Die Teuerung belastet die Haushalte in Österreich zunehmend. Die Inflation für Oktober liegt im Vergleich zum Vorjahr bei 11 %. Ausgleichsmaßnahmen der Regierung sind demgegenüber bescheiden und auch die schon gewerkschaftlich verhandelten Lohnerhöhungen hinken den Preissteigerungen deutlich nach, wie gerade im Metaller*innen-KV (+7,4 %). Ein gewichtiger Faktor dabei sind die Energiekosten, welche mittlerweile einen fixen Bestandteil der kapitalistischen Krise ausmachen.
Abseits vom indirekten Einfluss auf die Lebensmittelpreise spürt man die steigenden Energiepreise insbesondere auf der eigenen Strom- oder Heizrechnung. So erhöhten beispielsweise Wien Energie und EVN die Preise für Strom und Gas pro Haushalt mit 1. September: um monatlich 36-57 € für Strom oder um 60-108 € für Gas. Die Preise für Haushaltsenergie insgesamt lagen im September um 54,5 % höher als im Vorjahr (Strom 36,8 %, Gas 113,5 %). Nach einem kleinen Rückgang im August setzt sich somit die Teuerung bei Strom und Heizen fort. Laut Österreichischer Energieagentur ist beinahe die Hälfte der allgemeinen Inflationsrate auf die Energiepreissteigerungen für Haushalte zurückzuführen. Die Gaspreise sind hierbei der Treiber und drücken die Strompreise gewaltig in die Höhe. Das sieht man, wenn man die Großhandelspreise an den Börsen betrachtet. Der Österreichische Strompreisindex explodierte hier regelrecht und liegt um 342,2 % höher als im Vorjahr. Unterdessen profitieren die Stromversorgungsunternehmen ganz gewaltig von Extraprofiten, wie zum Beispiel die Verbund AG.
Ursachen der Preisexplosion
In der öffentlichen Debatte scheinen die Gründe für die steigenden Energiepreise vollkommen klar. Das Corona-Virus und der Ukrainekrieg seien die zwei Faktoren, welche die Preise so nach oben getrieben haben. In der Pandemie kam es demnach zu starken Zerrüttungen in den internationalen Lieferketten, in denen ganze Produktionszweige ausgefallen waren, womit ein Stocken und Nichtrealisieren von Teilprodukten eingetreten war. Diese Probleme wirken bis jetzt nach. Mit der wirtschaftlichen Erholung und den Problemen in den Lieferketten stieg der Energiebedarf dann aber wieder an. Zeitgleich haben die verringerten und nun fast vollkommen eingestellten Gaslieferungen aus Russland zu einem Engpass des Gasangebots geführt, zu Verunsicherungen an den Märkten, der starken (staatlichen) Nachfrage angesichts der Heizperiode usw. Hierin wird deutlich wie die scharfe Konkurrenz imperialistischer Großmächte (auf der einen Seite Russland, auf der anderen Seite der westliche Block USA-EU) auf die kapitalistische Krise zurückschlägt und sie verschärft.
Auch sehr wichtig für die steigenden Energiepreise sind die nicht ganz so offensichtlichen Faktoren von Wettbewerbsrecht und Börse. Hierin liegt unter anderem der Grund, warum manche Energieanbieter Milliarden Gewinne fahren und andere um staatliche Unterstützung ansuchen müssen. Am Strommarkt kaufen Energieversorgungsunternehmen Strom ein und verkaufen ihn dann an ihre Kund*innen. Die exakte Preisbildung wird durch das sogenannte Merit-Order-System realisiert. Dabei werden die günstigeren Kraftwerke vor den teureren in Anspruch genommen, bis der tägliche Energiebedarf gedeckt ist. Der Preis des teuersten Kraftwerks in dieser Reihe legt dann den allgemeinen Strompreis fest, also auch jenen der eigentlich günstigeren Kraftwerke. Alle Erzeuger erhalten somit gleich viel, obwohl die eigentlichen Stromgestehungskosten unterschiedlich sind. Aktuell sind erneuerbare Energien vergleichsweise billig, Gas hingegen teuer. Am Ende wird der Strompreis an der Börse somit von den Gaskraftwerken bestimmt und in die Höhe getrieben. Umgekehrt kommen Vergünstigungen aber kaum bei Endkund*innen an.
