Uni-Bewegung in Makedonien

Ein Bericht unserer Genossin Marija Cvetkovic

11046455_10152791993021475_3103419478976434919_oBereits seit Anfang des laufenden Uni-Jahres (also seit Oktober 2014) gab es laufend Studierendenproteste in Makedonien. Der Auslöser dafür war eine geplante Bildungsreform. Diese sah unter anderem vor, einen externen (also staatlichen) Test einzuführen, den alle Studierenden nach dem 2. und nach dem 4. Jahr ablegen müssten. Wer diesen Test nicht besteht, muss das ganze Jahr wiederholen.

Dabei handelt es sich um einen standardisierten Test (ähnlich wie bei der Zentralmatura in Österreich), der Wissen nur sehr punktuell abfragt und somit nicht nur weniger repräsentativ ist als die Benotung der Lehrpersonen, sondern auch ein Misstrauen gegenüber dem Lehrpersonal darstellt, das dadurch sehr stark in den Inhalten eingeschränkt wird.

Gleichzeitig macht es das Gesetz für Lehrende an der Universität auch schwieriger Diplomseminare anzubieten und Diplomarbeiten zu betreuen und Kompetenzen die vormals beim Rektorat der jeweiligen Universitäten lagen sollten nun dem Bildungsministerium übertragen werden.

Das ist nicht nur ein Angriff auf die Autonomie der Universitäten und auf die freie Bildung, dadurch wird unter anderem auch die Schicht an akademischem Fachpersonal, die ohnehin viel zu dünn ist um die vielen neu eröffneten und unterfinanzierten Universitäten in der Provinz ausreichend zu versorgen, noch weiter ausdünnen.

Das von der Regierung eingebrachte Argument, der staatliche Test würde Korruption vorbeugen ist eine Lüge.

Es stimmt, dass Korruption an den Universitäten gang und gäbe ist. Sei es in offener Form durch direkte Bestechung der Prüfenden, oder in versteckter Form. So verlangen etwa viele Professor*innen von Studierenden, sich von ihnen selbst geschriebene (und teure) Bücher zu kaufen. Bei der Vorlage der Bücher bekommen die Studierenden dann ungeprüft eine gute Note, während es ohne die Bücher vorzuweisen unmöglich ist, die Prüfung zu bestehen. Von den zahlreichen Privatuniversitäten, an denen reiche Kinder viel einfacher als an den staatlichen Universitäten Abschlüsse (und noch dazu Beziehungen) erlangen können, ganz zu schweigen.

Allerdings wäre es lächerlich zu glauben, die staatlichen Institutionen wären frei von jeglicher Korruption. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in den Ministerien sitzt eine eingespielte und durch und durch korrupte Bürokratie. Ein Transparent des Studierendenplenums bringt es auf den Punkt: „Wer sich eine universitäre Prüfung leisten kann, kann sich auch die externe Prüfung leisten“. Und wer es nicht kann, kann es eben nicht.

Seit Oktober gab es zahlreiche Demonstrationen und Schulstreiks, das Gesetz wurde von der Regierung jedoch trotzdem verabschiedet. Nun wurde klar: es muss eine effektivere Aktionsform gewählt werden. Darum wurden Anfang Februar einige Universitätsgebäude in Skopje und später auch in Bitola besetzt, an den meisten Universitäten wurde der Unterricht boykottiert. Ein Großteil der Lehrenden unterstützt die Forderungen der Studierenden, da Hochschulangestellte allerdings kein Streikrecht haben, durften sie offiziell jedoch nicht streiken. Stattdessen wurden an vielen Fakultäten „alternative Lehrveranstaltungen“ angeboten, die meistens Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen politischen Themen waren. Das Gesetz wurde zurück genommen und nach zwei Wochen Besetzung wurde mit der Regierung vereinbart eine Arbeitsgruppe zu formieren, die Vertreter*innen des Studierendenplenums, des Professor*innenplenums, sowie des Bildungsministeriums beinhaltet. Diese soll sich im laufenden Monat mit der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes befassen. Bis jetzt ist die Form des neuen Gesetzes nicht abzusehen, aber die Mitarbeit der Studierendenvertreter*innen bedeutet erst einmal Nichts: Nur der Druck der Student*innen kann die Regierung daran hindern, den gleichen Inhalt in eine neue Form zu gießen.

Allerdings ist es auf jeden Fall ein kleiner Erfolg, eine gewonnene Schlacht in einem großen Krieg. Die Studierendenproteste war bisher die größte Bewegung im kurzen Bestehen der unabhängigen Republik Makedonien (seit 1991). Ihr Erfolg, so begrenzt er auch sein mag, gibt auch anderen Schichten in der Bevölkerung Hoffnung und Inspiration.

So gab es in den letzten Monaten einige größere Demonstrationen der auf Honorarbasis Beschäftigten, die sich mit der Unibewegung solidarisierten und vice versa. Die auf Honorarbasis Beschäftigten sollen auf Grundlage eines neuen Gesetzes ihre Gesundheits- und Sozialversicherung zur Gänze selbst bezahlen um die Unternehmen zu entlasten, was einer Lohneinbuße von 35% gleichkommt. Eine teilweise Überschneidung dieser Proteste ergab sich auch dadurch, dass ein großer Teil des Lehrpersonals an den Hochschulen in solchen prekären Beschäftigungsverhältnissen steckt.

Gleichzeitig erschütterten zwei Skandale das Land: einerseits ist ans Tageslicht getreten, dass die Regierung in den letzten Jahren illegal Telefonate überwacht hat.Der andere Skandal ist der Tod eines jungen Mädchens, Tamara, das an Skoliose litt und deren Eltern die Behandlung nicht bezahlen konnten.

Es ist also eine politisch aufgeheizte Situation und langsam dämmert der makedonischen Arbeiter*innenklasse und Jugend, dass der versprochene Wirtschaftsaufschwung im Kapitalismus nicht kommt, sondern sich im Gegenteil die Lage in den letzten 25 Jahren sehr verschlechtert hat. Daran wird sich so auch nichts ändern wenn wir nicht selbst unsere Zukunft in die Hand nehmen. Doch während sich das Bewusstsein darüber immer weiter radikalisiert fehlt es an politischen Kräften, die dieser Unzufriedenheit einen organisierten bewussten Ausdruck in Form einer sozialistischen Arbeiter*innenpartei verleihen.