Nach dem Journalistenmord: Krise der Sozialdemokratie in der Slowakei

von Andrej Deckard

Der Mord am Journalisten Jan Kuciak hat die slowakische Regierung dazu gezwungen abzutreten, was aus diesem Ereignis eines der wichtigsten in der Politik der Slowakischen Republik macht. Wie überall in Europa leidet unter den Auswirkungen der kapitalistischen Krise mitsamt gesellschaftlichem Rechtsruck vor allem die Sozialdemokratie, die die größte Partei in der jetzigen Koalitionsregierung ist.

Die slowakische Sozialdemokratie (Smer) ist im europäischen Vergleich eine der stärksten sozialdemokratischen Parteien in der Europäischen Union. Bei den Wahlen 2012, als sie ihr bisher bestes Ergebnis erreichte, schnitt sie mit 44 % deutlich besser ab, mit einer Zahl, die die meisten sozialdemokratischen Parteien lange nicht mehr erreichen konnten. Sie ist als Partei in ihrer ökonomischen Politik im Vergleich zu westeuropäischen sozialdemokratischen Parteien verhältnismäßig links anzusiedeln während das sozialchauvinistische Element (die nationalistische Spaltung der Arbeiter*innenklasse) weit stärker ausgeprägt ist. Hier schlägt sie auf die reaktionäre Note – sie spricht sich gegen Migration, LGBT Rechte und andere unterdrückte Gruppen wie bspw. Roma aus. Dies ist vor allem auf die weit verbreiteten reaktionären Positionen und Rassismus in der slowakischen Gesellschaft zurückzuführen. Zwei Drittel aller Bürger*innen hätten ein Problem mit einem Roma Nachbarn (ähnlich schlimme Zahlen gibt es auch im Verhältnis zu jüdischen, muslimischen oder schwarzen Menschen). In den letzten Wahlen im Jahr 2016 gab es aber für die Smer einen wesentlichen Abfall an Stimmen. Sie verlor ein Drittel ihrer Stimmen und stürzte auf 28 % ab, was vor allem mit einer Stärkung der rechten und faschistischen Kräfte in der „Flüchtlingskrise“ einher ging.

Korruptionsvorwürfe

Der Mord an Jan Kuciak verursachte wegen seiner Reportage über die Machenschaften der italienischen Mafia in der Slowakei, die gewisse Verbindungen zur Regierung und (über eine Beraterin) zum Ministerpräsident hätte, eine Welle von Empörung in den bürgerlichen Parteien und der bürgerlichen Presse. Die Sozialdemokratie ist nach 10 Jahren Regierung (mit 2-jähriger Unterbrechung) eine von der bürgerlichen Gesellschaft verhasste Partei, mit dem Hass konzentriert gegen den jetzt ehemaligen Prämierminister Fico. Diese Hass- und Oppositionskampagne wird vor allem von den bürgerlichen Medien organisiert und basiert vor allem auf Vorwürfen der Korruption. Korruption war bis jetzt das größte Thema in der slowakischen Politik. Der Mord von Jan Kuciak wurde deshalb gleich von den bürgerlichen Parteien und Medien für eine Anti-Fico Kampagne genutzt, mit dem Resultat der größten Proteste seit der Samtenen Revolution von 1989. Diese Proteste werden von drei Student*innen unter dem Motto „Für eine anständige Slowakei” organisiert, die eine sehr klare Orientierung auf Neuwahlen legen, in denen wahrscheinlich die heutige Regierungskoalition nicht mehr zustande kommen könnte und die bürgerlichen Kräfte eine Regierung ohne die bürgerliche Arbeiter*innenpartei Smer aufstellen könnten. Die Verantwortung für den Mord wird in der slowakischen Gesellschaft und in den bürgerlichen Medien als zuverlässig dem Ministerpräsident zugeschrieben, und wenn nicht, dann wenigstens in Form von moralischer und indirekter Schuld.

Der Druck der Proteste und der Medien, von denen beide teilweise zu einem Sturz der Regierung aufgerufen haben, haben den Rücktritt von Fico und der Regierung verursacht und die Bildung einer neuen Regierung ohne den alten Ministerpräsident, Innenminister, Justizminister und anderen, aber immer noch mit der Sozialdemokratie als der größten Regierungspartei. Der „Umsturz” der Regierung soll mittlerweile durch legale Wege passieren, also durch eine Einberufung von vorgezogenen Neuwahlen, die durch ein Volksbegehren ermöglicht werden sollen.

Risiken und Chancen

Der Weg von hier aus ist klar: In den nächsten Wahlen, wann immer die auch stattfinden werden, drohen die offen bürgerlichen Parteien zu gewinnen und die nächste Regierung aufzustellen. Die liberale SaS (Freiheit und Solidarität), die bei den letzten Wahlen 12 % erreichte und in aktuellen Umfragen bei 16 % steht, könnte stärkste Kraft werden. Auch andere ultrarechte konservative Kräfte, wie die Slowakische Nationalpartei (SNS), , könnten gestärkt aus den nächsten Wahlen hervorgehen. Eine ähnlich reaktionäre, neoliberale Regierung ist zu erwarten, ähnlich wie in allen Nachbarstaaten – der Tschechischen Republik, Polen, Ungarn, Ukraine und Österreich. Folgen würden alle Konsequenzen – Privatisierungen, Sozialabbau, Prekarisierung und Arbeitszeitflexibilisierung, kombiniert mit rassistischer und sexistischer Hetze und Repression.

Die Arbeiter*innenklasse kann also nicht einfach auf die bürgerlichen Kampagnen gegen die Smer aufspringen. Sie braucht eine unabhängige Stimme, die bürgerliche Politik samt der Korruption der Smer ankreidet, gleichzeitig vor den Plänen der SaS und der SNS warnt und die Krise der Sozialdemokratie für eine proletarische politische Alternative ausnutzt. Eine solche Alternative kann konsequenter Weise nur eine neue Arbeiter*innenpartei zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus sein. Mit der Arbeit für eine solche Partei muss man schon heute beginnen mit der Ausarbeitung eines revolutionären Programms für die Slowakei und dem Aufbau einer klaren kommunistischen Organisation.