Volkswagen: Kahlschlag mit Mitbestimmung

Es hatte schon im Vorfeld Spekulationen gegeben. Am 18. November platzte dann die Bombe: VW vernichtet 30.000 Arbeitsplätze, davon 23.000 in Deutschland. Eine Bombe allerdings, von der viele offiziell so tun, als wäre sie keine. Dieser massive Schlag gegen die Belegschaft war schon im Vorfeld mit der Betriebsratsspitze abgesprochen und von dieser abgesegnet worden. Festgehalten wurde dies in einem „Zukunftspakt“, der im Gegenzug festhält, dass dennoch bis 2025 keine Entlassungen erfolgen sollen.

Sozialverträgliche Zerstörung

Der Personalabbau wird deshalb als sozialverträglich bezeichnet, die Zerstörung der Arbeitsplätze ist kein Wörtchen wert: weder in den Verlautbarungen des Gesamtbetriebsrates noch bei der IG Metall, die bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme veröffentlicht hat. Die vorgebliche Sozialverträglichkeit wird wie üblich vor allem durch Altersteilzeit und Abfindungen erreicht und mit Sicherheit werden tausende Leiharbeiter*innen arbeitslos, auch wenn dazu bislang keine gesicherten Informationen öffentlich vorliegen. Das heißt, die sozialen Folgekosten durch Arbeitslosigkeit fallen auf die Beschäftigten insgesamt zurück.Konkret sollen so 3,7 Milliarden auf Kosten der Beschäftigten und der Allgemeinheit eingespart werden, um die Profite zu erhöhen.

Riese auf tönernen Füßen

Die Profitschwäche der Marke VW wird allenthalben von den Medien ins Feld geführt. Die Umsatzrendite bei Golf und Passat wird z. B. mit 1,6 % angegeben. Von 100 beim Verkauf eingenommenen Euro sind also nur 1,60 Euro Gewinn. Da allerdings bei den meisten PKW die Fertigungstiefe, also das, was der Autohersteller an dem Fahrzeug selbst an Arbeit einbringt, unter 20 % liegt, liegt der Gewinn bezogen auf die erbrachte Wertschöpfung eher bei 8%. Die Verlustzone ist also noch weit entfernt.

Aber VW hat Probleme. Die berüchtigte Software-Manipulation hat zu hohen Entschädigungen und einem Einbruch beim Verkauf von Dieselfahrzeugen geführt. Alle Autobauer haben das Problem, dass dieser Skandal die Frage nach neuen Technologien, der „Elektromobilität“, schneller auf die Tagesordnung gebracht hat als erwartet und geplant. Zum zweiten geht es verstärkt um die Digitalisierung des Autos, was auch unter dem Begriff „Autonomes Fahren“ behandelt wird.

Konkurrenzbedingungen

Auch die Konkurrenz unter den Autofirmen wird sich verändern müssen. Heute wird diese neben dem Preis vor allem über Motorentechnik, Ausstattung ausgetragen und in der letztlich imaginären Form des Markenimages.

Hier geht es nicht nur um beliebig produzierbare „Bedürfnisse“, es geht auch um Materielles. Wenn zukünftig die Software das Entscheidende am Auto ist und nicht mehr der Motor, ändert sich auch vermutlich das Verhältnis zwischen Auto-Firmen und den Software-Giganten, vor allem denjenigen, die bei der digitalen Erfassung der Welt weit vorne sind, z. B. Google. Damit ändert sich auch das Kräfteverhältnis zwischen deutschem und amerikanischem Kapital. Letzteres ist bei der Entwicklung der Autotechnik in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten, liegt aber bei der Software unbestreitbar vorne.

Komplizenschaft der IG Metall

Wenn auch die IG Metall bisher nichts zu dem Kahlschlag bei VW hat verlauten lassen, zu dem drohenden Umbau in der Auto-Industrie insgesamt hat sie viele Konferenzen organisiert und jetzt auch eine Erklärung verfasst.

Entscheidend ist aber, dass auch in diesem Fall die IG Metall-Spitze die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie über alles stellt. Die „Menschen, die sichere Arbeitsplätze brauchen“, kommen rein rhetorisch vor: „Wir wollen die Transformation so mitgestalten, dass kein Beschäftigter dabei unter die Räder kommt.“ (Alle Zitate von www.igmetall.de)

Soziales Potential des technologischen Fortschritts

Tatsächlich sind gewaltige Investitionen in Verkehr und Mobilität notwendig und sinnvoll. Die fundamentale Krise der Autoindustrie kann Anlass und Chance sein, ein Verkehrssystem zu entwickeln, das effizient und umweltfreundlich ist und bei dem die Städte nicht mit Privat-PKW zugestellt werden, deren Nutzungszeit unter 10 Prozent liegt, Strom nicht über Batterien mitgeschleppt, sondern über Leitungen, Schienen oder Induktion übertragen wird.

Solch ein Verkehrssystem werden die Autokonzerne auch nach zehn Dieselkrisen nicht entwickeln. Diese Entwicklung muss gesamtgesellschaftlich geschehen und die Bedürfnisse aller aufnehmen. Die Erfahrungen und Entwicklungs- wie Produktionskapazitäten der Beschäftigten in der Autoindustrie sind dafür unerlässlich, auch wenn diese in Zukunft nicht in die Produktion von Privat-PKWs, sondern eines öffentlichen Verkehrssystems einfließen würden, das sich an den Bedürfnissen der Masse der Bevölkerung, also aller Lohnabhängigen, sowie ökologischer Nachhaltigkeit orientiert.

Aber dazu müssen sie wie alle anderen Sparten des Transportsektors von der Knute des Profits befreit werden. Die gesamte Branche muss verstaatlicht werden, unter Kontrolle der Beschäftigten.

Der Artikel wurde aus Platzgründen gekürzt, die vollständige Version findest du auf www.arbeitermacht.de

Frederik Haber, Gruppe ArbeiterInnenmacht