Den Charakter der FPÖ verstehen, um sie zu bekämpfen

Die Niederlage Norbert Hofers bei den Bundespräsidentschaftswahlen sorgt bei vielen Antirassist*innen für Erleichterung. Dabei gibt es eigentlich kaum einen Grund dazu. Die FPÖ erlebt seit Jahren einen stetigen Aufstieg und ist mit deutlichem Abstand zur SPÖ die stärkste Partei in diesem Land. Bei den nächsten Nationalratswahlen droht eine blaue Machtübernahme – daran wird auch Van der Bellen nichts ändern. Den Einfluss der FPÖ zurückzudrängen, das ist eine der zentralsten Aufgaben im österreichischen Klassenkampf. Zu diesem Zweck untersuchen wir in diesem Artikel die Freiheitliche Partei und leiten Ansätze für einen effektiven Kampf gegen sie ab.

Gegründet wurde die FPÖ 1956, ihr erster Vorsitzender war der Ex-SS-Brigadeführer Anton Reinthaller. In ihren ersten Jahrzehnten blieb sie immer nur im einstelligen Prozentbereich und versuchte sich auch zeitweilig ein liberales Image zu verpassen. Dieser liberale Trend nahm mit der Wahl von Jörg Haider 1986 ein jähes Ende.

Mit Haider gelang der FPÖ ein regelrechter Höhenflug. Der wirtschaftliche Boom der Nachkriegszeit war vorbei und damit auch die Ära der SPÖ-Alleinregierungen Kreiskys. Gleichzeitig mit dem Aufstieg der FPÖ begann auch der lange, aber stetige Niedergang der SPÖ: Hatte sie 1980 noch 730.000 Mitglieder, waren es 1990 noch 620.000, 2002 nur mehr 320.000 und 2014 überhaupt nur mehr knapp über 200.000 Mitglieder. Der FPÖ gelang es unter Haider mit einer Mischung aus sozialem Populismus und Rassismus die Wahlergebnisse der FPÖ (bis auf einen kleinen Einbruch bei den Wahlen 1995) stetig zu verbessern.

Möglich wurde dieser Erfolg erst durch die Politik der Sozialdemokratie. Auf der einen Seite setzte sie als Regierungspartei (von 1970-2000 stellte sie jeden Kanzler) unbeliebte Politik durch, auf der anderen Seite bereitete sie mit ihrer Standortpolitik und ihrer Einreihung in den nationalistischen Normalzustand Österreichs nach 1945 in der österreichischen Arbeiter*innenklasse den Nährboden für einen Rassismus neuer Qualität.

Nach dem bis dahin größten Erfolg der FPÖ und dem Rückzug Haiders aus der Bundespolitik wurde die FPÖ ihrem ersten realen Test in der schwarz-blauen Koalition unterworfen. Vom sozialen Populismus und Rassismus blieb nur der Rassismus über. Gemeinsam setzte sie mit der ÖVP einen bis dato nicht gesehenen sozialen Kahlschlag durch, der Sozialstaat wurde abgebaut und der Staatssektor zurückgedrängt. Nach den folgenden Wahlen 2002 und der weiteren Regierungsbeteiligung als zurückgestutzter Juniorpartner der ÖVP kam es dann schließlich 2005 zur Gründung des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das Haider und sein Gefolgsleute ins Leben riefen. In der FPÖ setzte sich Heinz Christian Strache und der Burschenschafter-Flügel durch.

Strache an der Macht

Mit Strache begann der zweite (und bis dato ungebrochene) Höhenflug der FPÖ. Mit einer ähnlichen Taktik wie Haider gelang es der FPÖ nun nicht nur die gemachten Verluste wieder wett zu machen, sondern aktuell liegt die FPÖ mit über 30% in fast allen Umfragen unangreifbar auf Platz Eins. Das lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Auf der einen Seite setzte die SPÖ nach den schwarz-blauen Jahren 2000-06 und der darauf folgenden Wirtschafts- und Finanzkrise umfangreiche Sparpakete durch und vergrämte damit weite Teile der Arbeiter*innenklasse. Schon bei den Wahlen 2013 holte die FPÖ die meisten Stimmen unter „Arbeiter*innen“ (Begriff entsprechend österreichischem Recht), auch der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer konnte in der 1. Stichwahl unglaubliche 86% der „Arbeiter*innen“-Stimmen auf sich vereinigen. Seit der Machtübernahme durch Strache und seine Burschenschafter-Freunde bereitet sich die FPÖ strategisch auf eine Regierungsbeteiligung vor. Was aber, würde so eine Regierungsbeteiligung mit sich bringen? Wofür steht die FPÖ?

