Sexualisierte Gewalt ist Realität, auch in Österreich!

womenriseDie Vorfälle der Silvesternacht in Köln sind nun schon zwei Monate her, doch immer noch sind sie ein zentrales Thema. Das liegt aber leider weniger an einer gestiegenen Sensibilität gegenüber Sexismus an sich sondern an der Beteiligung von Migranten an den Übergriffen, und mehr als das: sie dienen als weitere Rechtfertigung für allerlei rassistische Vorgaben – wie zum Beispiel, dass Flüchtlinge das Mödlinger Stadtbad nur noch in „entsprechender Begleitung“ betreten sollten. Solche und ähnliche Widerlichkeiten werden mit dem Schutz von Frauen vor Flüchtlingen argumentiert, die, wie man in Köln ja angeblich sehen konnte, eine besondere Gefahr darstellen würden.

Westlicher Chauvinismus

In diesem Zusammenhang wird man oftmals mit dem Argument konfrontiert, die Kultur/Gesellschaft/Religion der Flüchtlinge im Allgemeinen und Muslim*innen im Speziellen sei nun einmal viel rückschrittlicher, patriarchaler und frauenunterdrückerischer als unsere „moderne westliche Zivilisation“. Es ist dabei nicht zu leugnen, dass in der Gesetzgebung und der gesellschaftlichen Realität vieler Herkunftsländer die formelle Gleichstellung der Frauen weniger weit fortgeschritten ist als in Österreich, doch rechtfertigt das nicht die betriebene Pauschalisierung von Migrant*innen. Zusätzlich wird ein problematisches Bild geschaffen, in dem ein „zivilisierter“ Westen dem „unzivilisierten“ Rest gegenüber gestellt wird. Dabei ist die westliche Gesellschaft keineswegs frei von Sexismus. Denn all jene Menschen die behaupten in Österreich gäbe es keine systematische Frauenunterdrückung und keinen alltäglichen Sexismus, dem Frauen ausgesetzt sind, geben sich entweder schwachsinnigen Illusionen hin, oder schlimmer noch, stellen die Situation bewusst falsch dar. Selbst wenn wir Themen wie durchschnittliche ungleiche Bezahlung, Beförderungschancen, etc. außer Acht lassen ist es klar, dass wir in Europa und Österreich noch lange keinen geschützten Raum für Frauen haben, und, dass daran nicht „die Migranten“ schuld sind.

Die gesellschaftliche Realität

Laut einer EU-weiten Studie von März 2015 gab ein Drittel aller Frauen an seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren zu haben und jede 7. Frau schon mindestens einmal vergewaltigt worden zu sein. 43% sprachen von psychischer Gewalt durch ihre (Ex-)Partner und 55% berichteten von Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Gleichzeitig wissen wir, dass bei Fragen sexualisierter Gewalt die Dunkelziffern extrem hoch sind. Auch wird in dieser Befragung klar, dass überall in Europa, eben auch in Österreich, der größte Teil der sexuellen Übergriffe im Familien- und Bekanntenkreis stattfindet.

Sexualisierte Gewalt hat in den allermeisten Fällen nicht in erster Linie etwas mit der Befriedigung sexueller Bedürfnisse, sondern mit der Demonstration von Macht zu tun. In einer Befragung verurteilter Sexualstraftäter gaben 70% Machtwillen als Grund an, 25% Wut und 5% Sadismus. Damit hängt sexualisierte Gewalt unmittelbar mit den Machtverhältnissen unserer Gesellschaft zusammen. Solange wir also in einem System leben für das die Unterdrückung von Frauen ein immanenter Bestandteil ist, ist es zwar die Aufgabe jedes fortschrittlichen Menschen und jeder Arbeiter*innenorganisation sexualisierte Gewalt zu bekämpfen, aber ihre Ursache wird weiter bestehen.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass jede Frau in einem gewissen Ausmaß von Sexismus betroffen ist – von verbaler Belästigung bis hin zu Vergewaltigung. Und genauso wenig neu ist es, dass bei Gelegenheiten wie dem Oktoberfest unzählige Frauen davon betroffen sind, oder tagtäglich Frauen in gewissen Berufen, zum Beispiel Kellnerinnen in Nachtlokalen oder Sexarbeiterinnen. Wenn man sich jedoch den Umgang der Behörden mit Anzeigen ansieht, ist es kein Wunder, dass der größte Prozentsatz der sexualisierten Gewalt jener ist, der nicht angezeigt wird, von dem häufig gar nicht, oder nur hinter vorgehaltener Hand gegenüber den engsten Vertrauten gesprochen wird.

Denn noch weniger als in Köln ist die Polizei unser Freund und Helfer wenn wir Anzeige aufgrund sexueller Übergriffe erstatten. Wir müssen dann Rechenschaft ablegen über Fragen wie unseren Alkoholkonsum, unseren Kleidungsstil oder die Zahl unserer Sexualpartner*innen, sowie eine Menge anderer Dinge die in keinem Zusammenhang zu der Gewalt stehen die uns widerfahren ist, die aber künstlich damit verknüpft werden. Viele Frauen haben schon richtig erkannt, dass für sie in den allermeisten Fällen die Polizei keine Lösung darstellt.

Deshalb müssen wir lernen uns selbst zu verteidigen und gegenseitig aufeinander aufzupassen. Wir müssen die Arbeiter*innenbewegung und jede Arbeiter*innenorganisation in die Verantwortung nehmen in ihren Strukturen eigene Möglichkeiten für die Frauen in ihren Reihen zu schaffen sich in einem sicheren Rahmen auszutauschen und sexistische Vorfälle zu thematisieren. Doch vor allem müssen wir kostenlose Selbstverteidigungskurse fordern und eine proletarische Frauenbewegung aufbauen um Gleichstellung zu erkämpfen, egal wo und unabhängig von der Herkunft der Sexisten.