In den letzten Monaten waren die katastrophalen Zustände in Traiskirchen ständiges Thema in den Medien. Seit Ende August wurden sie allerdings von dem dramatischen Tod von 71 Flüchtlingen im Burgenland überdeckt. Ohne eine Minute des Zögerns war Politik und Medien sofort klar, wen sie dafür verantwortlich zu machen haben: Die Schlepper*innen, und zwar nicht nur jene, die an diesem konkreten Transport beteiligt waren, sondern die Schlepperei im Allgemeinen. Diese ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge und so nützen sie gerne jede Möglichkeit um sie zum Sündenbock zu machen und selbst guten Willen und Verantwortungsgefühl zu heucheln. Um die Wahrheit zu sehen müssen wir klare Fragen stellen: Wieso interessiert es die Politik, allen voran Frau Mikl-Leitner, einen Dreck wie viele Menschen sterben weil ihre Gesetze ihnen die Flucht verunmöglichen, wie viele Menschen außerhalb der Grenzen Österreichs sterben weil sie ihre katastrophalen Fluchtbedingungen mitbestimmt? Und wieso ist es für sie plötzlich so eine Tragödie wenn die Menschen in Österreich sterben als anderswo?
Tatsache ist, dass nicht nur nationalpatriotische Gedanken Grund für die Empörung sind, sondern auch taktische. Auf dem Rücken der toten Flüchtlinge wird beinharte Politik gemacht. Eine Politik die vorgibt Flüchtlinge schützen zu wollen, aber de facto genau das Gegenteil tut. Schlepperei ist nichts anderes als der Auswuchs einer Gesellschaft wo Flucht immer schwieriger wird und sich legale Einreisemöglichkeiten auf immer weniger Staaten reduzieren. Wollte die Innenministerin tatsächlich Tragödien wie diese verhindern, würde sie die Grenzen öffnen, die Kriminalisierung von Fluchthilfe beenden und somit Flucht unter verbesserten Bedingungen ermöglichen. Ihre Pläne zu verstärkten Kontrollen und Aktionen werden nur dazu führen, dass die Flüchtlinge noch besser, und damit vermutlich auch noch unmenschlicher und gefährlicher, versteckt werden. Gleichzeitig sind Schlepper*innen häufig die einzige Chance für Flüchtende. Wer die Situation schafft, in der Schlepperei häufig die einzige Möglichkeit ist, macht sich selbst mitschuldig am Tod unzähliger Menschen, sowohl jener die in der „Obhut“ von Schlepper*innen starben, als auch jener die nie so weit kamen. Und wer mit Ländern wie Ungarn nach wie vor in der Flüchtlingspolitik zusammenarbeitet, trotz deren „Masseneinwanderungsnotstand“, der sie unter anderem dazu befugt Flüchtlinge, die über die Grenze kommen, in einem 60 Meter breiten Streifen festzuhalten bis deren Asylverfahren abgeschlossen ist und mehrjährige Gefängnisstrafen auf das Überwinden oder Beschädigen des Stacheldrahtzauns stellt, zeigt sein wahres Gesicht.
Es bietet sich fabelhaft für die Politik an, jetzt endlich die lästige Berichterstattung zu Traiskirchen wieder einzudämmen und durch eine Kampagne gegen Schlepperei zu ersetzen. Doch die Zustände im Lager verbessern sich dadurch nicht, eher im Gegenteil.
Dass die Zahl der Flüchtlinge in Österreich und weltweit steigend ist, kann man nicht leugnen. Bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2015 kamen 28.311 Flüchtlinge nach Österreich, das sind mehr als im gesamten Jahr 2014, wo es 28.027 waren. Doch das ist nicht das Problem. Österreich als eines der reichsten Länder der Welt könnte mit diesen Zahlen ohne weiteres umgehen. Es ist eine bewusste Entscheidung, wie mit Flüchtlingen umgegangen wird, die nicht nur durch eine bewusste Politik, die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht, gesteuert wird. Im Gegenteil ist es eine Tatsache, dass Rassismus in unserem System eine zentrale Rolle einnimmt um den Unmut der Lohnabhängigen gegen Schwächere zu richten und gemeinsame Kämpfe aller gegen das Kapital zu verhindern. Daher ist die menschenverachtende Flüchtlingspolitik für die Regierung nur eine logische Schlussfolgerung aus ihrer gesamten Agenda. Klar erkennbar ist das zum Beispiel an der Tatsache wie mit privaten Hilfsangeboten umgegangen wird – wäre es bloße Überforderung müsste die Regierung jedes Angebot von kostenloser Hilfe von Privatpersonen und Organisationen dankbar annehmen. Stattdessen werden solche Angebote reihenweise abgelehnt oder miesgemacht.
Sowohl die Dauer der Verfahren, die Information und Betreuung sowie die Zustände in den Unterkünften sind das Letzte. Häufig warten Flüchtlinge, insbesondere auch unbegleitete Minderjährige, ein Jahr bis sie das erste Mal befragt werden. Die meisten befinden sich monatelang in Österreich, ohne dass sie auch nur informiert werden, Übersetzungen oder angemessene psychologische Betreuung bekommen, geschweige denn, dass das Asylverfahren eröffnet wird. Es herrscht eine Situation in der sich die Betroffenen nicht frei bewegen können, kaum Geld haben, sich kaum verständigen können, eine katastrophale ärztliche Versorgung und genauso schlimme Unterbringungen haben. Sie dürfen nicht arbeiten, mit Ausnahme von Prostitution, Erntehilfe und Saisonarbeit.
Gleichzeitig wird die Situation durch Massenmedien – vor allem durch Blätter wie Kronen Zeitung, Österreich und Heute – ständig ganz anders dargestellt. Auch soziale Medien tragen dazu bei in der Bevölkerung ein komplett falsches Bild von den Lebensumständen von Flüchtenden zu verbreiten. Dadurch steigt die Entsolidarisierung in der Bevölkerung, denn ihr wird ein Sündenbock geboten, der ihre eigenen Lebensbedingungen scheinbar erklärt. Dass jene Summen die für Flüchtlinge ausgegeben werden lächerlich gering sind im Vergleich zu jenen Geldsummen die das reichste Prozent der österreichischen Bevölkerung besitzt, gerät dabei viel zu oft in den Hintergrund.
Letztendlich kann eine solidarische Gesellschaft nur eine sein, die nicht auf Neid, Spaltung und globaler Ausbeutung beruht. Die Ursachen für diese Faktoren sind deckungsgleich mit den Ursachen für Flucht selbst. Es ist die Konkurrenz im Kapitalismus zwischen den großen Konzernen, imperialistischen Blöcken und letztlich auch zwischen den Arbeiter*innen selbst, die für destruktive Tendenzen wie Armut, Krise und Krieg verantwortlich ist.