KV-Verhandlungen im Sozialbereich: Arbeitskampf für die 35 Stunden-Woche?

Protestmarsch SWÖ 2018

Die letzte relevante Verkürzung der Arbeitszeit in Österreich liegt Jahrzehnte zurück. Unter Schwarz-Blau war der Kurs sogar in die gegenteilige Richtung eingeschlagen worden. Mit der Ausweitung der Tageshöchstarbeitszeit auf 12 Stunden war ein wichtiges Anliegen der Unternehmer*innen umgesetzt worden. Bei den KV-Verhandlungen im Sozialbereich treten jetzt VIDA und GPA gemeinsam mit einer einzigen Forderung in die Verhandlungen ein: Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden, bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Sozialbereich – die neue kämpferische Bastion?

Die KV-Verhandlungen in den verschiedenen Branchen der letzten Jahre haben sich zumeist in um die Frage von Lohnerhöhungen gedreht, in erster Linie ging es darum die Inflation abzugelten. Manchmal ist den Gewerkschaften aber auch dieses Mindestmaß an „Verbesserung“ nicht gelungen, z.B. beim KV im Handel 2017. Zu echten Arbeitskämpfen kam es selten. Neben der Frage des Lohns waren andere Themen meist nur Randerscheinungen und das obwohl die Gewerkschaften nach dem Beschluss des 12 Stunden-Tages unter Schwarz-Blau noch lauthals verkündet hatten, dass man sich bei den KV-Verhandlungen zurückholen wolle was man durch das Gesetz verloren hatte. Eine gewisse Ausnahme im traditionellen Reigen der KV-Abschlüsse stellten in den letzten Jahren die Arbeiter*innen im Sozialbereich dar. 2019 und vor allem 2018 kam es rund um die KV-Verhandlungen zum Arbeitskampf inklusive (Warn-)Streik.

Dieses Jahr gestaltet sich die Ausgangslage als durchaus interessant. Die Gewerkschaften (in diesem Fall VIDA und GPA) sind mit der einzigen Forderung nach einer 35 Stunden Woche in die Verhandlungen gegangen. Dass dieser Forderung eine sehr prominente Stellung eingeräumt wird, ist durchaus zu begrüßen. Aber es darf nicht dazu führen, dass das Ganze zu einer Nulllohnrunde führt, was der aktuelle Preis für die Beschäftigten wäre. Das ist vor allem auch wichtig um bei den Beschäftigten eine Spaltung in Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte zu vermeiden. Aktuell würden vor allem Teilzeitbeschäftigte (deren Stunden sich durch die Arbeitszeitverkürzung nicht ändern würden) von der Arbeitszeitverkürzung finanziell profitieren, bei Vollzeitbeschäftigten ist der Enthusiasmus für die alleinige Forderung der Arbeitszeitverkürzung deutlich geringer, weil es – mit der Inflation – eine Reallohnkürzung bedeuten würde. Dabei haben die Beschäftigten im Sozialbereich in den letzten Jahren durchaus gezeigt, dass sie bereit sind auch für die Umsetzung ihrer Forderungen zu kämpfen, sei es durch Demonstrationen auf der Straße oder durch Streiks im Betrieb.

KV-Verhandlungen

Die Verhandlungen gestalten sich aktuell mehr als zäh. Von Seiten der Unternehmer*innen wird der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung eine Lohnerhöhung von 2,35 % entgegen gestellt. Der Forderung nach der 35 Stunden Woche wird mit dem Verweis auf den „Fachkräftemangel“ entgegen gehalten und dass sich dadurch die „Versorgungslage in den Pflegeheimen akut zuspitzen“ würde. Bisher blieben die Gewerkschaftsverhandler*innen doch recht klar bei ihrer Forderung – wobei sich in weiterer Folge wohl noch zeigen wird wie weit sie bereit sind zu gehen.

Nach dem Scheitern der letzten Verhandlungsrunde am 29. Jänner wurde angekündigt, dass es in den Betrieben zu Betriebsversammlungen kommen solle. Diese werden vor allem mit dem Ziel abgehalten, dass, falls auch die nächste Verhandlungsrunde am 10. Februar ergebnislos verläuft, man direkt in Warnstreiks treten könne. Außerdem soll es am 5. Februar eine Kundgebung in Wien geben um den Anliegen der Beschäftigten auch noch einmal auf diesem Weg Nachdruck zu verleihen.

Arbeitskampf?

Die Sozialarbeiter*innen haben in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie bereit sind im Rahmen der KV-Verhandlungen einen Arbeitskampf zu führen. Vor allem letztes Jahr, als die Warnstreiks dann nicht wirklich breit durchgeführt wurden und das Verhandlungsergebnis dann doch recht bescheiden ausgefallen ist, hat das zu einer gewissen Enttäuschung gegenüber den Gewerkschaften geführt. Dieses Jahr verspricht ein Kampf für eine 35 Stunden Woche, der nicht nur im Sozialbereich wichtig wäre, sondern gleichzeitig auch vorbildhaft für andere Branchen wäre, wieder einen gewissen Enthusiasmus der Beschäftigten für den Arbeitskampf. Doch um einen faulen Kompromiss zu verhindern braucht es die Organisierung an der Basis und die Wahl rechenschaftspflichtiger Streikkomitees vor allem im Sozialbereich in dem viele Linke beschäftigt sind, sind hierfür die Voraussetzungen besser als in anderen Bereichen. Wesentlich ist auch, dass von der Gewerkschaftsführung erkämpft wird, dass eine etwaige Verhandlung, sei sie nach einem Streik oder auch davor, einer Urabstimmung in den Betrieben zur Annahme vorgelegt wird. Damit wäre es zumindest möglich mehr Kontrolle über das Verhandlungsteam auszuüben. Und sollte es wirklich zu (Warn)Streiks kommen, braucht es eine Mobilisierung Streiks auf die Straße, denn die Stimmung der Öffentlichkeit ist ein wesentlicher Faktor in Verhandlungen und die Beschäftigten des Sozialbereichs, die so wichtige Arbeit im Interesse der großen Mehrheit der Menschen in Österreich machen, haben hier gute Karten.