Gegen jeden Antisemitismus!

Erschreckende Zahlen in der neuen Antisemitismusstudie: Die Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen ist weiter sehr hoch. 26 % der Österreicher*innen glauben, dass Jüd*innen die Welt beherrschen, 11 % dass sie zu viel Einfluss auf die österreichische Politik haben. Das sind keine lächerlichen Vorurteile, sondern Grundlage für antisemitische Mobilisierungen, die diesen vermeintlichen Einfluss von Jüd*innen zurückdrängen will und sich direkt gegen sie richten wird. Gleichzeitig steigt die Anzahl antisemitischer Straftaten weiter an. Die frustrierende Pandemiepolitik der Regierung, gemischt mit der rechten Hetze der ÖVP, bereiten den Boden für diesen Rechtsruck in der Krise.

2020 gab es einige schockierende antisemitische Angriffe, wie den auf den Präsidenten der IKG-Graz, oder die Zerstörung der Überlebenden-Portraits auf der Wiener Ringstraße. Ein neuer Gipfel war aber bestimmt die Neonazi-Gruppe die am 6.3. am Weg zur FPÖ-Corona-Kundgebung mit Hitlergrüßen an Synagogen im Zweiten Bezirk vorbeizog. Auf dem Selbstbewusstsein von Faschist*innen, die sich als Speerspitze der Verharmloser*innen-Massendemos sehen, kann ein ganz neues Ausmaß der antisemitischen und rassistischen Gewalt entstehen.

Die Pandemiepolitik von Türkis-Grün befördert Verschwörungstheorien (oder Verschwörungsmythen oder Verschwörungserzählungen). Die Regierung schwankt zwischen privaten Einschränkungen zum Pandemieschutz und Öffnungen zum Schutz der Wirtschaft. Die Maßnahmen haben weniger mit dem Infektionsgeschehen zu tun, als mit der Abwägung von PR-Politik (hohe Infektionszahlen bedeuten weniger Stimmen) und Interessenspolitik (geschlossene Hotels bedeuten weniger Parteispenden). Das ist undurchsichtig, gefährlich und frustrierend.

Gleichzeitig verwendet vor allem die ÖVP gezielt rassistische Hetze, um ihre Verantwortungslosigkeit gegenüber der Bevölkerung zu verschleiern. Tatsächlich sind die Unternehmen, die Arbeiter*innen in Büro, Fabrik oder Seilbahn zwingen, schuld an den steigenden Zahlen. Die Regierungspolitik ermöglicht das bereitwillig. Um davon abzulenken hetzt Kurz gegen Migrant*innen vom Westbalkan („das Virus kommt mit dem Auto“), „die EU“ als vage angedeutete Schuldige daran, dass Österreich keine Impfdosen bestellt hat, oder eine angeblich verantwortungslose Bevölkerung.

Die Mischung aus schwer zu fassendem äußeren Bürokratiemonster und verantwortungslosen Feind*innen im Inneren sind eine wichtige ideologische Grundlage der Coronademos. Auch wenn die sich vornehmlich gegen Kurz, Nehammer und Kogler richten, gelingt es durch der rechtsradikalen Führung die Demos immer mehr auf die klassischen Feindbilder der Nazis, also Migrant*innen, Linke und vor allem Jüdinnen und Juden zu richten. Die immer untersagten und oft kurz eingekesselten Demos werden von der Polizei nach scheinbarem Widerstand geduldet, was Nazihooligans, Identitären und Alt-Neonazis wie Gottfried Küssel die Möglichkeit gibt, sich an die Spitze einer Massenbewegung zu stellen.

Die Antisemitismusstudie wurde vom Nationalratspräsidenten Sobotka präsentiert, der selber am rechten Flügel der ÖVP steht. Ihm ist natürlich wichtig, die Gefahr eines angeblichen linken Antisemitismus oder Hetze von „beiden Rändern“ aufzublasen. Wie viele bürgerliche Parteien greift er dabei auf die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus zurück, Kritik am Staat Israel wird mit Hass und Gewalt gegen Jüdinnen gleichgesetzt.

Aber selbst, wenn man diese miese Täter-Opfer-Umkehr mitspielt wo genau die Linken, die gegen Antisemitismus kämpfen, für ihn verantwortlich gemacht werden, ist klar, dass die Gefahr von rechts ausgeht. Die FPÖ zeigt zum Beispiel, dass Kritik an Israel tatsächlich antisemitisch sein kann, zum Beispiel wenn FPÖ-Kickl bei der Coronakundgebung mehrmals schreit „Israel ist nicht unser Freund!“ in den letzten Jahren hatte sich die FPÖ noch demonstrativ an die rechte israelische Regierung Netanjahu angelehnt, jetzt setzt sie auf den Antisemitismus, um die rechten Corona-Demonstrant*innen an sich zu binden.

Die Antisemitismusstudie untersucht Vorurteile als private Meinungen. Aber dass der Hass gegen Jüdinnen und Juden so sprunghaft steigt, liegt daran, dass er an eine aktive und teilweise erfolgreiche politische Bewegung gebunden ist.

Der wichtigste Aspekt im Kampf gegen Antisemitismus ist zu verhindern, dass Antisemit*innen ihren politischen Einfluss ausweiten. Das bedeutet heute vor allem, Neonazi-Hooligans auf Coronademos und der FPÖ, die antijüdische Hetze wieder hervorkramt, zurückzudrängen. Das Widerlegen von antisemitischen Stereotypen ist eine wichtige Aufgabe, aber die Gefahr geht nicht von denen aus, die es angeblich nicht besser wissen. Sondern von einer selbstbewussten Rechten, die die Krise nutzen möchte, dafür Hetze und Vorurteile gezielt einsetzt, und auf eine gewalttätige Eskalation hinarbeitet.