Die lange Phase der Stagnation nach der großen Rezession 2008/2009 und der Krise in der Eurozone 2011/2012 scheint 2017 beendet worden zu sein. Während es im Jahr 2015/2016 sogar möglich schien, dass die Weltwirtschaft in eine weitere Rezession geriet, wendete sich die Kurve – auch zur Überraschung vieler professioneller Wirtschaftsanalyst*innen – nach oben. 2017 lag das Weltwirtschaftswachstum laut IWF-Statistik bei 3,8 % und wird nach dem IWF-Bericht „Global Outlook“ auch in diesem und im nächsten Jahr auf diesem Niveau (3,9 %) bleiben.
Zyklische Erholung
Wir müssen dies als eine echte zyklische Erholung beurteilen, da sie nicht nur in einigen Regionen oder Ländern einen Aufschwung zum Ausdruck bringt, sondern auch ein globaleres Muster aufweist. Es enthält eine durchschnittliche Zunahme von 0,6 % in den „fortgeschrittenen Volkswirtschaften“ (in den üblichen Statistiken wird dies für imperialistische Länder ohne China und Russland verwendet) auf Wachstumsraten um 2 % (alle für 2017) und eine Zunahme von 0,4 % in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf Wachstumsraten um 5 %.
Die Erholung wird durch eine unerwartete Investitionstätigkeit (sowohl in den exportorientierten Volkswirtschaften als auch in den sich berappelnden Rohstoffexportländern) mit einem entsprechenden Anstieg des Verbrauchs und der Lagerbestände in den Schwellenländern getrieben. Auch der Abwärtseffekt der Restrukturierung der Anlageinvestitionen in China und Indien scheint beendet zu sein. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die lange Phase seit 2008/09, in der fast keine realen (und nicht nur Ersatzinvestitionen) Nettoinvestitionen getätigt wurden, definitiv zu Ende gegangen. Die realen Nettoinvestitionen stiegen 2017 in den Industrieländern um 5 %.
In China ist das Investitionswachstum, das nach den Initiativen nach der globalen Krise bei 10 % lag, auf 5 % gesunken – scheint aber nun den Tiefpunkt der Investitionsrestrukturierungsprogramme erreicht zu haben. Chinas BIP-Wachstumsrate hat sich in diesem Jahr wieder bei 6,6 % stabilisiert.
Die allgemeine Erholung hat auch die Wachstumsraten des Welthandels wieder stabilisiert. Zusammen mit der Industrieproduktion (+6 %) stieg auch die Zunahmequote des Welthandels im Jahr 2017 von 4 % auf 10 %. Davon profitierten vor allem die großen Exportwirtschaften wie China, Deutschland, Japan und die USA. Andererseits drückte die Erholung der Industrieproduktion auch die Rohstoffpreise, insbesondere für Öl und Metalle, nach oben. Der IWF-Primärrohstoffpreisindex stieg zwischen August 2017 und Februar 2018 um 16,9 Punkte. Die Ölpreise kletterten (von einem Tiefstand von 30 US-Dollar pro Barrel) auf 65 US-Dollar pro Barrel ab Beginn dieses Jahres. Der Erdgaspreisindex stieg deutlich um 45 Prozent, während die Metallpreise (insbesondere Aluminium!) sich um 8,3 Prozent erhöhten. All dies gab den rohstoffexportierenden Ländern in der Tat wieder einen Handlungsspielraum und sie zeigten sich erneut als starke Konsumentn und Importeur*innen von Waren auf den Weltmärkten (z. B. Brasilien).
Offensichtlich wurde der Aufschwung durch eine lange Zeit der Umstrukturierung, von Aufnahme neuer Schulden (auf der Grundlage von nahezu Nullzinsen in bestimmten imperialistischen Ländern) und einigen weiteren Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse (Verbesserung der „Arbeitsproduktivität“) vorbereitet. Während es sicherlich eine Ausweitung der Produktion und in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften einen Rückgang der Arbeitslosigkeit gibt, steigen die Löhne nicht oder bleiben einfach hinter den Produktivitätssteigerungen zurück. Dies zeigt sich auch daran, dass die Inflation in den entwickelten Volkswirtschaften nicht nennenswert zunimmt (d. h. unter oder um 2 % bleibt). Niedrige Arbeitslosenquoten und ein wachsender Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften bedeuten dagegen, dass sich die Verhandlungsmacht der Arbeiter*innenklasse wie in allen Höhepunkten des Zyklus verbessert. Dies lässt sich bereits an den moderaten Erfolgen gewerkschaftlicher Auseinandersetzungen in Deutschland und einigen seiner osteuropäischen Lieferketten ablesen.