Was ist die FPÖ?

Die FPÖ steht aufgrund ihrer Entstehung und Geschichte klar außerhalb der politischen Nachkriegsordnung Österreichs, deren zentrales Element ein historischer Kompromiss aus Arbeiter*innenbewegung (unter nahezu totaler Dominanz der SPÖ) und österreichischem Kapital (deren historische Partei die ÖVP ist) war. Die FPÖ vereinigt in sich recht widersprüchliche Tendenzen, auf der einen Seite ist sie historisch und personell ganz klar eine elitäre Partei, ihre Kernanhängerschaft besteht aus besser gestellten Akadmiker*innen, Kleinunternehmer*innen und Selbstständigen (mit enger Verstrickung zu den burschenschaftlichen Verbindungen). Diese waren zwar nie entrechtet, aber schon von den Zentren der Macht ausgeschlossen. Eine Erweiterung dieser Anhängerschaft gelang erst mit der Ablegung des traditionellen Deutschnationalismus und einem Bekenntnis zur österreichischen Nation, das den Aufstieg unter Haider erst ermöglichte.

Seit Haider und mehr noch unter Strache gibt es aber noch eine zweite bestimmende Tendenz der FPÖ, die des Populismus und der sozialen Demogagie. Recht erfolgreich schafft sie es, sich als „soziale Heimatpartei“ zu präsentieren und scheut dabei auch nicht davor zurück sich als die wahren Erben der Sozialdemokratie darzustellen. Die Mobilisierung großer Schichten des traditionellen SPÖ-Klientel (in ländlichen Gebieten vermehrt auch ÖVP-Schichten) gelingt in erster Linie mit sozialen Versprechungen und Rassismus. Für den Rassismus hatte die Sozialdemokratie mit ihrer Standortpolitik und dem Bekenntnis zum österreichischen Nationalismus gute Vorarbeit in der Arbeiter*innenklasse geschaffen und mit ihrer Sparpolitik im Interesse des Kapitals das Übrige getan.

Um ihr Ziel – die Übernahme der nächsten Regierung – erreichen zu können, muss die FPÖ einen Kompromiss eingehen. Auf der einen Seite muss sie das Vertrauen relevanter Teile der herrschenden Klasse, die Großteils immer noch die ÖVP als ihre Partei ansehen, gewinnen, auf der anderen Seite muss sie es schaffen ihre Anhänger*innen zu mobilisieren. Das Verhältnis zur herrschenden Klasse hat sich, vor allem auch aus einer Enttäuschung derselben mit der aktuellen Regierung, in den letzten Jahren recht stark verbessert, auch wenn diese tendenziell die FPÖ als geeigneten Koalitionspartner und weniger als die eigentlich bestimmende Kraft im Land sieht. Auch der zwiespältige Umgang mit der EU-Mitgliedschaft, und der Unsicherheit die damit der herrschenden Klasse suggeriert wird, zeichnet die FPÖ momentan aus. Auf der einen Seite im Interesse kleinerer, nationaler Kapitalfraktionen zu stehen und die österreichische Wirtschaft über die EU zu stellen und gleichzeitig die Investitionen größerer Wettbewerber, vor allem in den Balkanländern zu wahren, ist ein Spagat der die FPÖ – zusätzlich zur ständigen EU-Kritik – unter Zugspannung setzt.

Weiters tendiert die FPÖ in eine Richtung, die wir in den letzten Jahren in einer Reihe von Staaten – in und außerhalb Europas – erkennen konnten, die Tendenz in Richtung Bonapartismus und Autoritarismus. Norbert Hofer bringt das selbst am besten auf den Punkt, indem er sich als „sozialpolitisch mitte-links, sicherheitspolitisch mitte-rechts, wirtschaftspolitisch liberal“ bezeichnet. Damit reiht sich die FPÖ in eine Politik ein, die wir schon in Ungarn, Polen, der Türkei und vor kurzem auch in den USA sehen konnten. Auf der einen Seite werden (der österreichischen) Arbeiter*innenklasse soziale populäre politische Versprechungen gemacht, auf der anderen Seite wird klar Politik im Interesse der Herrschenden gemacht, was durch die Sündenbock-Wirkung des Rassismus auch noch effektiv funktioniert.

