Vom 20. bis 26. Juni herrschte im Betrieb Volkswagen Bratislava der Ausstand. Mit einer geschätzten Teilnahme von dreitausend Arbeiter*innen ist das der erste Streik in der Geschichte des Betriebes und einer der größten in der Industrie in den letzten Jahren.
Die Hauptforderungen war eine Lohnerhöhungen um 16 % in zwei Jahren. Das Hauptargument dafür war die Ungleichheit der Löhne zwischen Arbeiter*innen im slowakischen Betrieb und Arbeiter*innen im deutschen Betrieb, trotz der gleichen Arbeit, gleicher Produkte und vergleichbarer Stundenproduktivität. Der Einstiegslohn in der Slowakei beträgt 679 Euro. Die höchste Lohngruppe (1.700 €) im slowakischen Betrieb erreicht nicht das Niveau der niedrigsten Lohngruppe (2.037 Euro €) im deutschen Betrieb. Die Forderung war also ohnehin nur an einer geringfügigen Angleichung orientiert. Die slowakische Arbeiter*innenklasse versteht, dass sie überausgebeutet wird. Der Streik ist ein Versuch von dieser Kenntnis zum Widerstand dagegen überzugehen.
Vor dem Streik und während des Streiks kam es zu typischen Drohungen, Einschüchterungstaktiken und medialen Kampagnen gegen die Vertretung der Arbeiter*innen. Alle Reaktionen der Kapitalist*innen hatten bisher das Ziel, die Einheit der Streikenden und derer Sympathisant*innen zu zerstören. Dann, als Reaktion auf den Streik selbst, wurde fast unmittelbar eine Propagandawelle von Seiten der von der Kapitalist*innenklasse kontrollierten Medien und der Unternehmensvertreter ausgelöst. In österreichischen und deutschen Zeitungen wurde über den Durchschnittslohn der Arbeiter*innen gelogen, der angeblich 1.800 € betrage. In slowakischen Zeitungen wurden die Löhne mit dem nationalen Durchschnittslohn in der Slowakei und in Deutschland verglichen, mit der Schlussfolgerung, dass die slowakischen Arbeiter*innen eigentlich im Vergleich zu anderen Slowaker*innen besser gestellt wären als zu manchen deutschen Arbeiter*innen. Sonst wurde argumentiert, dass niedrigere Löhne der Ausdruck niedriger durchschnittlicher Produktivität der slowakischen Arbeiter*innen wären, oder dass sie doch nur ein Ausdruck des Marktes wären statt der Produktivität, oder dass die geforderte Lohnerhöhung zu groß sei. Die Wahrheit ist, dass die slowakischen Arbeiter*innen vom deutschen Kapital heftiger ausgebeutet werden, schlichtweg weil die Kapitalist*innen es können.
Der Streik ist zurückzuführen auf einen Konflikt innerhalb der gewerkschaftlichen Bürokratie, zwischen dem Vertreter der Arbeiter*innen im Betrieb, Zoroslav Smolinsky, und Emil Machyna, dem Vorsitzenden des größten Gewerkschaftsbundes in der Slowakei, OZ KOVO, der der herrschenden sozialdemokratischen Partei SMER (Richtung – Soziale Demokratie) nahe steht. Nach einem Konflikt zwischen diesen beiden Bürokraten kam es zu einem Versuch der Liquidierung der Betriebsgewerkschaft durch den Bund, worauf Smolinsky eine neue Gewerkschaft gründete. Dieser Streik war also auch ein Ausdruck eines bürokratischen Konflikts in dem der Betriebsvertreter seine Position festigen wollte.
Die inhaltliche Ausrichtung des Streikes zeigte dabei sowohl positive Ansätze als auch klare Grenzen. So ging der Streik nicht über eine gewerkschaftliche Standortpolitik hinaus, es wurde sogar mit Worten wie „Konkurrenzfähigkeit“ argumentiert. Die ideologische Basis der Motivation, Unterstützung und des individuelles Bewusstseins der Arbeiter*innen war eine nationalistische Argumentation gegen imperialistische Unterdrückung und Ausbeutung. Die Gefahr, dass sich solche nationalistischen Argumentationen im Bewusstsein der Arbeiter*innen verfestigen, ist gegeben. Marxist*innen müssen solche Tendenzen, die im Endeffekt darin enden, dass sich die Arbeiter*innenklasse mit „patriotischen“ Teilen der eigenen Ausbeuter*innenklasse verbündet, bekämpfen und stattdessen für die Orientierung auf ein Bündnis mit der internationalen Arbeiter*innenklasse hinarbeiten. Die existierenden linken Organisationen in der Slowakei haben dabei versagt, die ideologische Ausrichtung dieses Streiks und das Bewusstsein der Arbeiter*innen in eine fortschrittliche und internationalistische Richtung zu beeinflussen. Es kam nicht einmal zu offener Agitation. Die Forderung nach Solidarität und Unterstützung durch andere Sektoren der slowakischen Arbeiter*innenklasse wurde nicht erhoben, geschweige denn nach der Solidarität der deutschen Arbeiter*innen bei VW und ihrer Gewerkschaft.
Der Streik endete mit einem Kompromiss nachdem ein Vorschlag von Volkswagen für eine schrittweise Lohnerhöhung um 14 % bis 2019 von der Gewerkschaftsvertretung angenommen wurde. Er wurde fast vollständig als ein Erfolg legaler Mittel, von manchen sogar als Erfolg des Marktes, gefeiert. Die Arbeiter*innen in Bratislava haben damit gezeigt, dass Verbesserungen durch Streiks erreichbar sind und dass noch mehr möglich ist, wenn sich die Arbeiter*innenklasse organisiert. Leider fehlt noch das Bewusstsein über die Grenzen solcher Kämpfe wenn es an betriebsübergreifender Solidarität, Internationalismus und sozialistischer Perspektive fehlt.