunehmend als Gewerkschafter und als Personalvertreter und machte dies mit den Werkzeugen, welche er sich angeeignet hatte im Bestreben der vermeintlich bevorstehenden Revolution zum Durchbruch zu verhelfen.

Karl hatte wenig Verständnis für das Nur-Gewerkschaftertum. Oder wie wir sagten – dem gewerkschaftlichen Kretinismus. Er war ein durch und durch politischer Mensch. Und so war es nicht verwunderlich, dass er der Gründervater und Herz und Seele des linken Informations- und Diskussionsforum Labournet-Austria wurde. So lange es seine Krankheit erlaubte, betreute er Labournet-Austria im Internet.

Karl war selbstverständlich auch Internationalist. Als Anhänger von Leo Trotzki wusste er, dass die Theorie vom Sozialismus in einem Lande eine Schnapsidee war und ist. Sein Engagement kannte daher keine Grenzen, Grenzen, die er auch ablehnte im Kampf gegen den wiederaufkommenden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Österreich und weltweit.

Und die ersehnte Revolution, sie schlich doch die ganze Zeit um das Zentrum Europas und auch um den Gemeindebau, wo Karl aufwuchs und nach dem Tod seiner geliebten Mutter wieder lebte. Portugal, Griechenland, Angola und Südafrika, Palästina, Ägypten, Syrien und Iran, Kurdistan, Türkei und der Balkan, Polen, Russland, China und Sri Lanka, Chile, Bolivien, Kuba und Venezuela – und Karl zeigte für alles und noch viel mehr Interesse.

Karl wollte immer auf viel zu vieles Antwort geben. Und eine unserer letzten Diskussionen war diesem, seinem Bestreben gewidmet. Aber wir müssen nicht auf alles eine Antwort haben. Es geht sich doch gar nicht aus im Rahmen unserer so bescheidenen und so begrenzten Existenz. Allzu vieles müssen wir daher unbeantwortet lassen.

Und so werden wir auch keine befriedigende Antwort darauf finden, warum gerade unser Karl mit seiner gewinnenden und respektvollen Art, einer der klügsten Köpfe von uns, diese vermaledeite Krankheit bekommen hat. Aber er hat es jetzt hinter sich gebracht. Und – um frei nach Victor Hugo zu sprechen: Er ist jetzt nicht mehr dort, wo wir gewohnt waren ihn zu finden, es liegt jetzt an uns ihn überall dorthin mitzunehmen, wo wir sind!

Nachruf auf einen guten Genossen und Freund: Karl Fischbacher!

Was Petzl geschrieben hat, finde ich sehr gut. Ich könnte das nicht besser schreiben. Er hat in den letzten Jahrzehnten die politische Stimmung Karls am besten gekannt. Ich werde vor allem den politischen Werdegang vom jungen Karl vor der Spaltung der IKL hinzufügen.

Karl war 16 Jahre alt und ein guter Handballer in der Jugendmannschaft. Einer Tages sagte der sozialdemokratische Trainer, dass in der Jugendmannschaft immer wieder politische Diskussionen den Trainingsbetrieb störten. Ich war damals schon jahrelang ein Trotzkist, in der Gruppe Kampfbund, einer von Josef Frey gegründeten trotzkistischen Organisation und versuchte sofort mit den rebellischen Jungen ins Gespräch zu kommen.

Einer der „Revoluzzer“ war Karl, den ich zum ersten Male sah. Er war gelegentlich im Klub des Linksozialdemokraten Nennig. Besonders Fuzzi, den ich ebenfalls vorher nicht kannte, war ein Revoluzzer. Er war im Heimspartakus, einer sehr aktiven Gruppe, die aus der KPÖ hervorging. Pepi war noch in keiner Gruppe. Mit Pepi und Karl begann ich eine Schulung in Trotzkismus.

Gleichzeitig war ich bestrebt, einen Jugendclub zu gründen. Politische Diskussionen, aber auch Pingpong, Boxen etc., die Jungen sorgten für Essen und Getränke – es war eine lustige Gesellschaft. Bis zu 18 Jugendlichen haben an den Aktivitäten des Jugendclubs teilgenommen, sowohl junge Mitglieder des Kampfbundes als auch Sympathisantinnen und Sympathisanten. Später haben wir eine Jugendzeitung heraus gegeben. Karl war ein guter „Redakteur“.

Dann rumorten im Kampfbund die jungen Mitglieder. Seit 1945 bis 1970 sagten die Alten, dass der 2. Weltkrieg noch nicht beendigt sei. Der Kampfbund sollte deshalb weiter illegal arbeiten, auch wenn die Studentinnen und Studenten die Straßen bevölkerten.

Karl war damals ein Kandidat des Kampfbundes und in der Jugendgruppe tätig. Ich war schon in der Leitung des Kampfbundes und in der Jugendgruppe. Karl und ich waren auch persönlich Freunde. Wir haben politisch zusammen gearbeitet und gemeinsam Urlaubsreisen gemacht. Gleichzeitig haben Karl und ich den Kampfbund verlassen.Wir waren ein Team mit dem Ziel, eine legale revolutionäre Gruppe aufzubauen.

Nach vielen Irrwegen, die für uns auch lehrreich waren, kam 1975 der Höhepunkt, die Gründung einer legalen revolutionären Gruppe, der IKL – Internationale Kommunistische Liga. Wir haben dann 6 Genossinnen und Genossen des Kampfbundes, junge und ältere, für die IKL gewonnen. In dieser Periode haben alle große politische und organisatorische Fortschritte gemacht. Karl war ein guter Artikelschreiber, er war auch in der Leitung. Politik und Freizeit verbanden uns 10 Jahre hindurch.

1985 kam es zu einer Spaltung der IKL, eine Minderheit, auch ich, gingen aus der IKL und gründeten den ASt – ArbeiterInnenStandpunkt. Karl und sein guter Freund Petzl waren noch in der IKL, unsere politische Standpunkte wurden immer unterschiedlicher und die persönliche Stimmung zwischen den beiden und mir verhärtete sich.

2012 war in Griechenland eine vorrevolutionäre Situation, ich war einige Male dort und gründete anschließend mit anderen das Komitee „Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland“ in Wien. Und dann war Karl wieder da. In diesem Komitee haben wir gemeinsam 7 Jahre, trotz verschiedener Positionen, z.B. bezüglich Syriza, gearbeitet aber unsere alte Freundschaft lebte wieder auf.

Karl, du hast sehr viel für die revolutionäre Wiederbelebung in Österreich gearbeitet. Du warst dein Leben lang für die revolutionäre Bewegung in Wien aktiv. Mit deiner geistigen körperlichen, und finanziellen Kraft hast du die revolutionären Bewegungen, auch international, unterstützt. Und für mich warst du ein guter Freund und Genosse.

Wir werden dich vermissen.

Heini