„Kopftuchdebatte“: Nichts als Rassismus

Dass zu den Aufgaben von Außenminister Kurz auch das Staatssekretariat für Integration gehört, hatten einige wohl angesichts des überwältigenden Eindrucks seines abstoßenden Beitrags zur Schließung der EU-Grenzen schon vergessen. Mit der Forderung nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst brachte der Vorzeige-ÖVPler aber seine eigenartige Vorstellung davon, wie Migrant*innen in Österreich gleichgestellt werden könnten, wieder in die öffentliche Debatte.

Konkret hatte Kurz „angedacht“, also im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum „Integrationspaket“ in den Medien verbreitet, im öffentlichen Dienst und vor allem in Schulen das Tragen eines Kopftuchs verbieten zu wollen. Außerdem möchte er Vollverschleierung (zum Beispiel mit einem Niquab) und das „Verteilen des Koran“ ganz verbieten und Geflüchtete zu Ein-Euro-Jobs verpflichten können.

Damit steht Kurz im Moment symbolhafter als alle anderen für den massiven staatlichen Rassismus, mit dem sich die Große Koalition zu profilieren versucht. Auffällig ist auch: Drei der vier Angriffe richten sich direkt und ausschließlich gegen Muslime und Muslimas, zwei sogar nur gegen muslimische Frauen und damit gegen eine mehrfach unterdrückte Gruppe. Dass es Unterstützung für diese Stimmungsmache vor allem aus der ÖVP, aber auch aus der FPÖ gibt, ist auch eine Andeutung der politischen Bündnispartner*innen, die die Zukunftshoffnung der ÖVP für die nächsten Nationalratswahlen ansprechen möchte.

Fast alle fortschrittlichen Stimmen, die sich in der Debatte zu Wort gemeldet haben, waren sich einig: Kurz geht es nicht um Säkularität. Sonst würde er sich ja auch gegen die in Schulklassen hängenden Kreuze oder andere religiöse Symbole kümmern. Das Problem geht aber noch darüber hinaus: Säkularität, die Trennung von Staat und Kirche, würde bedeuten Kreuze aus Klassen abzuhängen, den Religionsunterricht in der Schule abzuschaffen und die Privilegien von (fast ausschließlich christlichen) Religionsgemeinschaften zurückzunehmen. Das alles sind fortschrittliche Maßnahmen.

Aber eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, religiöse Symbole zu tragen, wäre dadurch nicht gerechtfertigt. Das Kopftuchverbot (oder das Verbot, eine Kreuzerlkette zu tragen) hat nichts mit Säkularität sondern mit religiöser Unterdrückung zu tun.

Dass diese sich fast nur gegen Frauen richtet und diese damit von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst fernhält, ist kein Zufall. Es ist Teil der patriarchalen Struktur, die in Österreich natürlich noch am Wirken ist, vor allem Frauen vorzuschreiben, wie sie sich kleiden müssen. So wie jede Frau das Recht haben muss, kein Kopftuch zu tragen, verteidigen wir auch das Recht, eben das zu tun. Vor allem weil so ein Gesetz vor allem zu einem Zurückdrängen von Menschen, die ohnehin als Lehrer*innen und Verwaltungsangestellte unterrepräsentiert sind, führen würde.

Aber auch, dass sich die Vorschläge gegen Muslimas richten ist keine Ungeschicktheit, kein PR-Ausrutscher. Das lässt sich mit der massiven Hetze gegen Muslime und Muslimas erklären, die spätestens seit dem Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ ein unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Rassismus geworden ist. Die als unüberwindbar dargestellte Aufteilung der Welt in fortschrittlich westliche und rückschrittlich islamisch geprägte Länder diente zur Rechtfertigung der imperialistischen Kriege in Afghanistan und im Irak, heute wird sie von Politiker*innen fast aller Parteien verwendet.

Der Rassismus gegen Muslime und Muslimas ist ein zentraler Bestandteil in der Regierungspolitik, die rückschrittliche soziale Maßnahmen (wie die für das Integrationspaket vorgeschlagenen Niedrigstlohnjobs) in rassistische Hetze einbettet. Damit werden einerseits Präzedenzfälle geschaffen, wie bei der Kürzung der Mindestsicherung für Geflüchtete in Oberösterreich, die dann auf alle Empfänger*innen ausgeweitet wurden. Aber es wird auch auf eine Spaltung der Betroffenen abgezielt wenn Minderheiten ausgeschlossen werden.

Es ist notwendig, den Vorschlägen und dem ganzen reaktionären Integrationspaket entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen. Der gemeinsame Kampf von betroffenen und nicht betroffenen Antirassist*innen ist auch angesichts des offensichtlichen Rechtsruck in der österreichischen Politik eine zentrale Aufgabe. Die Kundgebung der Sozialistischen Jugend Wien zusammen mit der Muslimischen Jugend am 16. Januar war ein guter Anfang.

So eine Bewegung muss sich gegen den Rassismus gegen Muslime und Muslimas, gegen die offensichtliche Frauenverachtung des Kurz-Vorschlags und gegen den zunehmenden staatlichen Rassismus im Allgemeinen richten. Wir müssen gemeinsam kämpfen, um die Kürzungen auf dem Rücken der Arbeiter*innen und Unterdrückten zurückschlagen zu können.

Mo Sedlak, Januar 2017