Gastbeitrag von Voula Taki
Der globale Kapitalismus hat es noch nicht geschafft, seine Krise zu überwinden. Im Gegenteil die kapitalistische Wirtschaftskrise wurde zu einer politischen Krise der bisherigen, so genannten „Zentren der Stabilität“, der USA und der EU. Der imperialistische Konkurrenzkampf verstärkt sich. Der internationale Kapitalismus bedroht nicht nur den nahen Osten, sondern droht auch neue, für ihn lebenswichtige Regionen – wie Ostasien – zu destabilisieren.
Das Kapital versucht die Krise durch eine reaktionäre „Umstrukturierung“ des kapitalistischen Systems, von der Produktion bis zur Politik, zu überwinden:
- durch die Vertiefung der Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse,
- durch Privatisierung und Kommerzialisierung von allem, was verkauft werden kann,
- durch die Nutzung und Förderung von wissenschaftlichen und technologischen Innovationen, mit dem Ziel, die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter*innenklasse zu intensivieren,
- durch die Konzentration des Kapitals, des Eigentums und des Reichtums in den Händen weniger Kapitalist*innen,
- durch einen Schuldenmechanismus, der weltweit verbreitet wird. Durch die Beraubung der Bevölkerungen und der Staaten durch die hegemonialen kapitalistisch-imperialistischen Zentren.
Gleichzeitig versuchen die nationalen, kapitalistischen Klassen, eine reaktionäre politische Wende einzuleiten (antidemokratische EU, Supervisionen wie z.B. in Griechenland, Abschaffung der Demokratie, Unterstützung der Rechten und Rechtsradikalen usw.).
Die Gelegenheit der Krise fördert den Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten und kapitalistischen Klassen. Die Kriegsschauplätze vermehren sich; die Waffenexporte verbreiten sich (auch in Griechenland); die Gefahr des Kriegs erhöht sich. Das Kapital versucht seine Krise durch Blut und Katastrophe zu überwinden, mit dem Ziel seine eigene Position gegen die Arbeiter*innenklasse zu sichern.
Das griechische kapitalistische System ist ein Teil dieser Realität, trotz der heuchlerischen Erklärungen der Regierung von SYRIZA und ANEL. Zusammen mit den griechischen Medien versuchen die beiden Regierungspartner, die Bevölkerung zu überzeugen. Aus diesem Grund feiern sie den „Erfolg“ des schnellen Abschluss des dritten Hilfsprogramms, als ob das eine Lösung für das griechische Problem wäre. Sie sagen, dass 2018 das Jahr des Austritts aus den Memoranda sein wird und dass die Normalität bald zurückkommen wird. Was diese Entwicklung in Wirklichkeit für die Arbeiter*innrnklasse, die Jugendlichen und die Armen bedeutet, kann man im staatlichen Haushalt von 2018 erkennen: es wird erneut ein politisches Programm der Sparpolitik geben, das Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und den Sozialstaat allgemein weiter zerstören wird.
Die vor kurzem gewählten Maßnahmen kürzen erneut Löhne und Renten, zerstören weiter den Sozialstaat und privatisieren öffentliche Güter und Unternehmen (Wasser, Strom, öffentliche Verkehrsmittel). Dazu muss man die Armut und die Verschuldung der Haushalte addieren, die die letzten Jahre durch die Memoranda und die damit verknüpfte Politik der “Reformen“ auferlegt wurden. Die Politik der tausenden Beschlagnahmungen, der Umsetzung der elektronischen Versteigerungen vom Besitz von Schuldner*innen und der Verhaftung von allen, die dagegen protestieren, bedrohen das persönliche Eigentum breiter Teile der Bevölkerung.
Gleichzeitig versucht die Regierung das Streikrecht und die Gewerkschaften zu attackieren.
Der von der Regierung inszenierte „Austritt aus den Memoranda“, der im Sommer 2018 stattfinden soll, ist nur eine „Blase“, eine Lüge für das Publikum in Griechenland.