Die Politik der FPÖ, aber auch anderer rechter Kräfte richtet sich auch gegen traditionelle Organisationen der Arbeiter*innenbewegung, immer wieder wird von Seiten der FPÖ Kritik an der Arbeiterkammer oder den Gewerkschaften laut, vor ein paar Jahren forderte der damalige FPK-Landeshauptmann Dörfler sogar die „Abschaffung“ des ÖGB.

Die FPÖ faschistisch nennen?

Wenn man den Anspruch hat einen wissenschaftlichen Faschismus-Begriff zu verwenden, dann wird auch recht schnell klar, dass die FPÖ keine faschistische Partei ist. Obwohl Strache in seiner Jugend durchaus enge Verbindungen zu diversen militanten Neonazis hat (Wehrsport-Übungen, etc.) und es durchaus einige FPÖ-Funktionäre gibt, die immer wieder durch eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus auffallen, stellt die FPÖ keine faschistische Partei dar. Faschismus ist seinem Wesen nach eine nationalistisch-kleinbürgerliche und militante Bewegung, die sich gegen „die Elite“ aber vor allem gegen die Arbeiter*innenbewegung, Migrant*innen, Homosexuelle und andere Unterdrückte richtet. Die FPÖ hetzt zwar gegen diese Gruppen, aber sie hält sich an die bürgerlich-demokratischen Spielregeln und verzichtet auf eine außerparlamentarische Bewegung auch wenn sie selten, aber doch, Protestaktionen nutzt. In den letzten 30 Jahren seit dem Aufstieg Jörg Haiders und dem damit verbundenen Aufstieg der FPÖ hat sie auch keine Anstalten gemacht sich in eine militante Richtung zu entwickeln.

Das bedeutet aber gleichzeitig nicht, dass es sich bei der FPÖ um eine Partei wie jeder anderen handelt. Die Politik der FPÖist ein klarer Bruch mit der immer noch bestehenden Nachkriegsordnung und der sozialpartnerschaftlichen Ideologie der österreichischen herrschenden Klasse. Bei einer deutlich zugespitzteren Situation ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich eine faschistische Kraft erst einmal in der FPÖ konstituiert und versucht die Partei für sich zu gewinnen (nicht zufällig pflegen die meisten faschistischen Kader ein Näheverhältnis zur FPÖ oder sind gar Parteimitglieder), doch das wird nicht einfach ohne (Um-)Brüche in der Partei passieren.

Was tun?

Bei all dem stellt sich nun natürlich die Frage, was denn gegen die FPÖ getan werden kann? Oder ist womöglich alles schon verloren? Zuerst einmal müssen wir feststellen, dass die FPÖ mittlerweile schon länger nicht mehr einfach nur von „Protestwähler*innen“ gewählt wird, sondern durchaus eine stabile Verankerung im Kleinbürger*innentum und breiten Schichten der Arbeiter*innenklasse hat, ein rascher Absturz wie Anfang des Jahrtausends als sie innerhalb von 3 Jahren 17 Prozentpunkte verlor, ist wohl kaum nochmals zu erwarten.

Das heißt der Kampf gegen die FPÖ wird nicht von heute auf morgen erfolgreich sein. Auch eine glaubhafte linke Alternative, die im Endeffekt nur eine neue Arbeiter*innenpartei sein kann (die ja derzeit nicht existiert), wird nicht von heute auf morgen mit dem Problem der FPÖ aufgeräumt haben. Vielmehr muss man mit konsequent klassenkämpferischer Politik und geduldiger Arbeit in der Arbeiter*innenklasse der FPÖ den Nährboden entziehen. Dabei reicht es nicht allein die „soziale Frage“ aufzuwerfen, in der Erwartung das Problem Rassismus löse sich dann ganz von selbst. Statt dessen braucht es klare internationalistische, sozialistische Antworten auf die Probleme der Arbeiter*innenklasse Allen voran in den Gewerkschaften muss eine klassenkämpferische Politik fern von Sozialchauvinismus, Standortpolitik und Sozialpartner*innenschaft durchgesetzt werden, die soziale und antirassistische Forderungen miteinander verbindet – nicht zufällig kommt aus Teilen der Gewerkschaftsbürokratie der größte Zuspruch zu einer Koalition von SPÖ und FPÖ.

Alex Zora, Arbeiter*innenstandpunkt 242, Dezember 2016/Januar 2017