UG Novelle stoppen

Studierendenproteste 2009 bei der Uni Wien.
foto: Manfred Werner

Die Türkis-Grüne Regierung hat einen Vorschlag für eine Novellierung des Universitätsgesetzes vorgestellt. Die Änderungen stellen eine drastische Verschlechterung für Studierende dar. In diesem Artikel versuchen wir die wichtigsten Verschlechterungen zusammenzufassen, zu erklären, warum dieser Angriff politisch ist und wie wir uns dagegen wehren können.

Nachdem eine österreichische Studie 2019 zeigte, dass nur ungefähr 6% aller Studierenden ihr Studium in Regelstudienzeit abschließen können, setzt die Regierung Maßnahmen, um diesen Missstand zu „lösen“. Für sie heißt die Problemlösung „bessere Planbarkeit“ und steht eigentlich für Leistungsdruck und Ausschluss von allen, die nicht Vollzeit studieren können. Tatsächlich werden die neuen Maßnahmen nämlich eingeführt, um auf neue Budgetbeschränkungen zu reagieren. Das Budget, das jede Uni bekommt, hängt seit Anfang 2019 mit der „Universitätsfinanzierung NEU“ viel stärker von den positiv abgelegten Prüfungen und Studienabschlüssen ab. Mit dem neuen Studienjahr 2021/22 soll die Novelle in Kraft treten.

Änderungen

Die wohl heftigste Änderung sind die neuen Auflagen 24 ECTS-Punkte innerhalb der ersten 4 Semester erbringen zu müssen – sonst erfolgt der Ausschluss aus dem Studium. Das heißt, wenn man nicht 24 ECTS-Punkte (das sind ca. 625 Stunden, der tatsächliche Arbeitsaufwand variiert aber stark von Studium zu Studium) schafft, darf man dieses Studium 10 Jahre lang nicht mehr machen. 24 ECTS-Punkte klingen nicht nach besonders viel, aber es gibt einige Punkte, die dabei nicht vergessen werden dürfen.

Circa 70% der Studierenden arbeiten neben dem Studium. Eine relevante Anzahl hat Betreuungspflichten (Kinder, kranke Angehörige, …). Für diese Menschen ist es nicht einfach die vorgesehene Anzahl an ECTS-Punkten zu erreichen. Österreich hat, trotz der Studiengebührenbefreiung (außer für Drittstaatenangehörige und Studierende außerhalb der Toleranzsemester) eine extrem schlechte soziale Durchlässigkeit. Für Menschen, die aus Arbeiter*innenfamilien kommen, ist es extrem schwer überhaupt an Universitäten zu kommen, geschweige denn dann dort zu bleiben, wenn sie zeitgleich arbeiten müssen.  Diese Auflagen führen also zu einer Erschwerung des Studienabschlusses für genau die Leute, denen von der Gesellschaft ohnehin schon Steine in den Weg gelegt werden, überhaupt studieren zu können. Für Leute mit reichen Eltern mag es kein Problem sein 24 ECTS-Punkte in zwei Jahren zu erbringen, aber für Studierende mit Jobs sieht das ganze deutlich anders aus. Zeitgleich müssen wir uns auch aus Prinzip gegen alle leistungsbezogenen Auflagen stellen. Bildung muss frei und zugänglich für alle sein. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Hürden, sondern auch um Aufnahmetests, Unvereinbarkeit von Arbeit/Betreuungspflichten und Studium, sowie bindende ECTS-Punkte-Grenzen.

Dazu kommen auch noch Verschlechterungen für prekäre Universitäts-Mitarbeiter*innen mit Änderungen bei den Kettenverträgen, die ab jetzt nur noch insgesamt 8 Jahre lang gelten dürfen. Das kommt für viele prekär Beschäftigte einer Kündigung gleich – solche Kettenverträge sind sehr gewöhnlich, unbefristete Anstellung auf den Universitäten hingegen eher eine Seltenheit. Statt die unsäglichen Kettenverträge abzuschaffen, werden sie lieber beschränkt.

Es wird auch in die Entscheidungsmöglichkeiten des Senats bezüglich der Curricula eingegriffen (ein Gremium in dem auch Vertreter*innen der Studierenden sitzen und das gewählt wird). Künftig sollen auch die Rektorate „Richtlinienkompetenzen für die Ausgestaltung von Studienplänen“ haben.

Ghostwriter*innen sind ab jetzt strafbar und nicht nur die Personen, die sie beauftragen. Das trifft allerdings auch häufig Studierende, die sich als Ghostwriter*innen ihr Studium finanzieren, oder nebenbei etwas dazu verdienen. Natürlich ist es nicht gut sich Leistung erkaufen zu können, aber eine Kriminalisierung derer, die diese Angebote machen führt dabei nicht zu Chancengleichheit im Studium. Die Probleme liegen eher im leistungsorientierten Universitätssystem, das gute Noten und einen schnellen Abschluss über das tatsächliche Lernen und die Lebensrealitäten der Studierenden stellt.

Deshalb: Kämpfe

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die versprochenen „Verbesserungen“ reine Lippenbekenntnisse sind, wenig für Studierende verändern oder sogar eine Verschlechterung darstellen. „ECTS-Gerechtigkeit“ kann nicht garantiert werden und funktioniert seit der Einführung des Bologna Systems nicht (also, dass die ECTS Anzahl auch dem tatsächlichen Arbeitsaufwand entspricht). Plagiate verjähren mit der neuen Regelung nach 30 Jahren, davor verjährte dieses „Verbrechen“ nie. Die Lehrveranstaltungen sollen in Zukunft auch zeitgerechter feststehen, um die Planung einfacher zu machen. Welche Garantie es dafür gibt, dass das in Zukunft tatsächlich passiert ist unklar, genauso wie es unklar ist, an welche Auflagen die zukünftig angekündigten „Unterstützungen“ für Studierende geknüpft sind.

Für uns ist klar, wir müssen gegen jede Verschlechterung im Studienrecht kämpfen. Das ist ein Kampf der nicht nur Studierende etwas angeht. Dass Bildung derzeit weitgehend kostenlos ist, ist nichts selbstverständliches, sondern eine harte Auseinandersetzung, die zwischen Klassenlinien geführt wird. Es ist essenziell nicht nur Studierende für diesen Kampf zu gewinnen, sondern auch Schüler*innen, Universitäts-Mitarbeiter*innen, Arbeiter*innen und vor allem auch die Gewerkschaften miteinzubeziehen. Studierende haben, auch wenn sie streiken und besetzen wenig ökonomische Macht – Taktiken wie Prüfungsverweigerung oder Vorlesungsboykotte sind natürlich oft sinnvoll und begrüßenswert, ersetzen aber nicht kollektiven Streik und einen gemeinsamen Kampf mit den Werktätigen. Diese haben aufgrund ihrer besonderen Stellung im Produktionsprozess die Möglichkeit alles lahmzulegen und damit wirtschaftlichen Druck auszuüben.

Wir müssen gemeinsam gegen diese Verschlechterungen kämpfen, nur so können wir eine starke Opposition gegen die Türkis-Grüne Regierung aufbauen. Dies ist nicht der erste Angriff und wird auch nicht der letzte sein, der sich im Rahmen der Corona-Pandemie abspielt. Wir müssen als Linke den Startschuss für eine Antikrisenbewegung geben und uns gemeinsam gegen Verschlechterungen, Kündigungen und Eingriffe in unsere Privatsphäre wehren.

Quellen:

https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20201201.html
https://www.diepresse.com/5878912/nur-sechs-prozent-schaffen-studium-in-mindestzeit