Mit unserer 250. Ausgabe der Zeitung “Arbeiter*innenstanpunkt” wollen wir einen kleinen Rückblick in die Geschichte unserer Organisation machen. Die Gruppe Arbeiter*innenstandpunkt hat eine bewegte Zeit hinter sich, mit vielen Auf- und Abschwüngen und programmatischen Errungenschaften.
Kampfbund (KB)
Die Gründungsgeschichte des AST geht unter anderem auf den Genossen Josef Frey zurück, einen der wichtigen österreichischen Trotzkisten der Zwischenkriegszeit, der aber nicht Mitgliedder IV. Internationale wurde und der in den30er Jahren eine größere Gruppe in Österreich aufbaute,1938 aber in die Schweiz emigrieren musste. Kurz nach dem 2. Weltkrieg versammelten sich einige Genoss*innen der einstigen Frey-Gruppe und gründeten die Organisation „Kampfbund“ (KB) in Wien. Da es für Trotzki*innen damals auch wegen der stalinistischen Roten Armee sehr gefährlich war, musste im Geheimen gearbeitet werden.
Mit dem Beginn des Kalten Krieges 1947 kam es sowohl in den USA, als auch in Österreich zur Hetze gegen Kommunist*innen. Die politische Arbeit war gefährlich, aufreibend und die Resultate überschaubar. Die Sektion der IV. Internationale hatte damals rund 150 Genoss*innen, die sich mit ihrer Taktik des „Entrismus besonderer Art“ heimlich und leise in der SPÖ als brave Funktionär*innen versteckten und oft als Revolutionär*innen für immer verschwanden. Der KB konnte sich als trotzkistische Gruppe erhalten, aber nur wenigeFortschritte machen und war eine Organisation von 15-18 Leuten. Aber sie wurde immer mehr demoralisiert und versäumte es die Entwicklungen der 68er Bewegung zu verstehen.
KB-Jungendgruppe
Die Kinder der Kampfbund-Genoss*innen arbeiteten Mitte der 1950 Jahre als Lehrlinge, aber sie waren auch Mitglieder des KBs. Sie konnten aber in ihren Betrieben keine politische Arbeit machen, da damals die große Mehrheit der Arbeit*innen SPÖler*innen waren, die gegen die Kommunist*innen geimpft waren. Einer der Jugendlichen besuchte 1959 eine Höhere Schule und konnte zum ersten Male außerhalb der Gruppe politisch diskutieren und ein junges Mitglied und zwei Sympathisanten für den KB gewinnen. Das war ein toller Erfolg für den KB. Ab 1963 gab es mehr und mehr Diskussionen bei Schüler*innen und Student*innen, die jungen Genoss*innen organisierten einen politischen Jugendclub mit bis zu 18 jungen Mitgliedern des KB und Sympathisant*innen und eine Jugendzeitung Arbeiterstandpunkt. Es war das erste mal, dass die KB-Genoss*innen außerhalb der Gruppe offen diskutieren konnten.
Internationale Kommunistische Liga (IKL)
Ab1973 gab es Umgruppierungen in der Linken weltweit und auch in Österreich, in erster Linie unter Schüler*innen und Student*innen. Zwei junge Genoss*innen des KBs beteiligten sich daran. Die Revolution 1974 in Portugal und die Ölkrise 1973 waren wesentliche Entwicklungen dieser Zeit. 1975/6 wurde die IKL gegründet. Die Mitglieder waren junge Ex-Mitglieder der Gruppe Revolutionärer Marxisten (IV. Internationale), Verband marxistischer Arbeiterjugend VMA, Maoist*innen und acht ehemalige Genoss*innen des KBs. Von Anfang an suchte die IKL internationale Kontakte und vereinigte sich mit dem deutschen Spartacusbund, einer Abspaltung der IV. Internationale.
Bergarbeiterstreik in Großbritannien
Die IKL hatte seit 1983 Kontakt mit Workers Power (WP), einer trotzkistischen Gruppe in Großbritannien. Der große Bergarbeiterstreik 1984/85 war eine Bewährungsprobe für die Linke in Britannien, aber auch in Europa und Workers Power konnte sich in dieser Situation zu bewähren. Einige Genoss*innen der IKL besuchten immer wieder WP und die Miners und auch eine Solidaritätsveranstaltung in Österreich wurde organisiert. Es gab lange Diskussionen mit den Kumpels und Workers Power und einige Genoss*innen der IKL waren von dieser Politik beeindruckt.
Bewegung für eine revolutionäre kommunistische Internationale (BRKI)
WP hatte schon 1984 mit der Irish Workers Group (IWG), der deutschen Gruppe Arbeitermacht (GAM) und der französischen Pouvoir Ouvrier (PO) eine internationalen Zusammenhang gegründet, die BRKI. Auch einige Genoss*innen der IKL waren dafür sich der BRKI anzuschließen, denn bei vielen politischen Positionen gab es Übereinstimmung.