In diesem Spiel gibt es aber noch einen anderen interessanten Aspekt: Wenn sich die Energieversorgungsunternehmen die Energiezufuhr im Voraus sichern, was oft sicherer, kalkulierbarer und billiger ist, macht man das an der Börse über sogenannte „Futures“, also Geschäfte in der Zukunft. Um diese abzusichern, gibt es hohe Kautionen, die bei starken Preissteigerungen angepasst werden müssen. Das war zum Beispiel der Fall bei der Wien Energie, die deshalb eine Nachzahlung von 1,7 Mrd. Euro machen musste und dafür staatliche Beihilfen erhielt.
Antworten der Regierung
Die Regierung hat einen Energiekostenausgleich beschlossen um die Haushalte zu unterstützen, ein einmaliger Zuschuss in der Höhe von 150 €. Dass solche Einmalzahlungen nicht nachhaltig sind und schnell verpuffen liegt auf der Hand, dass ein solcher Betrag bei weitem nicht ausreichend ist, ebenso. Deshalb wurde eine weitere Maßnahme beschlossen, die sogenannte Strompreisbremse, die mit Anfang Dezember in Kraft treten soll. Ein Bremsen der Strompreissteigerung darf man sich allerdings nicht erhoffen, denn die Strompreisbremse greift gar nicht in die Preisbildung ein sondern subventioniert lediglich 30 Cent / kWH für einen Stromverbrauch bis zu 2.900 kWh. Die Gegenfinanzierung der Maßnahme bleibt offen und somit müssen wir uns die Entlastung wohl über unsere eigenen Steuern zu einem gewissen Teil selbst zahlen. Nicht einmal zu einem Abschöpfen der Übergewinne in der Energiebranche zu einem solchen Zweck kann sich die schwarz-grüne Regierung durchringen.
Politische Lösungen
In der Krise wird offenkundig, dass der kapitalistische Markt die grundlegenden Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen nicht befriedigen kann. Die Liberalisierung des Strommarktes vor 21 Jahren erweist sich als Bumerang, der die lohnabhängige Bevölkerung mit voller Wucht trifft. Hinzu kommen die Versäumnisse zur Bewältigung der Klimakrise, mit denen implizit die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen in Kauf genommen wurde. Staatliche Eingriffe in den Markt müssen daher politisch durchgesetzt werden um unsere Lebensbedingungen zu sichern. Das ist eine zentrale Herausforderung für die Arbeiter*innenklasse, die Gewerkschaftsbewegung und die Linke. Dabei müssen sie sich im ersten Schritt der politischen Ziele bewusst werden.
Die Strompreise werden auch mit Strompreisbremse hoch bleiben und unter Umständen weiter explodieren. Eine wirksamere Maßnahme dagegen wäre (neben der Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Haushaltsenergie) ein tatsächlicher Strompreisdeckel, sowie eine konstenfreie Energiegrundsicherung in Höhe des Energieverbrauchs gewöhnlicher, lohnabhängiger Haushalte. Zusätzlich muss die Liberalisierung des Strommarktes rückgängig gemacht werden. Dazu gehört die Verstaatlichung aller relevanten Stromerzeugungs- und Energieversorgungsunternehmen und die Vergesellschaftung ihrer Gewinne. Verstaatlichung und Regulierung des Strommarktes erlauben die Einführung von Planungsmechanismen, wodurch die Energieversorgung den sozialen Bedürfnissen und Erfordernissen der Umwelt angepasst werden kann. Diese Übergewinne der Energieunternehmen müssen als Teil eines gesellschaftlichen Notfallplans für den nachhaltigen und umweltgerechten Umbau der Energieversorgung eingesetzt werden.