Endlich wieder Unibesetzung

Was einige bei der Novellierung des Universitätsgesetzes vor zwei Jahren erwartet haben, ist jetzt passiert. Zum ersten Mal seit 2009 wurde in Wien ein Hörsaal besetzt. Inzwischen sind zum Hörsaal C1 am Campus der Uni Wien je einer auf der BOKU, der GEIWI in Innsbruck und im Unipark Salzburg dazugekommen. Im Gegensatz zu den vergangenen Studierendenprotesten liegt der Schwerpunkt der aktuellen Bewegung jedoch nicht auf den Studienbedingungen. Stattdessen folgen sie einem global angelegten Aufruf aus der Klimabewegung.

Erde brennt

Unter dem Namen „End Fossil – Occupy“ erfolgte im März ein Aufruf an Studierende und Schüler*innen auf der ganzen Welt, ihre Schulen und Unis im Herbst zu besetzen. Diesem folgte die lose zusammengesetzte Gruppe, die in Österreich als „Erde Brennt“ nun in vier Hörsälen sitzt. Die weltweit gleiche Hauptforderung ist das Ende der fossilen Industrie. Da die lokalen Besetzungen aber eigene Forderungen formulieren sollen, geht die Gruppe noch auf weitere Themen ein. Sie sieht die multiplen Krisen als Teil des Systems, das sie radikal ändern will, auch wenn das Wort „kapitalistisch“ in der Kommunikation der Wiener Besetzung vermieden wird.

Positionen

Neben dem Ende fossiler Energiegewinnung fordern die Besetzenden in Wien eine Verkehrswende inklusive gratis Öffis, das Ende von Bodenversiegelung und die Umsetzung der Forderungen des Klimarats. Den Bereich „Soziales“ decken ein Ruf nach Übergewinn- und Vermögenssteuer, kollektivierte Energieunternehmen, das Ende von Wohnspekulation, ein Lieferkettengesetz und das Bleiberecht für alle ab. Die Bildungskrise soll gelöst werden durch eine gesicherte Hochschulfinanzierung, Studierendenorganisation abseits der ÖH, „Systemkritik“ in jeder Lehrveranstaltung und ein freier Hochschulzugang. Die Forderungen in Salzburg und Innsbruck gehen nicht nennenswert weiter, sind aber stärker und konkreter ausformuliert als der noch vorläufige Entwurf der Gruppe in Wien. Diese ruft auch alle Interessierten auf, sich daran vor Ort zu beteiligen, um den fertigen Katalog dann zu veröffentlichen.

Die Formulierung von Forderungen wird durch zwei Mechanismen erschwert: Die Prozesse stehen allen offen, die vorbeikommen wollen, es gibt keine gewählten Vertreter*innen. Und Entscheidungen müssen im Konsens, also ohne Gegenstimme getroffen werden. Ein einzelnes Veto kann also Beschlüsse weit hinauszögern oder blockieren. Es kann also nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Forderungen am Ende der Besetzung feststehen werden.

Kritik

Insgesamt stellen die Forderungen trotz dem Eigenanspruch der Systemkritik den bürgerlichen Staat und das Wirtschaftssystem nicht direkt in Frage. Handeln soll der Staat selbst und damit das System, für das er steht. Das unterscheidet sich im Großen und Ganzen nicht sonderlich von der Vorgehensweise von Extinction Rebellion (XR). Diese Gruppe wird oft als der radikale Flügel der Klimabewegung bezeichnet, während sie in ihren Ideen nicht über den bürgerlichen Staat hinausdenkt.

Die Besetzung zur Verhinderung der sogenannten Stadtstraße in Hirschstetten hatte ein klares Ziel in der Verhinderung des Baus. Demgegenüber steht jetzt das Ziel, einfach Aufmerksamkeit zu generieren. Es soll Druck auf die Herrschenden aufgebaut werden, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Bildungsthemen, die man von Unibesetzungen erwarten würde, werden in Diskussionen ernst genommen, spielen aber nur die zweite Geige. Menschen, die an der Uni arbeiten, finden mit Ausnahme einiger gleichgesinnter Lektor*innen keine Einbindung. Auch die Sicherheitsleute, die weiterhin entspannt im Hörsaalzentrum arbeiten, werden maximal in einzelne Gespräche verwickelt und nicht aktiv eingebunden.

Trotz all der Kritikpunkte wollen wir festhalten, dass wir der Besetzung natürlich positiv gegenüberstehen. Sie schafft einen offenen Diskussionsraum sowie einen selbstorganisierten, konsumfreien und warmen Innenraum, der im Winter zunehmend gebraucht wird. Wir rufen also dazu auf, sich solidarisch zu beteiligen und an der Erarbeitung des Forderungskatalogs mitzuarbeiten, soweit die Strukturen dies ermöglichen.