Seit Anfang Jänner finden im privaten Gesundheits- und Sozialbereich wieder die jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen statt. Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) verhandelt mit Vertreter*innen der Gewerkschaft der Privatangestellte (GPA) und der österreichischen Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft (Vida). Gesamt sind etwa 100.000 Angestellte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich beschäftigt, und zwar als Sozialarbeiter*innen, Wohnbetreuer*innen, Mobile Pfleger*innen, Heimhelfer*innen, Pädagog*innen und vieles mehr.
Nachdem es nun bereits drei Zusammenkünfte der sozialpartnerschaftlichen Vertreter*innen gegeben hat, wurden die Verhandlungen Ende Jänner erneut abgebrochen und ein vierter Termin Anfang Februar vereinbart. Weil von Seiten der Unternehmer*innen kaum auf die Forderungen der Gewerkschaften eingegangen wird, stehen nun mögliche Warnstreiks im Raum.
Die Forderungen der Gewerkschaften sind ähnlich wie in den letzten Jahren: Gefordert werden 6 % Lohnerhöhung und die Reduzierung der Normalarbeitszeit auf 35h, bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Außerdem wurde von der GPA-Jugend in die Verhandlungen getragen, dass Pflichtpraktika bezahlt werden und die Lehrlingsentschädigung um 100 € angehoben werden soll. Auch eine sechste Urlaubswoche wurde von der Gewerkschaft gefordert, sowie eine bessere Anrechnung von Vordienstzeiten, weniger flexible Dienstpläne, und strengere Vorgaben bei geteilten Diensten.
Von Seiten der Unternehmen wurden bei der letzten Verhandlungsrunde am 31. Jänner nur die Anhebung der Lehrlingsgehälter und eine Lohnerhöhung um 2,5 % angeboten, was angesichts der niedrigen Löhne und der hohen Arbeitsbelastung im Sozialbereich ein Hohn ist. Mittlerweile hat sich die Gewerkschaft auch schon die Streikfreigabe vom ÖGB geholt.
Der Sozialbereich ist nicht nur ein schlecht bezahlter Arbeitsbereich, sondern auch einer, in dem besonders viele Frauen – sehr häufig in Teilzeit – arbeiten. Die Arbeitsbedingungen sind innerhalb der „Sozialwirtschaft“ leider meist alles andere als sozial, an vielen Stellen fehlt Personal und einzelne Bereiche werden, wenn es um Forderungen nach höheren Löhnen geht, gegen einander ausgespielt. Außerdem ist der Sozialbereich sehr zersplittert, viele unterschiedliche Standpunkte an unterschiedlichen Orten erschweren gemeinsame Vernetzung und Austausch über Missstände.
Der neoliberale Sozialabbau, der unter Schwarz-Blau noch stärker vorangetrieben wird, trifft den Sozialbereich besonders stark, sowohl direkt durch Kürzungen, Schließungen von Einrichtungen und somit Entlassungen, als auch weil die tägliche Arbeit erschwert wird, wenn sozialstaatliche Leistungen wegfallen oder nur mehr schwer zu bekommen sind.
Wenn sich Sozialhackler*innen gegen diese Missstände zur Wehr setzen wollen, heißt es häufig von Seiten der Vorgesetzten , Arbeitskämpfe im Sozialbereich wären nicht möglich, da man so die Klient*innen im Stich lassen würde. Dieses absurde Argument sorgte auch bei den Warnstreiks Anfang 2018 für viel Verunsicherung bei den Kolleg*innen.
Trotzdem gab es Anfang letzten Jahres eine hohe Beteiligung an den Protesten aufgrund der schlecht laufenden Kollektivvertragsverhandlungen. Nachdem die Unternehmer*innen trotzdem kein zufriedenstellendes Angebot machten, gab es kurz darauf Betriebsversammlungen vor den Betrieben um den Druck zu erhöhen. Dort wurde bereits der Ruf nach Streiks laut und nach einer weiteren erfolglosen Verhandlungsrunde kündigte die Gewerkschaft Warnstreiks an.
Dass diese überhaupt zu Stande kamen lag auch an der Belegschaft, die sich trotz der schwierigen Ausgangslage im schlecht vernetzten Sozialbereich einrichtungs – und teilweise organisationsübergreifend vernetzte. Diese Vernetzung sowie die Streikkomitees, die in einzelnen Organisationen und Einrichtungen gegründet wurden, bewirkten dass die Streiks auf die Straße getragen wurden und nicht – wie zu vor von Gewerkschaften und manchen Betriebsrät*innen vorgeschlagen – im Stillen stattfanden.
Trotz der positiven Erfahrungen in Bezug auf die gemeinsame Kraft in Arbeitskämpfen, wurde auch ersichtlich, wie schlecht vernetzt der Sozialbereich ist und wie wenig Informationsaustausch zwischen den Standorten und Berufsgruppen stattfindet. Dadurch konnten die Vorgesetzten viele Beschäftigte doch verunsichern und von einer Teilnahme abhalten und die Beteiligung fiel zwar für einen ersten Warnstreik gut aus, hätte aber für einen längerfristigen Protest noch ausgebaut werden müssen. Dazu kam es allerdings nicht, da die Gewerkschaftsvertreter*innen sich noch im Februar trotz einer streikbereiten Belegschaft auf einen schlechten Abschluss mit 2,5 % Lohnerhöhung einigten.
Die Erfahrungen des letzten Jahres haben gezeigt wie schnell trotz geringer Vorerfahrung von den Beschäftigten Druck auf die Gewerkschaften aufgebaut werden kann. Die Erfahrung eines gemeinsamen Arbeitskampfes hatte Auswirkungen auf die Beschäftigten und es gibt eine breitere Vernetzung in unterschiedlichen Netzwerken.
An der diesjährigen Demonstration des Sozialbereiches unter dem Motto „Soziale Arbeit ist mehr wert“ nahmen Ende Jänner, trotz Kälte, über 3.000 Beschäftigte teil und ein erneuter Streik war Thema. Das zeigt, dass durchaus eine Politisierung im Sozialbereiches stattgefunden hat.
Um Widerstand sinnvoll aufbauen zu können, müssen Kolleg*innen im Sozialbereich Lehren aus dem letzten Jahr ziehen und den Druck von unten verstärken.