#metoo: Möglichkeiten und Grenzen im Social Media

#metoo hat einen Aufschrei ausgelöst. Über Social Media wurden immer mehr Menschen laut und äußerten sich zu Vorfällen von sexualisierten Grenzüberschreitungen, um auf die Häufigkeit und die Systematik dieser Vergehen, speziell gegen Frauen, hinzuweisen. Der Beginn dieses „Trends“ ist auf die Vorwürfe von einigen Personen in Hollywood zurückzuführen, die sich gegen den Regisseur und Produzenten Harvey Weinstein zur Wehr setzten. Er hatte über Jahre hinweg Frauen sexuell bedrängt, genötigt und belästigt. Mit der Kampagne trauten sich immer mehr Betroffene an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Geschichten ebenfalls zu teilen. Diese Bewegung kam auch in Österreich an und hinterließ dort ihre Eindrücke und Spuren.

Causa Österreich

Der Hashtag zur Kampagne.

#metoo wurde anfangs belächelt, angefeindet aber auch als kleine Erinnerung wahrgenommen, dass Gleichberechtigung leider immer noch weit entfernt ist. Aber die Auswirkungen, die diese Kampagne und die Frauen die sich ihr anschlossen, dann tatsächlich hatten, überstiegen alle Erwartungen. Zuerst wurde Peter Pilz vorgeworfen mehrmals Frauen sexuell belästigt zu haben. Die Antworten darauf waren ambivalent. Auf der einen Seite würde man die Vorwürfe aufarbeiten, auf der anderen gehe eine Hetzjagd gegen ihn vor. Einerseits könne er sich an nichts erinnern, andererseits entschuldige er sich vielmals. Was wohl wirklich klar an der Geschichte ist sind zwei Dinge: Erstens zieht sich Peter Pilz als Listenerster erstmal zurück und zweitens scheinen jene Frauen, die Vorwürfe gegen alte weiße Männer erheben, schlimmer zu sein, als die, denen die Taten vorgeworfen werden. Die andere Entwicklung war rund um den Skisport zu finden, wo speziell in Tirol sexuelle Belästigung eine stumm tolerierte Alltagserscheinung war. Mehrere Vergewaltigungen und heftige Grenzüberschreitungen wurden in den letzten Monaten, wie es scheint zum ersten Mal, erwähnt. Dass es ausgerechnet einen Twitter Trend braucht, damit offensichtlich schon lang bekannte Missstände endlich mal im größeren Ausmaß aufgegriffen werden, sagt vermutlich viel über unsere Gesellschaft aus.

Alltagssexismus und die armen Männer

So weit so schlecht. Aber was ist abgesehen von diesen offensichtlichen Auswirkungen der Vorteil, den dieser Hashtag mit sich bringt? Und was sind eigentlich die Nachteile? Bewirkt #metoo nicht, dass „echte“ sexuelle Grenzüberschreitungen (wie Vergewaltigungen und ähnliches) verharmlost werden? Und ist es nicht auch ein Problem sexualisierte Grenzüberschreitung zu einem rein weiblichen Problem zu erklären? Werden nicht Männer dadurch exkludiert und als reine „Täter“ dargestellt?

Auf diese Vorwürfe an die Bewegung kann man nur mit NEIN antworten. Es gibt ein Wort das beschreibt warum gerade zwei Aspekte wichtig sind für eine Bewegung gegen sexuelle Belästigung nämlich: Alltagssexismus. Es liegt eine systematische Unterdrückung zugrunde, wenn es um Frauen geht und das schon seit Jahrtausenden. Diese Unterdrückung hat sich mit der Zeit gewandelt, und deshalb auch immer neue Erscheinungsformen angenommen. Zwar können Frauen im 21. Jahrhundert in einigen Teilen der Welt um vieles selbstbestimmter Leben als früher, aber ihre Unterdrückung hat damit nicht aufgehört. Sie tritt vielmehranders und versteckter auf.

Wenn man nicht anerkennt, dass es auch sexuelle Belästigung ist, einer Person sexistische Sprüche auf der Straße zuzurufen, dann hat man Antisexismus nicht verstanden. Speziell Frauen sind solchen Dingen tagtäglich ausgesetzt, es wird ein Klima geschaffen in dem solche Dinge toleriert und oft sogar gefördert werden (z.b. durch männliche Rollenbilder). Das bedeutet nicht, dass Männer nicht auch von sexueller Belästigung betroffen sind. Es heißt nur, dass der Grund für diese Übergriffe (die in der allergrößten Mehrheit von Männern selbst begangen werden), ein systematischer ist, der untrennbar verzweigt ist mit der Unterdrückung der Frau. Sexismus trifft nicht nur Frauen, sondern kann auf fast alle Menschen negative Effekte haben, auch wenn die Unterdrückung eine systematische gegenüber den Frauen ist.

Grenzen der „Bewegung“

Das heißt aber nicht, dass #metoo ohne Fehler ist. Ganz im Gegenteil – etwas sehr Wichtiges wurde nämlich vergessen zu beachten. Die Wurzel von Alltagssexismus und Diskriminierung liegt im vorherrschenden Wirtschaftssystem, im Kapitalismus. Deshalb ist es nicht nur eine Frage von Diskriminierung der Frau, sondern eine Frage von Klasse gegen Klasse. Unterdrückungsmechanismen haben nur so lange Nährboden, als sie gebraucht werden und man braucht sie sehr dringend momentan. Wenn man nicht ständig von der Ausbeutung und der unfairen Behandlung der Mehrheit durch eine reiche Minderheit ablenken und Spaltungen produzieren würde, könnten Menschen ja anfangen gegen ihre Lebensbedingungen zu rebellieren.  Genau hier liegen die Grenzen der Kampagne. Wir dürfen uns nicht auf das Aufzeigen von Sexismus beschränken sondern müssen das Problem an der Wurzel packen, am Kapitalismus.