Die Vereinbarungen, die zwischen Griechenland und der EU – EZB abgeschlossen wurden, erfordern die Überwachung der griechischen Wirtschaft mindestens bis zum Jahr 2060. Die vorausgesetzten Haushaltsüberschüsse, die vor kurzem unterschrieben wurden, bedeuten eine blutige Sparpolitik gegen die Arbeiter*innen und das Volk für die kommenden Jahrzehnte. SYRIZA wird immer rechter. Im Jahr 2016 haben Alexis Tsipras und seine Minister*innen unverschämt versprochen, dass sie, trotz ihrer Kapitulation im Sommer 2015 und trotz des Unterschreibens des dritten Memorandums, eine „linke“ und „sozial gerechte“ Verwaltung führen würden. Ein Jahr später sind Tsipras und Tsakalotos (der Finanzminister) stolz darauf, dass ihre Regierung höhere Haushaltsüberschüsse als die rechte Regierung von Samaras erreicht hat. Zwei Jahre zuvor hatte SYRIZA behauptet, dass sie diesen „Brest-Litovsk“ Vertrag akzeptieren musste und, dass sie danach Allianzen wie die so genannte Front der Südländer*innen aufbauen würde, damit man europaweit gegen die Sparpolitik kämpfen könne. Jetzt ist Tsipras an dem Punkt angelangt, Mariano Rajoy umarmen zu können, obwohl er die demokratischen Rechte Kataloniens unterdrückte; den deutschen Sozialdemokrat*innen zu raten, zusammen mit Merkel zu regieren; und sich mit jedem Anspruch von Trump zu identifizieren.
Die Regierung von SYRIZA und ANEL ist eine Sklavin der Interessen des Kapitals und der kapitalistischen Klasse. Sie unterstützen und verstärken die ganze reaktionäre, kapitalistische Politik der Memoranda, genau wie die ehemaligen Regierungen von Nea Demokratia und PASOK. Gleichzeitig entschuldigen sie sich aber dafür. Sie haben sich gegen die Bevölkerung und die sozialen Bewegungen positioniert. SYRIZA hat sich von der Linken getrennt. Diese Regierung wurde vom Kapital, der EU und der USA nominiert um antipopuläre Politik zu verfolgen. Sie ist der Ausdruck der „Kontinuität des Staats“, besonders wenn es zu Repression kommt.
Die Krise, die SYRIZA nach dem Sommer 2015 erlebt hat, ist noch nicht vorbei. Ihre Beziehung zum Volk wird immer wieder getestet, obwohl das Volk bis kürzlich SYRIZA unterstützt hat. Einerseits hat SYRIZA ihre Versprechen für einen Austritt aus den Memoranda gebrochen. Anderseits wollen die Arbeiter*innenklasse und die Jugendlichen nicht von der Rechten oder dem Faschismus geführt werden; noch haben sie sich zu einer aggressiven Strömung gegenüber Nea Demokratia oder DYSI (die Koalition zwischen ehemaligen PASOK Mitglieder und anderen liberalen Sozialdemokrat*innen) entwickelt, obwohl sie vom Rechtsschwenk SYRIZAs beleidigt wurden.
In der Außenpolitik richtet sich die Regierung nach der gefährlichen Politik und den Interessen der USA-NATO-EU und nach der Achse Griechenland-Zypern-Ägypten-Israel. Die Regierung hat das Ziel, die Position und die Rolle der griechischen kapitalistischen Klassen zu verbessern, welche die Ansprüche auf die Energiereserven und die Transportwege in der weiteren Umgebung haben.
Sowohl der Aufenthalt von Alexis Tsipras und seinen Minister*innen in den USA als auch das Treffen mit Präsident Trump verraten den tiefen Bund der Regierung und ihre Rolle in den gefährlichen imperialistischen Interventionen und im Chaos am Balkan und dem östlichen Mittelmeer. Die griechische Regierung war bereit, als strategische Partnerin an den kriminellen Interventionen des amerikanischen Imperialismus teilzunehmen. Im Austausch würde sie Privilegien bekommen, die die Position des griechischen Kapitalismus in der Region und gegen den türkischen Kapitalismus verbessern würden. In diesem Zusammenhang entsteht auch die neue Einigung mit dem so genannten makedonischen Thema. Trotz des übertriebenen Namensstreits, sollen die Probleme zwischen den beiden Ländern so schnell wie möglich behoben werden, damit das Land in die NATO und die EU eintritt, wie die Planung der USA und die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Zentren (USA, Russland, EU) und zwischen den Nachbarländer (Griechenland, Türkei, Bulgarien, Serbien, Albanien) erfordern, um wirtschaftlichen und geopolitischen Einfluss zu gewinnen.