Arbeiterstandpunkt (AST) Gründung
Bei der IKL-Konferenz 1985 war nur eine Minderheit bereit, in der BRKI mitzuarbeiten. Die wesentlichen politische Differenzen waren das Verständnis von WP von Reformismus und der Wahltaktik. Die Minderheit der IKL gründete eine neue Organisation, den Arbeiterstandpunkt. In diesem waren nur fünf Genoss*innen, davon vier aus dem KB. Entscheidend war für sie, dass sie sich schon 1985 in die Diskussionen der BRKI einbringen konnten, denn als Fraktion in der IKL hatte sie alle Diskussionen bezüglich der Positionen der BRKI geführt. In dieser Zeit wurde in der BRKI zwei Jahre emsig diskutiert um ein gemeinsames Programm, das zukünftige Trotzkistische Manifest, zu erarbeiten. Der Erkenntnisgewinn dieser Diskussionen war auch für den jungen AST sehr wichtig.
Wir haben 1987 beim Hochschulstreik sehr gut interveniert und konnten die Gruppe stärken. Außerdem gab es 1989 einen deutlichen Zugewinn durch die Fusion mit der Sozialistischen Alternative Salzburg (SOAL, Nachfolgerin der ausgeschlossenen VSSTÖ-Ortsgruppe1). Diese bedeutete nicht nur eine Steigerung der Mitgliedszahlen sondern dehnte den AST auch über Wien hinaus aus. Zusätzlich zu der Ortsgruppe in Salzburg konnten auch Kontakte und ein Mitglied in Linz gewonnen werden. Damals wurde auch der Name in „ArbeiterInnenstandpunkt“ geändert.
Liga für eine Revolutionäre Kommunistische Internationale (LRKI)
1989 war der Gründungskongress der LKRI. Neben WP, IWG, GAM, PO und AST nahm eine Gruppe aus Peru teil. Mit den Genoss*innen aus Lateinamerika war es möglich, eurozentristische Fehler zu korrigieren. Die Liga wurde mit einem internationalen demokratischen Zentralismus aufgebaut, es gab eine internationale Leitung und Mehrheitsrecht. Dieser 1. Kongress war ein wichtiger Schritt nach vorne.
Entwicklung des AST
Der Höhepunkt des AST war 1991, mit ca. 30 sehr guten Genoss*innen. Der AST war damals nach WP die größte Sektion der LRKI. Es wurde eine Jugendgruppe gegründet und dann auch eine Betriebsgruppe aufgebaut. Wichtig dafür war auch die konsequent antiimperialistische Position des AST im Golfkrieg und die Intervention bei den Protesten dagegen.
1992 kam es zur Gründung der Jugendorganisation Internationalistische Aktion (intakt) die in enger Zusammenarbeit und politischer Solidarität mit dem AST stand und später, infolge einer Spaltung im AST, 1994 zu „Contra – für Revolution“ umbenannt wurde. Seit 1998 gehört sie als REVOLUTION einer internationalen Jugendorganisation an und besteht als solche bis heute weiter.
Der AST war Ende der 80er Jahre bzw. Anfang der 90er Jahre sehr gefestigt, aber in Österreich gab es kaum Klassenkampf, es herrschte eine Friedhofsstille. Daher übernahm der AST für die LRKI viele Aufgaben außerhalb Österreichs. Schon bald gingen mehrere Genoss*innen des AST nach Russland um die Situation zu studieren und Kontakte zu machen. Das war eine sehr interessante und informative Aufgabe, auch wenn wenige gute Kontakte gewonnen werden konnten. Ein Genosse des AST ging ein Jahr nach Lateinamerika und konnte aus vorhandenen Kontakten eine Gruppe in Bolivien gründen und die Sektion in Peru stärken.
Nach ersten Versuchen, Kontakte in Ostdeutschland aufzubauen, gingen auch drei Genossen des AST für 7 bis 12 Monate in die damalige DDR und konnten eine Gruppe gründen, die später mit der kleinen westdeutschen Sektion fusionierte. Darauf übersiedelten vier Genossen des AST nach Deutschland und gemeinsam mit den dortigen GAM-Genoss*innen wurde sie eine sehr kräftige Sektion aufgebaut. Heute ist die GAM für die LFI eine der wichtigsten Sektionen.
Für AST und LRKI war dieser kalkulierte Aderlass auch gefährlich, was auch damals diskutiert wurde. Aber insgesamt war es notwendig, im Kernland Europas eine größere Gruppe zu haben und deshalb die Schwächung der österreichischen Sektion in Kauf zu nehmen.
