8.000 demonstrierten gegen den deutschnationalen Akademikerball auf dem sich rechte und rechtsradikale Spitzen trafen. Der Protest war ein zarter politischer Sieg gegen die Rechte, der zeitweise zum Schaulaufen vor Polizeischikanen verkam. Der Akademikerball konnte erneut nicht verhindert werden, aber das ist nur die Hälfte der Geschichte.
2015 war ein fürchterliches Jahr für Antirassist*innen in Österreich. Während ein spürbarer Rechtsruck durch die Gesellschaft geht hat die Regierung eine Reihe von rassistischen Gesetzen beschlossen, die wirken wie von Straches FPÖ diktiert. Am Rande von rechtsradikalen Demonstrationen – die immer öfter und mit mehr Teilnehmer*innen stattfinden – kam es mehrmals zu teilweise bewaffneten Übergriffen auf Antifaschist*innen. Und Flüchtlingshasser*innen verübten Anschläge auf Unterkünfte und Migrant*innen. Die Fäden dieser Entwicklungen laufen zusammen beim FPÖ-Akademikerball in der Hofburg. Dort trifft sich die FPÖ-Spitze mit Rechtsradikalen aus ganz Europa, gewaltbereiten „Identitären“ und einflussreichen Burschenschaftern. Kein Wunder, dass so viele Menschen in Österreich diesen Ball verabscheuen.
Erfolgreiche Demonstration
Die Demonstration war groß, laut und kämpferisch. Der Fokus der meisten Aktivist*innen lag darauf, Solidarität mit Geflüchteten mit dem Kampf gegen Rassist*innen und Faschist*innen zu verbinden. Das ist gut, denn es ist eine wichtige Aufgabe die Refugees selbst und die Aktivist*innen der Flüchtlingssolidarität für antirassistischen Protest zu gewinnen..
Auf der Auftaktkundgebung betonten die Redner*innen warum es wichtig sei gegen den Akademikerball zu kämpfen. Die Frauenfeindlichkeit, der völkische Rassismus und die Überschneidungen mit dem Neonazi-Spektrum standen im Mittelpunkt der Reden. Ein Sprecher des Arbeiter*innenstandpunkt erklärte, dass der Widerstand aus den Betrieben und Schulen kommen müsse. Er erzählte von den Erfahrungen der CARE Revolution Wien, die einen Kampf für mehr Lohn und Personal im Wiener Krankenanstaltsverbund geführt hatte, Vereinnahmungsversuche der FPÖ entschieden zurück wies und Spenden für Flüchtlinge sammelte. Auch viele der Kolleg*innen aus der Pflegebewegung waren ehrenamtlich an den Bahnhöfen aktiv gewesen um Geflüchteten zu helfen. Auf einer von mehreren Abschlusskundgebungen erklärten wir noch einmal die Notwendigkeit, im Kampf gegen den Rassismus die sozialen Fragen wie Arbeitslosigkeit, Arbeitsverdichtung und Reichtumsverteilung antikapitalistisch zu beantworten. Eine Genossin der Jugendorganisation REVOLUTION betonte die Rolle der Jugend im Antifaschismus.
Wegen der riesigen Sperrzone war die Demonstrationsroute sehr lang, sie wurde auch immer wieder von der Polizei aufgehalten. Schikanen der Polizei, wie ein Spalier um einen Gutteil der Demonstration oder eine abgesperrte, 4 Meter breite Engstelle am Ring, wo alle Demonstrant*innen abgefilmt wurden, verzögerten den Ablauf weiter. Auch rechtsradikale Provokationen, wie von den „Identitären“ vor dem Hotel Intercontinental, wurden von der Polizei beschützt.
Kurz vor Schluss der Demonstration, an der Babenbergerstraße, versuchte die Exekutive noch einmal die Situation eskalieren zu lassen. Sie drängte sich mitten in die Demonstration und kündigte Festnahmen oder sogar einen Kessel an. Durch die Weigerung sich auseinanderreißen zu lassen und die praktische Solidarität mussten sich die Polizist*innen aber wieder zurückziehen. Trotzdem war die Demonstration an diesem Punkt sehr schlecht koordiniert. Mit Angriffen der Polizei musste gerechnet werden, es ist notwendig sich in der Zukunft besser darauf vorzubereiten um die Repression abwehren zu können.
Unbedeutende Ballnacht?
Die letzten Jahre war immer wieder gemutmaßt worden, dass die für Österreich riesigen Demonstrationen und erfolgreichen Blockaden dem Akademikerball das Rückgrat gebrochen hätten. Das autonome Bündnis „NoWKR“ schreibt zum Beispiel: „Das Fernbleiben namhafter Gäste hat dem Ball den Charakter des ‚rechtsextremen Vernetzungstreffen‘ genommen […]“ Tatsächlich haben die Proteste die rechtsradikale Ideologie der Ballbesucher*innen an die Öffentlichkeit gebracht und seine Bedeutung stark verkleinert.
Aber der gesellschaftliche Rechtsruck wirkt dieser Arbeit entgegen. Wo Vorschläge der FPÖ zum Umgang mit Geflüchteten von der Regierung anstandslos umgesetzt werden (Grenzzäune, Obergrenze, Asyl auf Zeit) gehört der Besuch „ihres“ Balls fast schon zum guten Ton.
