von Michael Märzen
Am 18. März fand die Präsidentschaftswahl in Russland statt und kaum jemand war von dem Ergebnis überrascht. Wladimir Putin erreichte 76,69 % der Stimmen und tritt damit seine vierte Amtszeit als russischer Präsident an. Wir werfen einen Blick auf die Herrschaft Putins, die wichtigsten Oppositionskräfte dieser Wahl und die Herausforderungen des russischen Kapitalismus.
Das System Putin
Putins Machtaufstieg wurde, dem Willen der Herrschenden statt dem des einfachen Volkes entsprechend, von seinem Vorgänger Boris Jelzin ermöglicht. Dieser machte ihn im August 1999 vom Direktor des Inlandsgeheimdiensts FSB zum Ministerpräsidenten und erklärte ihn zu seinem Nachfolger.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das politische System Russlands in einer tiefen Krise. Der Prozess der kapitalistischen Restauration, eingeleitet durch die stalinistische Bürokratie selbst, war ein chaotischer und langer. Die Wirtschaftsleistung in den 90er Jahren brach um über 40 % ein, fast die Hälfte der Bevölkerung verarmte, während sich gleichzeitig eine kleine Minderheit mit guten Verbindungen zur Regierung bei den Privatisierungen schamlos bereicherte, Milliarden aus dem Land schaffte und das politische Leben dominierte. Im August 1998 traf das Land eine Finanzkrise und damit eine scharfe politische Krise, in der Jelzin um seine Macht fürchten musste. Die kommunistische Partei und die nationale Gewerkschaftsföderation riefen zum Generalstreik auf und zum Sturz des Präsidenten.
Putin war auserkoren worden, durch einen autoritären Kurs mit der instabilen Herrschaft aufzuräumen. In seiner neuen Rolle gehörte zu einer seiner ersten Handlungen ein „Krieg gegen den Terror“ vor dessen Hintergrund er sich nach Jelzins Rücktritt zum Präsidenten wählen ließ. Putin musste die Oligarchie zügeln und ihren politischen Einfluss zurückdrängen um die Macht zu zentralisieren und die Wirtschaft durch den Staat zu stützen. Die Kapitalist*innenklasse musste zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft einen Teil ihrer politischen Macht abgeben, zugunsten eines besonderen Teils des Staatsapparats, dem Geheimdienst. Das System Putin ist seither ein autoritäres und korruptes System mit starken bonapartistischen Zügen.
Opposition?
Putin hat auch eine Partei, auch wenn der Präsident selbst natürlich kein Mitglied ist. „Einiges Russland“ ist eine Sammlung von Politiker*innen und Beamten, ohne ausgefeilte Programmatik, zur Unterstützung der Regierung und des Präsidenten. Es gibt aber auch andere Parteien und eine mehr oder weniger ernst zu nehmende Opposition.
Die stärkste Partei abseits von „Einiges Russland“ ist die „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“. Die KPRF (bei der Präsidentschaftswahl 6,9 %) ging aus der KPdSU hervor, gibt sich aber nach außen hin stalinistischer als ihre Vorgängerin. Zusätzlich vertritt sie klar nationalistische, pro-imperialistische und homophobe Positionen und geht in den allermeisten Fragen mit der Regierung. Der Parteiführer Sjuganow ist der Auffassung, dass sich der Klassenkampf in einen Kampf der Zivilisationen entwickelt habe und ist bekennendes Mitglied der orthodoxen Kirche. Die KPRF ist also weder eine marxistische Kraft, noch eine ernsthafte Opposition.
Nicht wenig Bedeutung hat auch die weit rechts stehende „Liberaldemokratische Partei“ von Wladimir Schirinowski (5,7 %). Weit mehr Aufmerksamkeit als KPRF und LDPR erhalten in den westlichen Medien allerdings liberalere Kräfte, obwohl sie nur sehr wenig Bedeutung haben. An erster Stelle ist hier Alexei Nawalny zu nennen. Der Rechtsanwalt macht seit einiger Zeit gegen das Putin-Regime mobil, auch auf der Straße mit Demonstrationen. Sein Hauptthema ist Korruption, ein klares Programm hat er nicht und natürlich ist auch er Nationalist. Nawalny wollte bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren, wurde wegen einer früheren Verurteilung aber nicht zugelassen. Statt dessen kandidierte Xenija Sobtschak (1,3 %). Nawalny hieß das nicht gut denn er sah in dieser Kandidatur einen Schachzug Putins um seine Anhänger*innen zu mobilisieren und die Opposition zu spalten. Der Verdacht besteht nicht ohne Grund, immerhin ist Sobtschak die Tochter des (verstorbenen) politischen Ziehvaters von Wladimir Putin.
Russischer Imperialismus
In Russland hat man trotz des Zusammenbruchs der Sowjetunion die eigenen Großmachtambitionen nicht aufgegeben und lebt diese heute, wie das Engagement in Syrien zeigt, wieder verstärkt aus. Putin hat den Kampf um die Neuaufteilung der Welt aufgenommen, auch wenn Russland noch ein schwacher „Global Player“ ist. Auf diesen Erfolg kann sich sein Regime weiterhin politisch stützen, doch die Unsicherheiten nehmen wieder zu. Die Konjunktur wurde durch die Finanzkrise und 2015 durch den fallenden Ölpreis und die westlichen Wirtschaftssanktionen hart getroffen. Viele osteuropäische Länder wenden sich der EU und der NATO zu. Um dem eigenen imperialistischen Anspruch gerecht zu werden musste die Schwächung der US-Vorherrschaft und die Krise der EU zur Einflusserweiterung genutzt werden. Das hat die Spannungen zum Westen drastisch verschärft. Die Widersprüche der imperialistischen Weltordnung treten schärfer hervor. Wenn angesichts dessen die Arbeiter*innenklasse beginnt aufzubegehren, dann wird es auch mit dem System Putin rasch zu Ende gehen.