Mit Oktober beginnt für hunderttausende Studierende ein neues Semester – und Regierung und Dekanat haben den Sommer genutzt, um weitere Verschlechterungen vorzubereiten. Sogar die Wiedereinführung von Studiengebühren, die Studierende außerhalb der Mindeststudienzeit und EU-Ausländer*innen schon betrifft, wird von Bundeskanzler Kern nicht ausgeschlossen. Dazu kommen Verschlechterungen an einzelnen Instituten, die vor allem berufstätigen Studierenden und denen mit Kindern das Leben schwermachen. Kurz, von den versprochenen Investitionen ins Bildungssystem und der „Bildungsmilliarde“ ist nach dem Deal mit der Bankenabgabe wieder nichts übriggeblieben.
Gestern wie heute
Schon in den letzten Jahren war es zu Verschlechterungen bei den beliebtesten Studiengängen gekommen. In Biologie, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und medizinischen Fächern wurden kostenpflichtige „Eignungstests“ eingeführt, die Anmeldung für diese war bereits Monate vor dem Semesterstart notwendig. Für Studierende von außerhalb der EU wurden Studiengebühren fällig und in den Studiengängen selbst sind Platzmangel in den Hörsälen oder lange Wartelisten für Seminare Alltag.
Für das Wintersemester 2016 kommen jetzt neue Verschlechterungen dazu. Auch technische Fächer wie die Informatik (und weitere Studiengänge der TU) haben Aufnahmeprüfungen oder sollen sie in naher Zukunft bekommen. Eine Studentin von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften berichtet:
„Die Studienprogrammleitung hat im letzten Semester neue Regeln eingeführt, die eine spätere Anmeldung zu Kursen und eine Abmeldung später als drei Wochen nach Semesterbeginn unmöglich machen sollen. Jetzt wird auch noch das Vorziehen von Master-Kursen von Bachelorstudierenden verboten. Für alle, die nicht in Mindeststudienzeit durchpreschen oder bei denen sich unter dem Semester etwas ändert, wird es immer schwieriger.“
Freie Bildung geht uns alle an
Die Beschränkungen und finanziellen Hürden sind nicht bloß Schikanen, die sich gegen Studierende richten. Sie sind nicht bloß ein Versuch, zukünftige Besserverdiener*innen einen Teil der Kosten für ihr später höheres Einkommen übernehmen zu lassen, sondern vor allem ein Angriff auf die Arbeiter*innenklasse. Kostenlose Bildung ist ein erkämpftes Recht der Arbeiter*innen, die sich die Teilung der Gesellschaft, das Vorenthalten von Bildung und Wissen nicht gefallen lassen wollten.
Die berühmte „Schulbuchaktion“ und die Freifahrt für Schüler*innen, die ärmeren Schichten der Bevölkerung den Zugang zu Bildung über die Pflichtschule hinaus ermöglichen sollten, waren etwa ein Ergebnis des Drucks, den die Gewerkschaftsbewegung auf die SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky ausübte.
Die zunehmenden Beschränkungen und finanziellen Hürden müssen an ihren Folgen gemessen werden. Eine Studie des HIS in Hannover im Auftrag des deutschen Bildungsministeriums kam 2008 zu dem Ergebnis, dass Studiengebühren vor allem Jugendliche aus ärmeren Haushalten vom Universitätsbesuch abhalten würden. Eine AK-Untersuchung von 2014 argumentiert außerdem, dass auch andere Formen der Zugangsbeschränkung wie Aufnahmetests vor allem Kindern aus Akademiker*innenhaushalten zugutekommen.
Die Verschlechterungen im Universitätssystem – Zugangsbeschränkungen, Aufnahmetests, bürokratische Hürden und eventuelle Studiengebühren – machen es also für Arbeiter*innenkinder schwieriger, ein Studium anzufangen. Besonders bürokratische Regelungen, wie unbedingte Anwesenheitspflicht, aneinander gekoppelte Kurse und Voraussetzungsketten („Verschulung“), drängen außerdem berufstätige Studierende und solche mit Kindern hinaus.
Außerdem müssen sie im Zusammenhang mit den generellen Angriffen auf die Errungenschaften der Arbeiter*innenklasse verstanden werden. Der kann nämlich auch im Zwei-Klassen-Gesundheitssystem, bei der Kürzung von Sozialleistungen und Einsparungen bei öffentlichen Bediensteten beobachtet werden.
Widerstand und Offensive
Die Verschlechterungen im Bildungsbereich, egal ob an Schulen, Unis oder Fachhochschulen können also nicht als einzelne Vorkommnisse betrachtet werden, sondern sind Teil einer generellen Sparstrategie. Deshalb muss auch ein Widerstand, der das wirklich verhindern möchte, das gesamte Problem angehen – und zwar gemeinsam.
Wenn wir der Regierung erlauben, eine Verschlechterung nach der anderen durchzusetzen und uns nicht um die Angelegenheiten anderer Gruppen kümmern, wird jede alleine von der vollen Macht der Angriffe betroffen.
Ein gemeinsamer Widerstand von Schüler*innen, Studierenden und Arbeiter*innen aber kann diese Angriffe verhindern. Das ist zum Beispiel 2010 in Ansätzen gelungen als die Uni-Bewegung zusammen mit dem ÖGB Zehntausende gegen das Sparpaket auf die Straße brachte.
Dazu dürfen wir uns aber nicht nur auf die Verteidigung des Bestehenden, das selbst das Ergebnis jahrzehntelanger Verschlechterungen und kapitalistischer Klassenlogik ist, beschränken.
Es muss gelingen in die Offensive zu gehen: Freie Bildung, Kontrolle der Universitäten und Schulen durch alle, die dort lernen oder lehren, ein Programm gegen Arbeitslosigkeit und für eine kämpferische Gewerkschaftsbewegung müssen erst eingefordert und erkämpft werden!
Mo Sedlak, Arbeiter*innenstandpunkt 240, Oktober 2016