Bereits seit 2015 verhandelt die rot-schwarze Koalition das sogenannte Schulautonomiepaket. Zuletzt war die Reform an jenem Punkt angelangt wo nur noch Grüne oder FPÖ zu einer Zustimmung bewegt werden mussten, um die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu erlangen. Doch mit dem Spitzenwechsel bei der ÖVP steht deren Zustimmung wieder zur Debatte, und auch die personellen Veränderungen bei den Grünen dürften das Durchwinken verzögern.
Nach derzeitigem Stand (25.05.17) hängen der Beschluss sowie die daran geknüpften parlamentarischen Gegengeschäfte am seidenen Faden. Sowohl die FPÖ als auch die Grünen haben sich prinzipiell bereit erklärt für die Reform zu stimmen, allerdings unter komplett entgegengesetzten Bedingungen.
Die Gewerkschaft behauptet nach zahlreichen Verhandlungsrunden, dem Paket die „Giftzähne“ gezogen zu haben. Doch nähere Infos über die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Bildungsministerin und Gewerkschaft stehen bis jetzt nicht zur Verfügung. Die Gewerkschaft möchte angeblich erst noch über den Gesamtentwurf (der bisher nicht vorliegt) beraten. Ihre Zustimmung ist für den parlamentarischen Beschluss zwar nicht notwendig, ohne sie drohen aber Protestmaßnahmen der Lehrer*innen bis zum Streik. Erste Anzeichen dafür gab es bereits bei Lehrer*innenversammlungen Ende April. Das Verheimlichen des Entwurfs vor der Basis ist aber ein taktischer Zug der Bürokratie, dem sich die Gewerkschaftsmitglieder entschieden entgegenstellen müssen. Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern müssen ein Recht darauf haben, über jeden Verhandlungsschritt informiert zu sein.
Bildungsreform?
Offiziell soll es vor allem um die Schulautonomie gehen, also um mehr Selbstbestimmungsrechte für Schulen und Lehrer*innen. Häufig, so auch in zahlreichen der 1.581 Stellungnahmen, die auf der Homepage des Parlaments zu finden sind, gibt es den Vorwurf, es würde sich um ein reines Strukturpaket handeln, dass keinerlei Verbesserungen für die reale Situation bedeutet. Verbesserungen sind vielleicht keine zu erwarten – Verschlechterungen jedoch sehr wohl. Der ganze Entwurf wurde immer wieder als „kostenneutral“ angepriesen, mehr Geld für die Bildung wird es auf keinen Fall geben.
Die Regierung gibt zwar vor als würde sie im Bildungsbereich etwas vorwärtsbringen, ist aber nicht bereit dem auch im Budget Rechnung zu tragen. Das bedeutet, dass alle Mehrkosten anderswo eingespart werden müssen – etwa über die Klassengröße.
Schüler*innenhöchstzahl
Die Klassenschüler*innenhöchstzahl in BMHS und AHS Oberstufe beträgt derzeit 30 Schüler*innen – mit einer Überschreitungsmöglichkeit um 20 Prozent, also de facto bis zu 36 Schüler*innen. In der AHS-Unterstufe wurde erst im Jahr 2008 eine Senkung von 30 auf 25 Schüler*innen beschlossen, mit Option auf bis zu 30. Für Volks-, Haupt- und Neue Mittelschulen gibt es einen unverbindlichen Richtwert von 25 Schüler*innen pro Klasse. Bereits jetzt werden diese Spielräume stark ausgeschöpft – im Schuljahr 2015/16 waren in über 34% Prozent der AHS-Unterstufenklassen über 25 Schüler*innen, in einzelnen sogar über 30. Die sogenannte Ausnahme wird dann zur Regel.
Teil des Schulautonomiepakets soll sein, dass die Klassengröße vom Schul- bzw. Clusterleiter frei bestimmt werden kann. Angeblich geht es darum manche Unterrichtsteile vorlesungsartig in Großgruppen durchzuführen, um andere mit starker individueller Betreuung in Kleingruppen stattfinden zu lassen. Die realen Auswirkungen wären jedoch andere – wenn bereits jetzt die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstzahlen ständig überschritten werden, können wir uns nur vorstellen welche Klassengrößen bei einer Abschaffung dieser üblich werden. Bereits jetzt sind die Klassen häufig eigentlich schon zu groß um effizientes Lernen zu gewährleisten.
Doch auch das Mitbestimmungsrecht, insbesondere der Schüler*innen wird, durch eine Herabstufung des Schulgemeinschaftsausschusses zu einem rein beratenden Gremium, wesentlich beschränkt.
Der oben genannte Vorwurf, es handle sich um ein Strukturpaket, ist richtig. Die Änderung der Strukturen heißt hier aber eine Umverteilung der Gelder vom Unterricht in die Verwaltung. Im gleichen Atemzug werden die minimalen demokratischen Strukturen in der Schule so gut wie abgeschafft. Die Schulreform reiht sich nahtlos ein in die Verschlechterungen von 2009 und 2013.
Wir müssen diesen Moment, indem das Schulsystem diskutiert und seine skandalösen Mängel offensichtlich werden, nutzen. Eine breite Bewegung von Schüler*innen und Lehrer*innen kann nicht nur die geplanten Verschlechterungen zurückschlagen (wie es in der Vergangenheit mit Massendemonstrationen und Schulstreiks teilweise gelungen ist) sondern in die Offensive gehen. Eine Einstellungsoffensive an den Schulen und folglich niedrigere Klassenschüler*innezahlen und eine Demokratisierung, wo jede Stimme, egal ob von Schüler*in oder Direktor*in gleich viel wert ist können die Grundforderungen so einer Bewegung sein.