Aufbruch: Politik für wen? Und wie?

Anfang Juni versammelten sich in Wien beinahe 1000 Menschen auf einer Aktionskonferenz, die über die Perspektiven linker Politik in Österreich diskutierte und ein neues Linksprojekt begründete. Damit hat die Initiative „Aufbruch“ begonnen, eine Organisierungskampagne, die rund um eine gemeinsame inhaltliche Tätigkeit Menschen in lokalen Gruppen organisieren möchte.

Logo der "Aufbruch"-Aktionskonferenz - Bild: Aufbruch

Logo der „Aufbruch“-Aktionskonferenz – Bild: Aufbruch

 

Angesichts der Schwäche der österreichischen Linken ist der „Aufbruch“ ein willkommener und vielversprechender Ansatzpunkt. Wann kamen zum letzten Mal in diesem Land so viele Menschen zusammen um die Frage linker Organisierung so praktisch aufzuwerfen? Auch wir beteiligen uns an der Kampagne, denn einerseits ist es notwendig die geringen Kräfte der Linken zu bündeln, andererseits wollen wir in den Prozess mitgestalten und revolutionäre Politik einem größeren Zusammenhang zur Diskussion stellen. Gerade deshalb möchten wir aber auch unsere Skepsis zum Ausdruck bringen, gegenüber einer Organisierung, die auf kaum einer inhaltlichen Basis steht, in der das Trennende zwischen linken Sozialdemokrat*innen, Grünen, alten KPÖlern, Trotzkist*innen, politisch Unerfahrenen, Postautonomen und anderen die Gemeinsamkeiten überwiegt.

Offene Fragen

Im Sinn eines „Prozesses von unten“ werden programmatische Eckpunkte zu einzelnen Kampagnenthemen in Arbeitsgruppen diskutiert. Dementsprechend findet schon viel Austausch in den Themengruppen zu „Arbeit“, „Gesundheit & Soziales“, „Reichtum“ und „Wohnen“ statt. Die Frage nach einem allgemeinen Programm eines linken Projekts ist als solche also noch gar nicht gestellt worden, praktisch werfen sie sich aber andauernd auf. In diesem Zusammenhang muss man sich auch gemeinsam damit auseinandersetzen wie die Gesellschaft überhaupt verändert werden kann, von wem und in wessen Interesse. Wir haben in unserem Flugblatt für die Aktionskonferenz Anfang Juni eine Antwort auf die Fragen „Für wen?“ und „Wie?“ formuliert, die wir an dieser Stelle (nur geringfügig verändert) wiederholen.

Klassenstandpunkt

Um die Gesellschaft zu verändern muss man sie erst einmal beim Namen nennen: Kapitalismus. Hier spalten sich die Menschen entlang der Verhältnisse, die sie in der Produktion (und Verteilung) der zum Leben notwendigen Mittel eingehen. Die einen (die Kapitalist*innen) besitzen dabei Grund, Maschinen und Rohstoffe, also die Produktionsmittel. Die anderen (die Arbeiter*innen) besitzen keine Produktionsmittel und müssen ihre Arbeitskraft an die Kapitalist*innen verkaufen. Aus der Arbeit der Arbeiter*innen schöpfen die Reichen ihren Profit. Je stärker die Ausbeutung, desto höher der Profit und umgekehrt. Es ist diese profitorientierte Wirtschaftsweise, die verantwortlich ist für die Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen, für den durch Abstiegsängste befeuerten Rassismus, für die schonungslose Ausbeutung der Natur und für die verschärfte, zum Krieg tendierende Konkurrenz am Weltmarkt. Um eine gerechte Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu schaffen, muss man den Kapitalismus überwinden. Und nicht nur das, wenn wir im hier und heute für Verbesserungen innerhalb des Systems kämpfen, stoßen wir schnell an die Gesetze und die reale Macht der Reichen. Unsere eigene Macht kann nur aus der Arbeiter*innenklasse kommen, denn sie kann mit Streiks das System der Profitmacherei unterbrechen und sie kann die Kontrolle über die Produktion übernehmen und sie den Kapitalist*innen entreißen. Dass die Arbeiter*innenklasse kein ideologisches Konstrukt ist und dass sie die eigentliche Macht in der Gesellschaft inne haben könnte, beweist ein schneller Blick nach Frankreich, wo die Gewerkschaften das Land im Kampf gegen die „Arbeitsmarktreform“ lahm legten.

Aber der Streik ist nicht alles, Politik ist ein vielfältiges Gebiet durch das sich die Klassengegensätze auch außerhalb der Arbeitswelt ziehen. Deshalb ist ein Programm zur gesellschaftlichen Veränderung notwendig, das sich auf die verschiedensten Bereiche der Gesellschaft bezieht und den Weg zur Machteroberung der Arbeiter*innen aufzeigt. Das Mittel zur Umsetzung eines solchen Programms, bei der es Überzeugungsarbeit und die kollektive Aktion braucht, kann nur eine Partei sein. Das soll keine bürokratische, abgehobene Partei sein, wie wir sie alle zur Genüge kennen. Unsere Partei muss eine ganz andere sein, eine die sich auf die Arbeiter*innen selbst stützt, die aus einer aktiven Mitgliedschaft besteht, die demokratisch von unten nach oben aufgebaut ist und in der alle Gremien gewählt, rechenschaftspflichtig und jederzeit abwählbar sind. Vor allem muss sie aber eine Partei sein, die das Mittel zur Umsetzung ihres Programms nicht in der einfachen Eroberung von Parlamentssitzen sieht, sondern die sich der Selbstorganisierung und Selbstermächtigung der Lohnabhängigen verschrieben hat. Am Ende unseres Weges muss der Aufbau einer revolutionären sozialistischen Arbeiter*innenpartei stehen.

Michael Märzen, AST 239