Der inzwischen offizielle neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz lässt immer wieder mit neoliberalen Vorschlägen aufhorchen – so zuletzt auch mit der Idee einer Senkung der Abgabenquote. Diese Idee ist jedoch weder besonders neu, noch besonders gut.
Abgabenquote, was ist das?
Bei der Abgabenquote handelt es sich um die Summe aller Steuern und Abgaben (z.B. für Sozialversicherungen) in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Direkt zweckgewidmete Zahlungen wie zum Beispiel Abwassergebühren zählen nicht dazu. Es gibt verschiedene Berechnungsgrundlagen, bei denen natürlich auch unterschiedlich hohe Werte zustande kommen – unter anderem gibt es Unterschiede in welchem Ausmaß Sozialversicherungsbeiträge einberechnet werden.
Die internationalen Vergleiche die häufig als Argument ins Feld geführt werden sind nur begrenzt nutzbar. Österreich liegt im OECD-Vergleich mit 43,5 % an fünfter Stelle, der Durchschnitt liegt bei 34,3 %. Doch die Berechnungen können nicht verglichen werden, da Förderungen in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich ausgezahlt werden. In Österreich wird zum Beispiel die Familienbeihilfe ausgezahlt, nachdem zuerst Steuern eingenommen wurden – sie hat daher keinen Einfluss auf die Abgabenquote. In anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland, wird mit direkten Steuerreduktionen gearbeitet, zum Beispiel dem sogenannten Ehegattensplitting, die damit logischerweise die Abgabenquote reduzieren. Auch bei den Sozialversicherungsausgaben gibt es nicht nur verschiedene nationale Berechnungen, sondern auch gravierende internationale Unterschiede. Es gibt zwar Versuche einer sogenannten bereinigten Abgabenquote die gesetzlich verpflichtende private Leistungen (z.B. in der Schweiz in private Pensionskassen) mit einzuberechnen versuchen, aber eine vollständige internationale Vergleichbarkeit ist aufgrund der verschiedenen Systeme quasi unmöglich.
Wer will sie senken?
Sebastian Kurz rechnet mit einer derzeitigen Abgabenquote von über 43% des BIP, die er auf 40% zu senken plant – das macht umgerechnet ungefähr 14 Milliarden Euro aus. Er ist weder der erste noch wird er der letzte sein der diese Idee propagiert – und selbst in der gegenwärtigen politischen Landschaft in Österreich hat er zahlreiche Konkurrent*innen, die darum wetteifern, wer mit einer Senkung der Abgabenquote werben darf. Ex-Bundeskanzler Schüssel, der berühmt-berüchtigte Karl Heinz Grasser, Noch-Bundeskanzler Kern, Finanzminister Schelling und eben Sebastian Kurz sind nur einige der Namen, die mit einer Senkung der Abgabenquote unmittelbar in Verbindung gebracht werden, auch bei FPÖ und NEOS ist die Idee populär. Konkrete Vorschläge wie genau die Senkung diesmal vonstattengehen soll, gibt es bisher kaum. Sebastian Kurz stellte nur klar, dass Mindestsicherung und Familienbeihilfe für Menschen mit Migrationshintergrund sowie außerhalb Österreichs lebende Österreicher*innen seiner Meinung nach zu hohe Kosten verursachen, und außerdem bei Förderungen gekürzt werden sollte.
Wieso gegen die Senkung?
Von diesen Einnahmen wird jede Form von staatlichen Ausgaben finanziert. Eine Senkung der Abgabenquote ist gleichzusetzen mit Kürzungspolitik. Kürzungen bei Bildung, im Gesundheitswesen, bei Förderungen und Beihilfen, etc. bedeuten auch eine immer größere Schere zwischen Arm und Reich. In Ländern mit einer geringeren Abgabenquote sind die privat zu leistenden Beiträge in diesen Bereichen wesentlich höher. Beispielsweise betragen die privaten Ausgaben für Bildung in den USA 3,9 % des BIP, in Großbritannien 3%, in Österreich sind es hingegen nur 0,3 %. Für die Pensionsvorsorge zahlen unsere Nachbarn in der Schweiz 8,3 % des BIP an privaten Ausgaben, in Österreich handelt es sich auch hier um 0,3%.
Das sind nur zwei Beispiele und es gibt noch zahlreiche andere um zu beweisen, dass jene Länder mit einer relativ geringeren Abgabenquote wesentlich höhere private Ausgaben benötigen – worunter insbesondere die ärmeren Teile der Bevölkerung leiden.
Was ist die Alternative?
Die Abgaben, die Arbeiter*innen an den Staat leisten müssen, sind ohne Frage hoch und würden eine Senkung verdienen. Bei Abgaben für die Lohnsteuer sowie für die Sozialversicherung liegt Österreich nach Angaben der OECD an zweiter Stelle hinter Belgien. Von dem Lohn eines*r österreichischen Durchschnittsverdieners*in ohne Kinder gingen im Jahr 2015 49,5 % an den Staat – im OECD-Schnitt waren es 35,9 %. Natürlich wäre eine Senkung von Lohnsteuer, Mehrwertsteuer und Sozialversicherungsabgaben für niedrige und mittlere Einkommen wünschenswert – doch müssten diese Gelder aufgewogen werden um oben thematisierte Kürzungen zu verhindern. Um das zu ermöglichen müssten Reichtum, höhere Einkommen und Unternehmensgewinne stärker besteuert werden. Doch eine solche Umverteilung von oben nach unten ist nicht der Plan von Sebastian Kurz und Co. – sie stehen für das Gegenteil.