Uni: Neues Semester, neue Angriffe

Mit dem Start des Wintersemesters 2011 wird wieder einmal die nächste Runde von Angriffen an den Universitäten begonnen. Neu im Ring steht Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, welcher mit Hochschulplan und einem weiteren Vorstoß in der Debatte um Studiengebühren zum Angriff bläst. Können die Studierenden nach der Niederlage in der Unibewegung, Bologna burns, im Kampf gegen die Kürzung der Familienbeihilfe, oder gegen die neue Studieneingangs- und Orientierungsphase weitere Attacken abwehren, geschweige denn in die Offensive gehen? Das wird wohl davon abhängen, ob die Studierenden die Angriffe als solche erkennen, sich zu verteidigen wissen, sich ihrer eigenen Stärke bewusst sind, und mit einer richtigen Antwort auf die hochschulpolitischen Probleme zum Gegenschlag ausholen.

Seit Jahren erleben wir nun eine Debatte um die finanzielle Notlage der Universitäten, ändern tut sich jedoch nicht viel, abgesehen von einer Zusicherung aus dem Nationalrat bis zum Jahr 2020 die Ausgaben für Hochschulen auf 2% des BIP zu erhöhen (derzeit liegen sie bei ca. 1,3%) (1). Neu ist das jedoch auch nicht, was wirklich neu ist sind die Entwicklungen in der Debatte um Studiengebühren. Während zwar alle Beteiligten versichern, dass Beiträge von Studierenden keine Lösung des Problems darstellen, sondern nur einen Finanzierungsbeitrag, wird das Thema in der Öffentlichkeit schon so behandelt, als wären Gebühren der einzige Weg aus der Uni-Misere. Töchterle hat sich schon vor seinem Amtsantritt als Verfechter dieser Politik präsentiert, auch wenn er zu tiefst beteuert keine ideologischen Absichten dahinter zu haben. Für seine Pläne versucht er auch die SPÖ zu gewinnen und werkelt deshalb an einem ausgefeilten Gesamt-Konzept, dem „Hochschulplan“, welcher bis Ende des Jahres fertig sein soll. Laut einer OGM-Meinungsumfrage im Auftrag der Presse hat er dabei auch nicht wenig Erfolg, immerhin seien rund 70% der 800 Befragten für Studiengebühren, auch die Mehrheit der Rot- und Grün-WählerInnen, und selbst 67% der Studierenden (2).

Der Masterplan wird in Arbeitsgruppen mit „ExpertInnen“ und VertreterInnen von Unis, FHs, und des Ministeriums ausgearbeitet, bei gleichzeitigem Ausschluss der Studierendenvertretung. Obwohl die Veröffentlichung des Plans wohl noch auf sich warten lassen wird, hat man im August und September schon einiges anklingen lassen und man kann jetzt schon feststellen: Der Hochschulplan bedeutet einen Angriff auf die Interessen der Studierenden, welcher weit über die Einführung von Studiengebühren hinausgeht.

Studienplatzfinanzierung & Zugangsbeschränkungen

Schon die ehemalige Wissenschaftsministerin Beatrix Karl konnte sich für das Konzept der Studienplatzfinanzierung begeistern, und ein Blick auf internationale Beispiele (Niederlande, Schweden, Finnland, etc.) sollte als zusätzliche Motivation dienen. Darüber hinaus erreiche man dadurch bessere Transparenz und Planbarkeit. Kern des Konzepts: Man errechnet sich wie viel ein Studienplatz kostet und richtet danach das Budget aus, oder man macht es in der Praxis anders und legt die Studienplätze nach dem Budget aus. So stellt sich das auch Karlheinz Töchterle vor und so heißt es in der Presse vom 23. August: „Der freie Uni-Zugang sollte differenziert gesehen werden, so die Experten: Bei Bachelorstudien sollte selektiert werden, wenn es mehr Bewerber als Plätze gibt, beim Master- und PhD-Studium immer. Über die Aufnahmeverfahren sollte jede Uni selbst entscheiden.“ Und schwuppsdiwupps hat man schon die Beschränkung für Master und PhD dazugemogelt (3).

Privatisierung

Nachdem also laut Hochschulplan „nicht jeder alles studieren können soll“ (Laura Rudas), stellt sich die Frage „Wohin mit den ganzen AHS-AbsolventInnen?“. Die Antwort passt wie Töchterles Faust auf des Studis‘ Aug: Laut Experten ist die Steigerung des Anteils von StudentInnen an Fachhochschulen sowie an pädagogischen Hochschulen auf 40% wünschenswert (2009 lag er bei 11%). Dazu müssen die Fachhochschulen quantitativ ausgebaut werden, das Fächerangebot erweitert, und die Qualifikationen der Lehrenden verbessert werden. Die angehenden StudentInnen sollen also in eine verschulte, augenblicklich auf den Arbeitsmarkt ausgerichtete Ausbildung gedrängt werden.

Zentralisierung

Ein Schlüsselelement im Hochschulplan ist die Einführung zwei neuer Gremien: Erstens die Hochschulkonferenz und zweitens die Hochschulkommission. Die Hochschulkonferenz, die in Ansätzen schon existiert, soll aus der Universitätenkonferenz, der Fachhochschulkonferenz, und dem Wissenschaftsministerium bestehen und hat das Ziel Lehre und Forschung zwischen Unis und FHs besser zu koordinieren, sowie die finanziellen Mittel besser zu verteilen. Die Hochschulkommission soll die strategische Ausrichtung vorgeben, was das genau bedeutet bleibt unklar. Zu befürchten ist aber eine stärkere Einmischung der Regierung in die Angelegenheiten der Universitäten, zusätzlich gibt es auch keine Zusicherung für studentische Mitbestimmung in diesen Gremien.