Wie lange wird der Zyklus dauern?
Analyst*innen erklären, dass das aktuelle Wachstum über dem „Potenzial“ liegt. D. h. wenn es keine Veränderungen in der Arbeitsproduktivität oder strukturelle Gründe für die Nachfrageausweitung gibt, muss der Zyklus in übliche Beschränkungen (Überkapazitäten, erweiterter Preiswettbewerb usw.) geraten. So erwarten die Kommentator*innen die Gefahr eines konjunkturellen Abschwungs für 2019/20, während für die USA die Sondereffekte der Steuerreform bis Ende 2020 anhalten könnten (wann sie, insbesondere im Hinblick auf Schuldenprobleme, den Abschwung dann schärfer als anderswo machen werden). Analyst*innen weisen auch darauf hin, dass keine der entwickelten Volkswirtschaften gut auf den Abschwung vorbereitet ist, da ihre Schuldenprobleme weitaus mehr als bisher Gegenmaßnahmen verhindern werden.
Es gibt in der Tat auch weitere Risiken für den Aufschwung, die ihn viel schneller zunichte machen könnten. Der erste dieser Faktoren ist ein unerwarteter Nebeneffekt aus dem Auftauchen aus der Stagnationsphase: Durch die Erholung der Investitionen und Zinsen im imperialistischen Kern kommt es zu einem nachhaltigen Kapitalrückfluss dorthin. Mehrere „Schwellenländer“ befanden sich in einer unerwarteten Geschwindigkeit vom Kapitalabfluss ergriffen. In unterschiedlichem Ausmaß waren die folgenden Länder von der Wende der Ereignisse stark betroffen: Argentinien, Türkei, Ägypten, Brasilien, Mexiko, Peru, Südafrika. Besonders Argentinien brauchte die Unterstützung des IWF, die Türkei und Ägypten befinden sich in heftigen Turbulenzen. Brasilien mag sich leicht erholt haben, aber wegen der politischen Instabilität kann es schnell zur IWF-Überwachung zurückkehren. Offensichtlich sind Lateinamerika und Afrika als Ganzes die (Halb-)Kontinente, die sich auf der Gegenseite des Erholungszyklus befinden. Angesichts der Unbeständigkeit der Finanzmärkte hätte jeder Zahlungsausfall eines dieser „Schwellenländer“ in der Art Argentiniens in den Jahren 2000/2001 heute weitaus schwerwiegendere Auswirkungen.
Der zweite Risikofaktor ist die Krise der Europäischen Union. Eine mögliche Schuldenkrise Italiens hinterließe einen weitaus heftigeren Einschlag als die Griechenland-Krise 2012-2015. Während die größten Teile der Staatsschulden im Besitz italienischer Banken sind, gehören diese zum Rückgrat des europäischen Bankensystems. Ein Ausfall einer der großen italienischen Banken (z. B. Unicredit) entspräche einem Lehman-2.0. Auch wenn die drittgrößte Volkswirtschaft der verbleibenden EU (nach Großbritanniens Austritt) den Euro verlassen würde, würde dies das gesamte EU-Projekt sicherlich erheblich verändern. Es würde wahrscheinlich einen endgültigen Rückfall Europas und Deutschlands/Frankreichs in der internationalen Konkurrenz weit hinter die großen imperialistischen Mächte bedeuten. Auch die Auswirkungen des Brexit werden die britische wie auch die EU-Restwirtschaft in bisher nicht absehbarer Weise schwächen. Insbesondere ein ungeregelter Ausstieg Anfang 2019 könnte zu Turbulenzen mit Abschwächungseffekten auf den Aufschwungszyklus führen.
