Nach Josef S.: § 274 Landfriedensbruch abschaffen!

ogr josefWas viele nicht erwartet hatten ist passiert: Josef S., Angeklagter nach den Protesten gegen den Wiener „Akademikerball“, wurde bezüglich Landfriedensbruch in Rädelsführerschaft, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Das Urteil lautet 12 Monate teilbedingte Haft, acht davon bedingt auf drei Jahre Probezeit.

Dieser Schuldspruch erfolgt ohne jegliche ernsthafte Beweise, er zeigt die Willkür auf die in diesem „Rechtsstaat“ herrscht, und er soll eine Warnung sein an alle Antifaschist*innen die sich nicht ohne Wenn und Aber dem undemokratischen staatlichen Gewaltmonopol beugen. Die Verurteilung von Josef S. statuiert ein Exempel zu kollektiver Bestrafung durch den Paragraph § 274 Landfriedensbruch, das bedeutet vor allem eines: Eine entschlossene Antwort aller Antifaschist*innen auf dieses Unrecht ist bitter notwendig!

Im Zweifel schuldig

Josef S., Student aus Jena, kam nach Wien um am 24. Jänner gegen den Burschenschafterball der FPÖ zu demonstrieren. Ein Zivilpolizist gab an ihn dabei beobachtet zu haben Steine und einen Mülleimer auf die Polizei zu werfen, sowie eine Rauchbombe in einem demolierten Polizeiauto zu deponieren. Der Schönheitsfehler: Josef ist auf keinem der zahlreichen ausgewerteten Fotos und Videoaufnahmen bei einer Straftat zu sehen. Es gibt lediglich ein Video auf dem er einen Mülleimer aufstellt. Ein Handyvideo des besagten Polizisten sollte seine Stimme beim Anheizen bei den Ausschreitungen beinhalten. Ein Stimmengutachten widerlegte das. Die Untersuchung seiner Kleidung konnte lediglich wenige Spuren eines pyrotechnischen Gegenstandes feststellen, in keinster Weise aber ausreichende Bestände um die Verwendung einer Rauchbombe zu bestätigen. 30 Zeug*innen wurden befragt, hauptsächlich oberösterreichische Polizist*innen, die am 24. Jänner im Einsatz waren. Keine der befragten Personen konnte Josef identifizieren und die Angaben des Zivilpolizisten bestätigen. Das Urteil stützt sich damit allein auf dessen Aussagen, die noch dazu teilweise widersprüchlich waren.

Der Richter begründete den Schuldspruch dadurch, dass der Polizist keinen Grund haben könne, den Angeklagten zu Unrecht zu beschuldigen. Außerdem sei Josef unglaubwürdig, da er an der Spitze der Demonstration mitgegangen sei obwohl Attacken auf Geschäftslokale statt fanden.

Hier wurde also kein einziger Anklagepunkt glaubwürdig untermauert, Josef hätte seine Unschuld beweisen müssen um einer Verurteilung zu entgehen.

§ 274: Kollektive Bestrafung

Der Paragraph § 274 Landfriedensbruch ist gemacht um Teilnehmende einer „Zusammenrottung einer Menschenmenge“ zu bestrafen, die darauf abzielt, dass unter ihrem Einfluss Mord, Totschlag, Körperverletzung oder schwere Sachbeschädigung begangen wird. Körperverletzung kann schon vorliegen, wenn eine Bierdose auf die Polizei fliegt, schwere Sachbeschädigung galt zum Beispiel beim Akademikerball wegen der Demolierung von Geschäftslokalen. Es reicht dabei aber schon die bloße Anwesenheit aus, um sich strafbar zu machen. Doch nicht nur das, auf diese Weise kann eine ganze Masse von Menschen belangt werden, die möglicherweise gar keine Gewalttaten begangen hat. Damit wird der Paragraph im Strafgesetzbuch das perfekte Mittel um alle Teilnehmenden eines Protestes zu kriminalisieren, der über jene legalen Grenzen hinausgeht, die durch die Polizei oder Gesetze vorgegeben werden. Man muss den Staat noch nicht einmal als Instrument zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Klassenherrschaft verstehen, um eine solche Waffe in der Hand des Staatsapparates als problematisch zu betrachten.

Anti-Repressionsbewegung aufbauen!

Josef S. ist nicht der einzige, der durch den Landfriedensbruch-Paragraph bedroht ist. Zahlreiche Menschen wurden bei dem Protesten gegen den Akademikerball aber auch bei dem Protest gegen den rechtsradikalen Identitären-Aufmarsch verhaftet oder aufgeschrieben. Ihnen allen, ob sie an Gewalttaten beteiligt waren oder nicht, droht eine Anklage auf Grundlage des Paragraph § 274. Wir müssen das mit allen Mitteln verhindern und die teilweise bestehende Empörung über diesen Schuldspruch in der Gesellschaft nutzen um weitere willkürliche Urteile zu verhindern. Eine solche Bewegung schafft auch die Möglichkeit um wirkungsvolle Solidaritätsarbeit zu machen, dadurch können Prozesskosten, etc. zumindest teilweise gedeckt werden. Außerdem muss Druck aufgebaut werden damit der Paragraph $ 274 ersatzlos gestrichen wird!

Gemeinsam schlagen!

Erste Schritte in Richtung einer Anti-Repressionsbewegung wurden schon gegangen. Es gab Soli-Partys für Josef, eine Kundgebung vom antifaschistischen Bündnis „Offensive gegen rechts“ (an dem auch wir uns beteiligen) und nun gibt es eine Demonstration gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus, organisiert von der Autonomen Antifa Wien. Wir begrüßen diese Demonstration und rufen alle antifaschistischen und antirassistischen Kräfte dazu auf sie zu unterstützen. Der Repression des Staates muss mit breitem Widerstand, auch über politische und andere Differenzen hinweg, begegnet werden. Aus diesem Grund halten wir es auch für einen groben Fehler, dass „Offensive gegen rechts“ wegen Zerwürfnissen mit der Autonomen Antifa Wien nicht offen für die Demonstration aufruft. Trotzdem beteiligen wir uns lautstark und kämpferisch mit den Genoss*innen des Bündnisses an der Demonstration. Antifaschismus ist kein Verbrechen!