Wegen des klaren und offensichtlichen Übergangs von SYRIZA zu der Seite der kapitalistischen Memoranda, sind die Bevölkerung und die Menschen, die früher gekämpft haben, enttäuscht und verwirrt. Gleichzeitig wurde die Arbeiter*innenklasse von der Krise und der Attacke gegen ihre Rechte beeinflusst. Die sozialen Rechte, die vor einigen Jahrzehnten gewonnen wurden, werden jetzt abgeschafft. Der Kampf ums täglichen Leben erstickt die Arbeiter*innenklasse. Eine neue Memoranda-Normalität versucht zu entstehen. Die Gründe, warum es zur Zeit für die Bewegungen und Kämpfe schwierig ist, sich zu entwickeln, sind:
- die Psychologie und das Bewusstsein des Volks nach der Erfahrung der Regierung von SYRIZA;
- die Rolle die der politische und organisatorische Mechanismus SYRIZAs übernommen hat, als Unterstützerin der Regierung;
- die politischen Richtlinien der Gewerkschaften, die der Regierung und den Unternehmen freundlich gegenüber stehen;
- die allgemeine Krise der Arbeiter*innenbewegung; die schwierige soziale Realität der Arbeiter*innenklasse.
Immerhin können wir sagen, dass die Kämpfe, die sich die letzten Jahre sowohl im öffentlichen (Bildung, Gesundheit, Stadtwerke usw.) als auch im privaten Sektor (Fabriken, Hafen, Kämpfe für das Recht auf die sechs-Tage-Woche also Sonntag als Feiertag) entwickelt haben und sich gegen die massiven Kündigungen, die Flexibilität in der Arbeit, die Arbeitsverträge, die Evaluierung im öffentlichen Dienst, die Lohn- und Rentenkürzungen, die Arbeitsbedingungen usw. gestellt haben, sehr wichtig waren. Diese Kämpfe haben gezeigt, dass es möglich ist, außerhalb der bürokratischen Gewerkschaften zu kämpfen und auch möglicherweise zu gewinnen.
Eine wichtige Rolle dazu haben sowohl die progressiven Mächte und die basis-organisierten Gewerkschaften der Arbeiter*innenklasse als auch die antikapitalistische Linke gespielt. Wir können sagen, dass die Arbeiter*innenbewegung und die antikapitalistische Linke die einzige Opposition gegen die Regierung waren – nicht die Sozialdemokratie oder die Rechte, die bis jetzt die gesamte antipopuläre Politik gefördert haben. Aus diesem Grund wurde die Linke, und besonders die antikapitalistische Linke, von der Arbeiter*innenklasse unterstützt, durch die steigende Zahl der Wähler*innen der Linken in den Gewerkschaftswahlen.
Zum Schluss ist es wichtig zu bemerken, dass in Griechenland und im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern, weder Nea Demokratia noch die faschistische Goldene Morgenröte es geschafft haben, von der sozialen Frustrierung, Enttäuschung und Abneigung zu gewinnen, die die Politik von SYRIZA durch die Memoranda, die Attacken gegen die Arbeiter*innenklasse, die Überwachung und die Armut verursacht.
Wir können sagen, dass die Arbeiter*innenklasse in Griechenland die kapitalistische Memoranda-Politik insgesamt ablehnt, dass sie die Politik der ehemaligen Regierungen (ND und PASOK) sehr gut kennt, dass sie ihren Widerstand behält. Gleichzeitig gibt es eine Linke, die sich noch nicht massiv und positiv an einer anderen Politik orientiert. Es ist aber klar, dass die Arbeiter*innenbewegung und die Linke in Griechenland noch nicht ihr letztes Wort gesagt haben. Venceremos!