Drohender Handelskrieg
Neben diesen eher regionalen Unsicherheiten gibt es eine konstante Volatilität (Unbeständigkeit) der Finanzmärkte im Allgemeinen. Die Kurs-Gewinn-Beziehungen an den Aktienmärkten sind nach wie vor jenseits jeglicher wirtschaftlicher Vernunft, d. h. Ausdruck einer Vermögenswerteinflation. Hierzu zählt auch die Preisinflation in anderen Immobilienwerten, z. B. Mieten und Immobilienpreisen. Während die Bankregulierungsbestimmungen aus der Zeit nach 2009 teilweise abgeschafft werden (z. B. durch die Gesetzgebung der Trump-Regierung), werden sie ohnehin durch die Entwicklung alternativer Möglichkeiten der Kreditbereitstellung umgangen. So haben z. B. Vermögensverwaltungsgesellschaften wie BlackRock die Investmentbanken als die wichtigsten Akteurinnen bei der finanziellen Unterfütterung großer Deals ohne viel Regulierung in den Schatten gestellt. Wie die Turbulenzen an den Finanzmärkten im Februar und März um mehrere politische und wirtschaftliche Ereignisse herum zeigten, haben die Schwankungen an den Finanzmärkten und die Stressindikatoren (z. B. spezifische Zinsdifferenzen) wieder zugenommen. Die Möglichkeit einer neuen Finanzkrise, insbesondere am Ende des Zyklus, ist also nicht geringer geworden.
Eine der wichtigsten Fragen für die weitere Entwicklung ist die Klärung des Welthandelsregimes oder allgemeiner die der künftigen Weltwirtschaftsordnung. Die Ankündigung von Zöllen auf Stahl und Aluminium für Importe in die USA durch die Regierung Trump hat die Möglichkeit eines erweiterten Handelskrieges und der Abschaffung des WTO-basierten Handelsregimes eröffnet. Im Gegensatz zu dem, was Trump der Welt erzählt, hatten die USA tatsächlich lange Zeit von der bestehenden Handelsordnung profitiert (sogar von den enormen Handelsdefiziten seit einigen Jahrzehnten). Das Problem ist in der Tat, dass die Ursachen, die die USA vom System profitieren ließen, die Konkurrenz zu den USA gestärkt und auch die Position des US-Kapitals geschwächt haben, um diese Vormachtstellung in der Zukunft sehr lange halten zu können. Dies ist der wahre Grund für die Bestrebungen einiger Teile der US-Bourgeoisie (die hinter der Trump-Administration stehen), das bestehende Handelsregime in Frage zu stellen. Ihr Hauptangriffsziel ist in der Tat China, gefolgt von einem möglichen EU/Russland-Block unter deutscher Führung als zweitem Kandidaten.
Es stimmt zwar, dass die USA im Moment ein jährliches Handelsbilanzdefizit von 800 Mrd. Dollar einfahren, doch wird dieses andererseits aufgewogen durch einen Überschuss im Dienstleistungssektor (250 Mrd.), einen Nettoeinkommenszufluss (v. a. Profite) von 150 Mrd. und einen Nettokapitalinvestitionszustrom (400 Mrd.). Die beiden letzten Phänomene bedeuten, dass auf der einen Seite „die Welt“ (besonders China, Japan und Deutschland) gewillt ist, zur Finanzierung der US-Importe (ihrer Exporte) massiv Kredit zu gewähren. Zum anderen sind die USA gleichzeitig eine/r der wenigen Borger*innen, der/die zugleich eine/n der größten Empfänger*innen von Profiten und Zinseinkünften aus dem Ausland darstellen. In gewissem Sinn funktioniert das US-Modell wie eine gigantische Investmentbank: zu niedrigem Zinsfuß borgen und zu viel höherem ausleihen.