So waren auch 2016 zentrale Figuren der europäischen Rechten in der Hofburg: Tatjana Festerling (PEGIDA) und Vertreter*innen der rechtsradikalen ungarischen JOBBIK dürften zu Gast gewesen sein. Andere Ballgäste, wie die Salzburger FPÖlerin Marlene Svazek, nutzten schon die vergangenen Wochen zur Vernetzung mit Gruppen wie dem Front National oder UKIP.
Und so war der Akademikerball größer als in den letzten Jahren, wenn man übereinstimmenden Berichten der Polizei, der Veranstalter*innen und großer Medien glauben will. Die Gegendemonstration war mit 8.000 Teilnehmer*innen gleich groß wie im Jahr davor, wenn nicht sogar etwas kleiner. Das ist aber immer noch sehr stark im Vergleich zu anderen antirassistischen oder antifaschistischen Demonstrationen.
Ein Schritt zurück
Wie schon 2015, als Demonstrationszüge verboten wurden, fand keine autonome Demonstration statt, nachdem sich das Bündnis NoWKR unter der massiven staatlichen Repression aufgelöst hatte. Die Aktionen der „Offensive gegen Rechts“, dem Bündnis dem auch der Arbeiter*innenstandpunkt angehört, zielten dieses Jahr nicht darauf ab den Ball zu verhindern. Statt dessen gab es drei verschiedene Kundgebungen, mit dem Anspruch ein politisch-inhaltliches Programm umzusetzen. Wir haben uns gemeinsam mit der Jugendorganisation REVOLUTION, der Sozialistischen Linkspartei und dem „Funke“ an der Kundgebung in der Nähe zu Karlsplatz/Oper beteiligt.
In den vergangenen Jahren haben wir uns für ein Konzept von massenhaften Blockaden ausgesprochen. Wir sind auch weiterhin der Meinung, dass diese Aktionsform das einzige Mittel ist, den Ball zu verhindern. Dezentrale Aktionen und Kleingruppen-Blockaden, wie viele Autonome sie vorziehen, sind angesichts der Polizeimacht nicht nur oft ineffektiv, sie machen es für unerfahrenere Aktivist*innen oft unmöglich an der Aktion aktiv teilzunehmen. Es ist aber unser Anspruch, möglichst viele in unsere Aktionen miteinzubeziehen. Denn der Akademikerball wird nicht dadurch abgeschafft, dass ein paar wenigen Ballgästen der Abend vermiest wird.
Bei dennoch versuchten Blockaden errichtete die Polizei massive Kessel, zwischen Herrengasse und Bankgasse tatsächlich eine vierfache Kessel-in-Kessel-Situation, bei der dazuströmende solidarische Aktivist*innen festgehalten wurden. Dabei wurde auch eine angemeldete Kundgebung festgesetzt. Gleichzeitige Angriffe von Neonazis aus dem Hooligan-Spektrum, die beim Volkstheater und der Bankgasse stattfanden, konnten von Demonstrant*innen abgewehrt werden, die Polizei sah tatenlos zu.
Aber die objektiven Umstände waren nicht gut, weder für Massenblockaden noch für dezentrale Aktionen. Die Polizei hat mit den letzten Jahren ein effizientes Konzept gefunden, mit großer Sperrzone und vielen mobilen Einheiten, um die Blockadeversuche schnell abdrängen zu können. Die polizeiliche Repression gegen NoWKR hat die Bewegung dazu noch geschwächt und war sicher der größte Misserfolg der Proteste 2015. Die Hofburg mit mehreren Blockaden abzuriegeln ist unter diesen Umständen sehr schwierig, das haben auch schon die Jahre davor gezeigt, als die Proteste noch größer waren. Aktionen durchzuführen, deren Scheitern sicher ist, hat aber nichts mehr mit verantwortungsvoller antifaschistischer Arbeit sondern mehr mit Effekthascherei zu tun.
Antikapitalistische Perspektive
Dass der Akademikerball wieder auf dem aufsteigenden Ast sitzt und die Polizeirepression sich massiv gegen linke Aktionen richtet ist beunruhigend, aber bedingt durch das gesellschaftliche Klima, indem sich die Rechten fast schon siegessicher fühlen. Es ist jetzt die Aufgabe von revolutionären Organisationen und Antirassist*innen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Der Protest gegen den Akademikerball als Großereignis antifaschistischer und antirassistischer Politik muss direkt genutzt werden: Bei weiteren Aktionen gegen die immer öfter stattfindenden Neonazi-Aktivitäten und rassistischen Aufmärsche. Wir befinden uns in einer Situation in welcher Identitäre und andere radikale Rechte versuchen, eine zwar kleine aber dennoch faschistische Bewegung auf die Straße zu tragen. Klar dienten gerade auch Burschenschaften diesen „neuen Rechten“ als Wegbereiter. Aber wir müssen klar machen wo derzeit die größte Bedrohung von rechtsradikaler Seite liegt und den Widerstand dagegen besser früher als später organisieren.
Der massive Rechtsruck hat viel mit der Krise und den Gegenstrategien der Regierung zu tun. Umverteilung von Unten nach Oben und eine Eskalation internationaler Konflikte waren die Antwort der Herrschenden in ganz Europa. Es ist notwendig gegen Spardiktat und rassistische Mobs zu kämpfen und eine kommunistische Alternative für die Jugendlichen und Arbeiter*innen aufzubauen.