In den 90er Jahren war die Außenarbeit des AST neben der Intervention in die Student*innenproteste 1996 insbesondere von Betriebsarbeit bei der Post, in Berufsschulen und Finanzämtern geprägt. Geschwächt wurde er aber empfindlich durch die Spaltung 1994 aus der die Arbeitsgruppe Marxismus (AGM) hervorging, die auch die Jugendorganisation stark beeinträchtigte.Im Laufe der Jahre war der AST immer wieder auch von Spaltungen betroffen, so zum Beispiel um die Einschätzung der Periode. Die Jahre 2000-2007 waren für den AST, wie für alle linken Organisationen, stark vom Kampf gegen die schwarz-blaue Regierung geprägt.
Im Jahr 2007 kam es zur Umbenennung des AST in Liga der sozialistischen Revolution (LSR), die nach einer Spaltung mit der damaligen Führungsriege um Michael Pröbsting (heute RKOB) im Jahr 2011 wieder rückgängig gemacht wurde. Die Schulstreiks 2009, die maßgeblich von der Jugendorganisation REVOLUTION wurden, waren ein großer Erfolg für beide Organisationen.
Auch wenn der Versuch einer Fusion im Jahr 2015 mit der Gruppe Herzschlag, einer Abspaltung des Arbeiter/innen/kampfs, letztlich scheiterte, so muss doch anerkannt werden, dass jede Fusion und Spaltung ein sehr lehrreicher Prozess für alle Beteiligten ist.Aktuell liegt der Hauptfokus des AST in der Publikation einer monatlichen Zeitung, der Arbeit am Theoriejournal Revolutionärer Marxismus (RM) gemeinsam mit der GAM, der Intervention in die wichtigsten politischen Auseinandersetzungen, sowie dem Abhalten von Diskussionsveranstaltungen, der Schulung unserer Mitglieder und Kontakte und natürlich der Analyse der österreichischen und internationalen Situation auf Grundlage des Marxismus.
Liga für die Fünfte Internationale (LFI)
Beim Kongress 2003 beschloss die LRKI ein neues Programm (Vom Widerstand zur Revolution) und die internationale Strömung wurde in Liga für die Fünfte Internationale (LFI) umbenannt. Das Programm wurde 2008 nochmals aktualisiert. Es konnten weitere Sektionen und Mitglieder gewonnen werden, derzeit gibt es die LFI in Pakistan, Sri Lanka, Deutschland, Großbritannien, Österreich, Schweden, den USA und Brasilien. Gleichzeitig konnten nicht alle Sektionen gehalten werden, so verloren wir zum Beispiel die Genoss*innen in Tschechien, Irland, Peru, Bolivien, Australien und Neuseeland. Das ist nicht allzu überraschend, denn der Druck auf Revolutionär*innen in der kapitalistischen Gesellschaft ist stets hoch.
Kontinuität bis heute
Heute besteht der Arbeiter*innenstandpunk zum Großteil aus einer Generation von jungen Mitgliedern, aber durch ein langjähriges Mitglied und unser programmatisches Erbe gibt es eine enge Verbindung zu den Ursprüngen des AST und sogar zu der Zeit davor.
Die kapitalistische Krise ist nicht überwunden, zusätzlich sehen wir einen zunehmenden Rechtsruck in ganz Europa und auch sehr offen in Österreich. Immer wieder kam es zu revolutionären Kämpfen, wie dem Arabische Frühling, den Kämpfen in Griechenland usw., aber die Massen konnten nicht siegen. Wenn die Bosse trotz ihrer Differenzen gemeinsam gegen die arbeitenden Menschen kämpfen, sind diese derzeit nicht in der Lage, gemeinsam gegen der Kassenfeind zu bestehen. Das liegt daran, dass es immer wieder gelingt die Arbeiter*innenklasse zu spalten, nach Herkunft, Geschlecht, Religion, Branche und Beruf. Um das zu bekämpfen benötigt es eine gemeinsame Partei der Arbeiter*innen und Unterdrückten mit einem proletarischen Klassenstandpunkt und revolutionär-marxistischem Programm.
Die zweite und dritte Internationale, einst Führer*innen der Arbeiter*innenklasse, haben den Marxismus verraten. Trotzkis IV. Internationale ist in zentristischen Verwirrungen verkommen, die revolutionäre Kontinuität fehlt und das Klassenbewusstsein der Arbeiter*innen ist schwach. Aber gerade das zeigt die Notwendigkeit einer Organisation wie die unsere um eine revolutionäre Arbeiter*innenpartei und eine neue Internationale aufbauen zu können!
1. [In unserer Print-Ausgabe haben wir fälschlicherweise die SOAL Salzburg als Ortsgruppe der GRM-Nachfolge-Organisation bezeichnet. Die SOAL Salzburg entstand aus einem Ausschluss aus dem VSSTÖ und trug diesen Namen schon, bevor sich die GRM in SOAL umbenannte.]↩