Internationales Währungssystem und Konkurrenz
Offensichtlich basiert diese profitable Position des US-Kapitals auf seiner Rolle als Welthegemon, als Zentrum der Finanzmärkte, als Dominator des auf Regeln beruhenden Welthandels und nicht zuletzt als Eigentümer der zentralen Weltreservewährung Dollar. Mit dem Zusammenbruch von Bretton-Woods in den frühen 70er Jahren kann man pointiert sagen, dass das Weltwährungssystem endlich vom Goldstandard zum System einer „US-Goldkreditkarte“ übergegangen ist. Ausgehend von den großen Auslands-Dollar-Vermögenswerten der Rohstoffexporteure („Petrodollars“) entwickelte sich das Währungssystem zu einer Beziehung, in der ein wachsender Anteil des Dollars durch US-Auslandsverschuldung gestützt wird. Auf diese Weise beruht das ganze System auf dem Vertrauen in die große „Kreditkarte“ der USA, indem es die Geldexpansion auf Weltebene auf die steigenden Defizite der USA aufbaut (nicht nur die Handelsdefizite; die USA sind mit Abstand die größte Schuldnerin mit mehr als 8 Billionen Dollar) und schließlich auf das Vertrauen, dass das amerikanische Finanzsystem bei Bedarf auch liquide sein wird.
Gläubiger der USA
Die Hauptgläubiger*innen der USA sind China, Japan und mehrere EU-Staaten. Die berühmten 3 Billionen Dollar, die China als Währungsreserve hält, sind für das Land nicht nur positiv. Tatsächlich wird ein großer Teil des Überschusses, den China erzielt, unproduktiv in diesen Reserven angesammelt. Einer der wichtigsten positiven Effekte für China besteht darin, die Währung stabil zu halten und sie gegen Kapitalabflüsse sowie gegen Aufwertungsdruck zu verteidigen. Für viele Länder ist die riesige Menge an Dollarreserven, die sie halten müssen, eine große Belastung für ihre Entwicklung, die sie zum Zwecke der Stabilität in Kauf nehmen müssen. Man sieht die Auswirkungen daran, dass aus politischen Gründen Länder wie die Türkei und Argentinien ihre Dollarreserven viel stärker reduziert haben als andere – und das Problem sofort in ihrer neuen Wirtschaftslage spüren.
Kein Wunder, dass es mehrere Gründe und verschiedene Bestrebungen gibt, die „US-Goldkreditkarte“ loszuwerden. Seit einiger Zeit sind der Euro und der Yen in der Tat zu Ersatzwährungen aufgerückt und erhalten einen stetig steigenden Anteil. Nicht nur im Zusammenhang mit Abkommen mit der Initiative Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) versucht auch China, den Yuan (Renminbi) als Ersatzwährung zu fördern und damit die unproduktive Masse an Dollarreserven abzustoßen. Der Trend ist hier sehr deutlich und beängstigend für die US-Vorherrschaft: Während in den 1990er Jahren noch drei Viertel der Weltreserven in US-Dollars bestanden, ist dieser Anteil heute auf unter 65 % gefallen, mit einem klaren Trend zum Ende der Dollar-Dominanz.
Aber nicht nur der Dollar ist in Gefahr. Die angenehme Rolle eines größten Weltschuldners und Herrschers der Finanzmärkte hat die US-Dominanz in wichtigen Industriesektoren untergraben. D. h. die Verlagerung vieler Branchen nach China, Japan oder Europa birgt in der Tat die Gefahr, dass sich diese Wettbewerber*innen in der „Wertschöpfungskette“ auch in Wirtschaftszweigen klettern, die den USA vorbehalten schienen.
Aufholen der Konkurrenz
Auch in der IT- und Hightechbranche spüren US-Unternehmen inzwischen den Atem des Drachen – Bedrohung für die nationale Sicherheit! Eine der gewinnbringendsten Maßnahmen der Globalisierungsphase war die Entwicklung großer internationaler Liefer-/Produktions-/Handelsketten, der so genannten Wertschöpfungsketten. Der Welthandel hat Produktions-/Logistik-/Entwicklungskapazitäten intensiv über die Grenzen hinweg vernetzt, nicht nur extensiv. Die deutsche Automobilindustrie hat ihre Hauptproduktionsstandorte in den osteuropäischen Ländern und verbindet sie eng und zeitnah (just in time) mit den zentralen Werken in Deutschland selbst. Die Krise von 2008/2009 konnte einige dieser Wertschöpfungsketten nur kurz unterbrechen. Insbesondere die deutschen und chinesischen Industriekomplexe haben diese Wertschöpfungsketten in den letzten Jahren erweitert. Mit dem chinesischen Projekt der neuen „Seidenstraße“ besteht sogar eine strategische Möglichkeit, die Lieferketten dieser beiden regionalen Blöcke zu verbinden. Ein weiteres Element besteht im Potenzial der russischen Energiekomplexe als wichtigem Lieferanten von Gas und Öl für diese beiden Blöcke (siehe die Sorgen der USA über die neuen Gasleitungen von Russland nach Deutschland).
