Diskussionsbeitrag: Zur Frage einer antikapitalistischen Kooperation

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Diskussionsbeitrag von unserer Seite zur Frage einer neuen antikapitalistischen Kooperation in Österreich. Eine solche hat unlängst Aufbruch Salzburg angeregt, der das mit einer „ökosozialistischen“ Ausrichtung verknüpfen möchte (http://www.aufbruch-salzburg.org/diskussionen/oekosozialistische-alternative-in-oesterreich/). Am 16. September gab es dafür in Salzburg eine Konferenz an der wir leider nicht teilnehmen konnten. Wir haben immer wieder die Notwendigkeit einer Neuformierung der Linken und der Arbeiter*innenbewegung betont und haben aus diesem Grund das Projekt Aufbruch unterstützt und dabei auch eigene Vorschläge eingebracht. Gleichzeitig sind wir skeptisch, was den Begriff des „Ökosozialismus“ angeht, da er von reformistischen und zentristischen Kräften geprägt wurde. Entscheidend ist allerdings die Frage ob eine Kooperation der engeren Zusammenarbeit antikapitalistischer Kräfte dient und eine ernsthafte programmatische Auseinandersetzung mit antikapitalistischer Strategie und Taktik dient oder nicht. Wir haben dafür auch eigene Vorschläge formuliert.

Liebe Genoss*innen,

wir haben von der Idee einer antikapitalistischen Kooperation erfahren und sind an einem solchen Projekt grundsätzlich interessiert. Wir haben immer wieder die Notwendigkeit einer Neuformierung der Linken und der Arbeiter*innenbewegung betont und haben aus diesem Grund das Projekt Aufbruch unterstützt und dabei auch eigene Vorschläge eingebracht. Leider können wir am 16. September nicht teilnehmen, wir bitten aber darum unseren Diskussionsbeitrag zu berücksichtigen und uns über die weiteren Schritte am Laufenden zu halten.

1) Die politische Lage in Österreich ist geprägt von einer neoliberalen und rassistischen Offensive der rechten Regierung gegen die arbeitende Klasse. Dabei geht es ganz klar darum, die Ausbeutungsbedingungen in der Lohnarbeit im Sinne des Kapitals zu verbessern, den Einfluss der Arbeiter*innenbewegung (insbesondere in Form der Sozialpartner*innenschaft) zurückzudrängen und die arbeitenden Menschen über rassistische Hetze gegen Geflüchtete und Muslime abzulenken bzw. zu spalten.

2) Die Sozialdemokratie hat innerhalb kürzester Zeit bewiesen, dass sie keine ernsthafte Opposition gegen die Regierung darstellt. Sie konzentriert sich auf einen längeren Prozess der parlamentarischen Opposition, in der sie die Regierungspolitik kritisiert um verloren gegangene Wähler*innenstimmen (insbesondere an die FPÖ) zurückzugewinnen. Dass sie angesichts der rechten Parlamentsmehrheit die Angriffe der Regierung nicht vereiteln kann, kommt ihr dafür sogar gelegen. Ernsthafter außerparlamentarischer Widerstand kommt für sie nicht in Frage.

3) Ähnlich verhält es sich mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung sieht sich gezwungen gegen die Regierung zu agitieren und in beschränktem Ausmaß zu mobilisieren. Aber auch sie möchte die nächste Regierungsbeteiligung nicht durch eine ernsthafte Konfrontation mit der Regierung verspielen. Daran ändert auch der „linke“ ÖGB-Präsident Katzian nichts. Sie versucht gemäßigten Druck mit Appellen zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu kombinieren. In der Auseinandersetzung um den Zwölf-Stunden-Tag hat sich der hemmende Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie auf die Arbeiter*innenklasse offenbart, die trotz Massendemonstration und hunderten Betriebsversammlungen die Mobilisierungen gestoppt hat ohne das Kampfpotential ernsthaft auszureizen. Das war offener Verrat an den Interessen der Arbeitenden.

