Mindestsicherung wird Sozialhilfe: …und was hat das alles mit Fairness zu tun?

Mit der Umstrukturierung von Mindestsicherung auf Sozialhilfeführt die Regierung neue Attacken auf arbeitslose Menschen und Geringverdiener*innen. Besonders betroffen sind – wie könnte es mit dieser Regierung anders sein – Migrant*innen. Der Gesetzesentwurf wurde am 13. März im Ministerrat beschlossen und kommt voraussichtlich Ende Mai in den Nationalrat.

Wer ist betroffen?

Gerade die Mindestsicherung dient dazu, dass jeder Mensch in Österreich gerade einmal genug zum Überleben hat – was im neuntreichsten Land der Welt wohl kein Luxus ist. Sie ergänzt das Einkommen von Geringverdiener*innen und steht all jenen zu die nicht arbeiten können und keinen Anspruch bzw. nicht genug auf Arbeitslosengeld haben.. Doch selbst dieses Minimum soll jetzt eingeschränkt werden, fürs erste jedoch nicht für alle. Die Versuchskaninchen bei dieser Reform sind Migrant*innen sowie Familien mit vielen Kindern.

Wer nicht die österreichische Staatsbürger*innenschaft besitzt hat erst nach fünf Jahren Aufenthalt Anspruch auf die Sozialhilfe. Als Flüchtlinge anerkannte Asylberechtigte – subsidiär Schutzberechtigte bleiben in der Grundversorgung – haben Anspruch auf die Sozialleistung, allerdings stark reduziert. Die Regierung möchte die angeblich unfaire „Zuwanderung ins Sozialsystem“ beenden und einen „Arbeitsanreiz“ schaffen, daher 300 € auf den vollen Betrag (863 €) nur bei ausreichenden Sprachkenntnissen in Deutsch oder Englisch bezahlen. Wie diese erworben werden sollen bei einer Politik die an Kursprogrammen kürzt und bei einer reduzierten Leistung mit der man sich kaum Miete und Essen leisten kann, geschweige denn einen Sprachkurs, ist nicht das Problem der Regierung. Im Gegenteil, dadurch werden Menschen in die Armut getrieben und soziale Probleme verursacht, welche die Regierung wieder für ihre rassistische Hetze heranziehen kann.

Die Kürzung bei Familien trifft kinderreiche Familien, durch eine degressive Staffelung der Familienbeihilfe bei der jedes weitere Kind weniger bezahlt wird (25, 15 und dann nur noch 5 %). Besonders ironisch ist hier der Vergleich zum „Familienbonus“, bei dem die Steuerentlastung pro Kind gleichmäßig steigt, von dem aber besonders Gutverdiener*innen profitieren. Besonders gefährdet sind auch Alleinerzieher*innen (und damit hauptsächlich Frauen) für die zwar die Möglichkeit eines Zuschusses durch die Länder festgelegt ist, aber eben ausschließlich die Möglichkeit und kein fixer verpflichtender Zuschuss.

Die Fairness der Regierung

Ein zentrales Schlagwort von Seiten der Regierung ist der Begriff „Fairness“. Bereits die Umbenennung von Mindestsicherung auf Sozialhilfe zeigt klar worum es dabei geht. Es geht um weitere Stigmatisierung der Betroffenen, es geht darum diese Leistung nicht als Anspruch darzustellen sondern als Hilfsleistung, als großzügiges Geschenk das man bekommt ohne es zu verdienen. Dabei werden auch die realen Zahlen nicht erwähnt laut denen die Mindestsicherung nur 0,9 % der Ausgaben für Sozialleistungen darstellen.

Was die Regierung propagiert ist ein Bild von fleißigen (österreichischen) Menschen, die hart arbeiten müssen um gleich viel zu verdienen wie faule (zugewanderte) Mindestsicherungsbezieher*innen, und mit ihren Steuergeldern auch noch deren Einkommen mitfinanzieren müssen. Das betiteln sie als unfair. Und anstatt niedrige Einkommen in Form eines vernünftigen Mindestlohns zu bekämpfen, kürzen sie bei den Ärmsten.

Der Weg zur Fairness muss über die Frage niedrigerer Sozialleistungen oder höherer Löhne hinausgehen. Es geht einerseits um die Frage wie Sozialleistungen finanziert werden – unserer Meinung nach nämlich über Besteuerung von Reichtum und Profiten. Doch darüber hinausgehend muss es das Ziel sein das Ungleichgewicht von Arbeit und Arbeitslosigkeit aufzulösen durch die Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohn- und Personalausgleich. In letzter Instanz wird diese Forderung allerdings im Kapitalismus nicht langfristig umsetzbar sein, da sie die Profite der Unternehmen und das gesamte System in Frage stellt. Um Fairness zu schaffen müssen wir den Kapitalismus stürzen, denn in diesem System ist Ungerechtigkeit systemimmanent.

Ein ernsthafter Widerstand fehlt

Der Widerstand gegen die Reform ist leider kaum vorhanden. Die Opposition ist zwar dagegen, aber etwas ernsthaftes unternimmt sie nicht. Die SPÖ plant eine Klage gegen das Gesetz und in Wien will man sich gegen die Umsetzung stellen. Beides wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben. Natürlich gibt es eine Menge an zivilgesellschaftlichen Kräften, die gegen die Reform sind und in der einen oder anderen Form dagegen vorgehen wollen. Ihr Protest ist aber mehr Symbolik als tatsächlicher Widerstand und selbst eine breitere Mobilisierung der „Zivilgesellschaft“ blieb bisher aus. Auch die Organisationen der radikalen Linken blieben bisher ruhig, vor allem weil sie unfähig sind ihre Kräfte gegen konkrete Angriffe zu bündeln. Ein Schulterschluss der Organisationen der Linken und der Arbeiter*innenbewegung, insbesondere der Gewerkschaften, zur Aufklärung und Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse ist unerlässlich um der Spaltung der lohnabhängigen Menschen entgegen zu treten und die Solidarität zu einer praktischen Waffe in den Händen der Arbeiter*innen zu machen.