EU-Saatgutverordnung

saatgutAm 6. Mai wurde der offizielle Entwurf für die neue EU-Saatgutverordnung vorgelegt. Von vielen Seiten gibt es scharfe Kritik daran, so führen beispielsweise Global 2000 und Arche Noah seit einiger Zeit eine Kampagne dagegen, auch die Grüne Partei hat sich dagegen ausgesprochen. Einige Punkte wurden daraufhin auch bereits abgeändert. Doch worum geht es?

Die Saatgutverordnung regelt welches Saatgut verkauft werden darf und welches nicht. Jedes von einem mittleren oder größeren landwirtschaftlichen Betrieb verwendete Saatgut muss zuerst registriert werden, was sehr kostspielig ist. Dies betrifft allerdings nur alte Sorten von Saatgut (also meist solche die keine Hybride sind), da die neueren Hybride ja bereits aus Patentgründen registriert sind. Der ursprünglichen Formulierung zufolge wäre es verboten gewesen solches nicht registriertes Saatgut auszusäen, zu reproduzieren oder weiter zu geben.

So eine Registrierung kostet pro Sorte an die 1000 Euro. Das reicht aber nicht: man muss auch nachweisen können, dass diese Sorte bereits seit Längerem auf dem Markt sei. Das ist erstens schwierig bei seltenen Sorten, zweitens würde diese Regelung es verunmöglichen Neukreuzungen oder neu entdeckte Arten auf den Markt zu bringen. Wenn die Pflanze dann endlich registriert wurde ist es damit jedoch noch lange nicht getan: dann muss bis in alle Ewigkeit jährlich eine Gebühr entrichtet werden, sofern die Pflanze auf der Liste bleiben soll.

Gerade diese alten und jetzt gefährdeten Sorten sind es jedoch, die oft eine stärkere Resistenz gegenüber Schädlingen und Wetterschwankungen aufweisen, auch ohne Pestizide und künstliche Düngemittel gedeihen (wodurch sie gesünder sind) und die auch unendlich fortpflanzungsfähig sind.

Warum will die EU also die Artenvielfalt einschränken und diese qualitativ meist hochwertigeren Lebensmittel verbieten und ausrotten?

Trauriger weise sind es genau diese Vorteile, die alte Sorten (also nicht Hybride) haben, die dazu führen, dass sie nun diskriminiert werden sollen. Die großen Agrarkonzerne (z.B. Monsanto & Dupont) in deren Besitz sich über 90% der Patentrechte auf Hybride befinden, wollen sich damit und mit ihren Riesenprofiten nicht mehr zufrieden geben. Nun möchten sie alle anderen (noch) nicht-patentierten Arten von Saatgut verbieten lassen, um auch den letzten Rest des Kleinbürgertums vom Markt zu drängen und ihre Monopolstellung auszubauen. Dabei arbeiten sie Hand in Hand mit der chemischen Industrie zusammen, die unter anderem auch die für die Hybride benötigten Düngemittel und Pestizide herstellt. Es ist also nicht nur ein Angriff auf unsere Lebensmittel, sondern vor allem auch ein imperialistischer Schachzug des Monopolkapitals.

Ursprünglich wurden Hybride in erster Linie geschaffen um einen höheren Ertrag zu erreichen, mittlerweile im Zeitalter der Überproduktion geht es den Hybride produzierenden Unternehmen in erster Linie darum Abhängigkeit zu schaffen um sich jährliche Absätze zu sichern. Wer einmal genmanipuliertes Saatgut kauft und anbaut, der ist darauf angewiesen für die nächste Aussaat wieder neues (patentiertes) zu kaufen, da diese Pflanzen nicht fortpflanzungsfähig sind. Das ist soweit fortgeschritten, dass es bereits jetzt schon ziemlich schwer ist genetisch nicht modifiziertes Saatgut zu bekommen und es eigene Organisationen gibt (wie z.B. Arche Noah), die sich dafür einsetzen dieses Saatgut zu sammeln und zu verbreiten.

Die Proteste die es bisher gegen die Verordnung gab, haben zu einer kleinen Verbesserung geführt: Nun soll es zumindest auf so genannten „Nischenmärkten“ erlaubt sein, mit nicht registriertem Saatgut zu handeln. Nischenmarkt wird hierbei so definiert, dass das herstellende Unternehmen nicht mehr als 10 Mitarbeiter*innen haben und der Jahresumsatz maximal zwei Millionen Euro betragen darf. Das kann zwar für Kleinbäuer*innen den Unterschied zwischen bankrott und Erhaltung ihres Betriebes bedeuten und ist daher keine irrelevante Abänderung. Andererseits muss man es so betrachten: hier wird per Gesetz festgeschrieben, dass die „Konkurrenz“ , also jene Betriebe die nicht mit den patentierten Hybriden arbeiten und somit den Monopolkonzernen in diesem Bereich keine Profite erwirtschaften, nicht über eine bestimmte Größe hinaus wachsen dürfen. Der von bürgerlichen Ökonomen oft gepriesene „freie marktwirtschaftliche Wettbewerb“ wird hier nicht nur wie bereits schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts durch Monopolbildung immer mehr beseitigt, er wird sogar noch gesetzlich verboten.

Die ganze Diskussion um die Saatgutverordnung ist ein gutes Beispiel dafür, wie das kapitalistische System statt die für Fortschritt und Entwicklung zu sorgen in Wirklichkeit Forschung und Verbesserung der Gesellschaft hemmt. Profitorientierte Wirtschaft zerstört unsere Lebensgrundlage. Die Lösung des Problems kann jedoch nicht ein Schritt nach hinten, zurück zur kleinbäuerlichen Lebensweise großer Teile der Bevölkerung sein. Auch geht es nicht um den Schutz „unserer“ einheimischen Bauern vor der Einflussnahme des Auslands. Dass die Welt in Nationalstaaten mit mehr oder minder abgegrenzten Wirtschaftsräumen und somit nationalen wirtschaftlichen Interessen geteilt ist und die nationalen Produzent*innen gegen einander konkurrieren ist ein Teil des Problems. Eine zielführende und zu Ende gedachte Kritik am Monopolkapitalismus kann deshalb auch niemals aus der rechten Ecke kommen. Eine Abschaffung des Monopolkapitals und der globalisierten Wirtschaft zu fordern und gleichzeitig jene kapitalistische Produktionsweise zu fördern, die die jetzige Situation erst hervor gebracht hat, ist erstens illusorisch und zweitens Realitätsverweigerung.

Wir brauchen ein radikal anderes System, eine andere Art zu produzieren und zu verteilen. Die planmäßige Gestaltung der Wirtschaft ihre Führung unter Arbeiter*innenkontrolle und die demokratische Einbindung der gesamten Bevölkerung in politische und ökonomische Entscheidungen sind notwendig um diese Welt zu erhalten und sie besser zu machen. Deswegen kämpfen wir für folgende Forderungen:

  • Gegen die EU-Saatgutverordnung! Keine Illegalisierung von Nahrungsmittel!

  • Lebensmittelversorgung muss allen gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Gegen alle Patentrechte auf Nahrungsmittel!Verstaatlichung der großen Konzerne wie z.B. Monsanto, Dupont etc. unter Arbeiter_innenkontrolle!

  • Kontrolle der Produzent*innen und Konsument*innen darüber wie Nahrungsmittel produziert und verteilt werden!

  • Gegen die imperialistische Kontrolle weniger Konzerne über Entwicklungsländer!

  • Für eine nachhaltige und umweltfreundliche, demokratische Planwirtschaft, die für Bedürfnisse statt für Profit produziert!