4) In dieser Situation ist das Fehlen einer starken antikapitalistischen, sozialistischen Kraft untragbar. Der Aufbruch hatte zumindest das Potential eine größere antikapitalistische Organisation aufzubauen, aber er ist darin gescheitert. Das war weder Zufall noch ist es in erster Linie auf die objektiven Umstände ausredbar. Tatsächlich gab es genug Möglichkeiten zur politischen Intervention. Der Aufbruch musste scheitern weil er nicht zu einem kollektiven Organisationsaufbau in der Lage war. Dazu hätte es eine Zentralisierung und eine politische Führung gebraucht und als wichtigste Voraussetzung dafür ein Programm. Aus Angst davor Leute politisch abzustoßen wurde ein notwendiger politischer Klärungsprozess gemieden bis es längst zu spät war. (Wir möchten an dieser Stelle auf unsere Bilanz „Aufbruch – Welche Lehren aus dem Scheitern?“ verweisen https://arbeiterinnenstandpunkt.net/?p=3177).

5) Die Initiative für eine neue antikapitalistische Vernetzung ist begrüßenswert, sie macht aber nur Sinn wenn sie sich Rechenschaft über die Fehler in der Vergangenheit ablegt. Vor diesem Hintergrund ist es positiv, dass Genosse Zeller in seinem Vorschlag immer wieder auf die Notwendigkeit eines Programms verweist. Im letzen Abschnitt über den „nächsten Zwischenschritt“ in „Aufbruch für eine ökosozialistische Perspektive“ ist dieser Punkt aber ungenügend betont, wir lesen nur noch von einer „Konvergenz ihrer Positionen, Herangehensweisen und praktischen Aktivitäten“. Dass das nicht das gleiche ist wie ein (notwenigerweise längerfristiger) systematischer programmatischer Diskussionsprozess beweist die Betonung auf „absprechen“, „von einander lernen“ und Entwicklung möglichst breiter Einheitspolitik „in konkreten Sachfragen“. Tatsächlich ist uns nicht klar, wie sich das neue föderative Projekt von der Konzeption des Aufbruch unterscheidet.

6) Wir wollen den föderativen Charakter einer antikapitalistischen Kooperation nicht in Abrede stellen. Tatsächlich hat er angesichts der politischen Zersplitterung der antikapitalistischen Linken eine einstweilige Berechtigung. Aber wir sollten aus der Not keine Tugend machen. Eine ernsthafte radikale alternative Kraft muss im großen Maße handlungsfähig sein und muss deshalb den Charakter einer demokratischen aber (wobei sich das bedingt) zentralisierten Organisation annehmen. Es gilt also die organisatorische Zersplitterung zu überwinden und als Voraussetzung dafür die politische Zersplitterung.

7) Dabei können wir es uns nicht zu einfach machen. Wenn wir ein antikapitalistisches Programm als möglichst kleinen gemeinsamen Nenner konzipieren werden wir damit politisch nicht viel erreichen. Ein Programm muss sich an den politischen Notwendigkeiten orientieren und wenn es antikapitalistisch sein möchte, dann muss es den Weg zur Überwindung des Kapitalismus zeichnen. Ein solches Programm kann nur ein Übergangsprogramm sein, das von den aktuellen politischen Fragen eine Brücke zur politischen Macht zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft schlägt. Der Beitrag „Antikapitalistische Perspektiven in Österreich entwickeln“ von Verena Kreilinger & Christian Zeller lässt so etwas anklingen und die Resolution zum 17. Weltkongress der Vierten Internationale spricht sogar davon. Allerdings kann es dabei nicht einfach nur um Forderungen gehen, die die kapitalistischen Verhältnisse in Frage stellen oder bei konsequenter Umsetzung mit ihnen unvereinbar sind. Es muss insbesondere auch um Perspektiven der Selbstorganisierung gehen, die zum Aufbau einer Gegenmacht zu den Kapitalist*innen und ihrem Staat geeignet sind und einen Weg zur sozialistischen Revolution bahnen.