Die US-Industrie ist in diesem Wettbewerb um das Knüpfen effektiver Wertschöpfungsketten zurückgefallen. Ihr bisheriges Hauptprojekt war der NAFTA-Block. Da dies seine Grenzen im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem China- und dem deutschen Block zeigt, versucht die Trump-Administration offensichtlich, Kanada und Mexiko zu Abkommen mit weiter verschlechterten Bedingungen zu zwingen. Ein weiteres Ziel der US-Bourgeoisie ist die Aufhebung der Beschränkungen, direkt in China zu investieren und das Land mit US-Investitionen zu durchdringen. Das würde es ihr ermöglichen, ihre bereits bestehenden Lieferketten, z. B. in der IT-Branche, unter ihrer direkteren Kontrolle auszubauen. Beide Projekte können nur unter hohem politischen Druck erreicht werden.
All diese Faktoren erklären, warum das US-Kapital derzeit offen als aggressiver Imperialist agieren muss, wobei Trump als Präsident die geeignetste Figur ist, diese Rolle zu verkörpern. Es muss auch einen enormen inneren Widerstand überwinden. Der Handelskrieg, den Trump jetzt führt, trifft auch die US-Industrie stark. Die Zölle auf Aluminium wirken wie eine Steuer auf eine große Menge von Produkten (97 % der Aluminiumindustrie in den USA verarbeitet tatsächlich importiertes Aluminium). Die Vergeltungszölle werden ebenfalls wehtun. Ein vollständig ausgeweiteter Handelskrieg wird in der Tat bald den Welthandel verringern und die gegenwärtige Erholung treffen, wobei der IWF eine um 1 % geringere Wachstumsrate erwartet. D. h. die Maßnahmen könnten bald zu einem Zusammenbruch des Zyklus und zu einer neuen Rezession führen. Das wird die Teile der US-Bourgeoisie, die hinter der aggressiven Politik stehen, nicht einschüchtern: Sie werden dies als ein notwendiges Übel betrachten, das die US-Konkurrent*innen am meisten treffen und die USA wieder in eine Position bringen wird, in der sie die Regeln des Welthandels und der Kapitalströme diktieren können.
Die Katastrophe des G7-Gipfels in Kanada, das Fehlen eines Kompromisses bei den Zollstreitigkeiten sowie die internationalen Turbulenzen um den Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen (das zu schweren Wirtschaftssanktionen z. B. gegen europäische Unternehmen wie Airbus führen könnte) – all dies bedeutet, dass wir in eine heiße Phase politisch/wirtschaftlich scharfer Kontroversen zwischen den USA und dem Rest der Welt eintreten. Im Moment ist nicht klar, ob, wie und bis zu welchem Grad die anderen Imperialist*innen zusammenarbeiten werden, um der US-Aggression zu begegnen. Es könnte einige geben, die versuchen, den Konflikt zu beruhigen und spezielle Vereinbarungen zu treffen (wie es Australien bereits getan hat). Deutschland versucht nach wie vor zu verhandeln und die aggressivere französische Linie zu mäßigen (Angst vor Zöllen auf deutsche Autos). Auch China und Japan scheinen einen offenen Konflikt noch zu vermeiden. Kanada und Mexiko werden an vorderster Front stehen, da sie unmittelbar vom NAFTA-Streit betroffen sind. So könnte es Trump am Ende gelingen, seine Agenda durchzusetzen, indem er alle anderen spaltet, bevor der Handelskrieg wirklich eskaliert. Auf der anderen Seite war Trumps Umkippen des G7-Gipfels keine kluge Tat. Zusammen mit dem Treffen der SOZ könnten sich die USA einer weitaus größeren Anti-US-Front gegenübersehen, als sie vielleicht gedacht haben. Vielleicht sind wir Zeugen des Anfangs des Endes der US-Hegemonie, mit Trump als ähnlichem Sinnbild wie ein dekadenter römischer Kaiser.