8) Die Umweltfrage ist bestimmt eine der bedeutendsten Fragen unserer Zeit, denn es ist richtig, dass der Kapitalismus durch seine schonungslose Ausbeutung der Natur die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Wir finden es deshalb positiv der Ökologie eine starke Rolle zukommen zu lassen. Im Zusammenhang mit dem Thema „Ökosozialismus“ stellen sich aber ein paar diskussionswürdige Fragen, wobei es uns vor allem um den Inhalt und nicht den Begriff selbst geht: Ist die Umweltfrage die wichtigste, sodass sie gegenüber anderen wie Anti-Militarismus, Anti-Imperialismus oder Internationalismus in den Vordergrund gerückt werden sollte? Ist Sozialismus überhaupt ohne ein nachhaltiges Verhältnis zur Natur denkbar? (Wir möchten hier hinzufügen, dass die Staaten des sogenannten „real existierenden Sozialismus“ zwar nachkapitalistische aber keine sozialistischen Gesellschaften waren) Ist der Begriff des „Ökosozialismus“ wirklich noch so offen oder stehen hinter dem Begriff teilweise nicht schon seit längerer Zeit linke Strömungen die sich damit bewusst vom „orthodoxen“ Marxismus abzugrenzen versuchten? Wir halten eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit dem Ökosozialismus im Rahmen einer Kooperation jedenfalls für vernünftiger als diesen als Ausgangspunkt einer solchen zu setzen.

9) Wir möchten die bestehenden Diskussionsbeiträge und Vorschläge zur Vernetzung mit eigenen konkreten Punkten ergänzen. Unserer Meinung nach ist es nämlich sinnvoll eine Zusammenarbeit von verschiedenen Gruppen nicht einfach nur sich selbst zu überlassen sondern auch von Anfang an verschiedene Rahmen zu schaffen in denen das gut möglich ist und auf die man sich im Sinne einer sinnvollen politischen Stoßrichtung einigen kann. Uns erscheinen folgende Rahmen angemessen:

  • Eine Zusammenarbeit gegen die zentralsten Angriffe der schwarz-blauen Regierung. Darüber ist es möglich zentrale Fragen des österreichischen Klassenkampfs aufzugreifen und politische Organisierung voran zu treiben. Es ermöglicht auch die regionale Zusammenarbeit über politische Organisationsgrenzen hinweg in Form von Aktionskomitees und bietet ein Angebot für potentielle Bündnispartner*innen.
  • Der Aufbau einer linksgewerkschaftlichen Basisbewegung (bzw. im ersten Schritt Vernetzung) gegen die Bürokratie. Auf diesem Gebiet ist eine Annäherung und eine Bündelung von Kräften verhältnismäßig einfach möglich während gleichzeitig ein strategisches Problem antikapitalistischer Politik (die Bürokratisierung der Gewerkschaften) angegangen werden kann. Zusätzlich bietet ein solcher Arbeitsbereich den Vorteil an die unmittelbaren Interessen der Lohnabhängigen anzudocken.
  • Eine systematische Diskussion auf verschriftlichter Grundlage zu den wichtigsten Themenkomplexen antikapitalistischer Programmatik. Im Gegensatz zu Themengruppen (oder jedenfalls darüber hinaus), die sich meist aus einigen Selbsternannten zusammensetzen, muss es einen Rahmen geben, indem ein kollektiver und direkter Austausch zu einem bestimmten Themenkomplex für alle möglich ist (eine Art thematische Tagung/Konferenz/Seminar). Idealerweise sollte es davon einen Output geben, vielleicht eine Resolution auf die sich eine Mehrheit verständigen konnte, oder sei es auch nur die Feststellung bestimmter Differenzen.