Finanzierung

Ganz im Geiste von Elisabeth Gehrer, die 2001 unter schwarz-blau die Studiengebühren einführte, sind diese auch im Hochschulplan schön eingebettet. Diese dürfen bis zu 500 Euro im Semester betragen, denn das sei für die soziale Durchmischung nicht ausschlaggebend. Für jene, für die das doch ein Problem darstellt, soll das Stipendiensystem ausgebaut werden. So einfach geht das nun aber auch wieder nicht, nur die wenigsten bekommen ein Stipendium, die große Mehrheit  müsste wieder bezahlen. Und so viele Studierende, die alles von ihren Eltern finanziert bekommen, gibt es leider auch nicht. Besonders betroffen davon sind natürlich Jugendliche aus ArbeiterInnenfamilien, welche sich wohl zwei mal überlegen, ob sie eine solche zusätzliche finanzielle Last auf sich nehmen wollen – vorausgesetzt sie bekommen überhaupt einen Platz auf der Uni.

Laut der Studierenden-Sozialerhebung liegt der Anteil von „bildungsfernen“, „niedrigen“ Schichten an den Universitäten nur bei 18%, und diese Zahl sinkt seit zehn Jahren beständig. Zwei Drittel aller Studierenden haben eine Nebenbeschäftigung, Studiengebühren werden den Druck neben dem Studium arbeiten zu gehen erheblich erhöhen, das wird sich natürlich auch auf die Effizienz des Studiums auswirken, doch darüber wird geschwiegen (4).

Ein zurzeit besonders beliebtes Argument richtet sich in diesem Zusammenhang überraschenderweise – zumindest auf den ersten Blick – gegen „die Reichen“. Denn wieso sollten, so die Argumentation, Studierende aus reichem Elternhaus denn nicht selbst für ihr Studium aufkommen? Es wäre, so wird oft hinzugefügt, doch unfair, wenn sowohl StudentInnen aus armen, als auch aus reichen Familien das selbe – nämlich nichts – bezahlen. Deshalb: Her mit den Studiengebühren bei gleichzeitigem Ausgleich auf Stipendienebene für jene, die halt wirklich nicht genug Geld aufbringen können. So weit das Argument. Neben dem Problem undurchsichtiger und in dieser Argumentation nicht weiter klar gestellter Stipendiensysteme gibt es auch ein allgemeins Problem: Die gesellschaftliche Umverteilung wird hier individualisiert. Natürlich sind wir dafür, dass „die Reichen“ mehr zur Finanzierung der Universitäten beitragen. Aber dabei wollen wir nicht bei jeder Studentin und jedem Studenten das Jahreseinkommen der Eltern überprüfen. Die Umverteilung muss über das Steuersystem funktionieren. Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern und Schenkungssteuern müssen hierbei zur Grundlage für wirkliche Umverteilung von oben nach unten werden und nicht die einzelnen StudentInnen.

Bei welchem Modell auch immer: Studiengebühren allein reichen natürlich nicht aus, deswegen denkt Töchterle auch an Ausgleichszahlungen anderer Staaten, an die Bundesländer, sowie auch daran, die privaten Mittel zur Finanzierung der Hochschulen zu erhöhen und Ausbildung und Forschung damit noch stärker den Interessen des Marktes zu unterwerfen.

Widerstand

Wir dürfen uns also im nächsten Jahr auf Einiges gefasst machen. Sollten diese Pläne wirklich zur Anwendung kommen bedeutet das eine enorme Verschlechterung der österreichischen Hochschulen. Deswegen muss breiter Widerstand organisiert werden, von allen fortschrittlichen Kräften. Auch die Österreichische HochschülerInnenschaft muss hier ihre Verantwortung als Studierendenvertretung wahrnehmen und Protest aufbauen. Zurzeit lässt sich noch eine klare Diskrepanz zwischen geplanten Angriffen und geplantem Widerstand erkennen. Während die Konzepte der Angriffe breit diskutiert werden, wird kaum über Proteste geredet. Es wäre somit höchste Zeit an den einzelnen Instituten in Zusammenarbeit mit den Studienrichtungsvertretungen für breite Versammlungen aufzurufen, um gleich zu Semesterbeginn eine Perspektive für Protest zu entwickeln.

Gleichzeitig müssen wir aus Fehlern in der Vergangenheit lernen: wenn wir es schaffen uns an der Basis zu organisieren, gemeinsame Beschlüsse zu fällen, und demokratische Koordination und Vertretung zu bestimmen, dann werden wir es auch schaffen eine Widerstandsbewegung gezielt auszuweiten, und zwar nicht nur im Hochschulbereich sondern auch auf andere soziale Schichten wie SchülerInnen und ArbeiterInnen. Solidarität ist immer wichtig. Gerade weil es hier jedoch um ein Finanzierungsthema geht ist der Zusammenschluss mit Beschäftigten und Gewerkschaftsorganisationen zentral, um gegen die Sparpläne an unterschiedlichsten Fronten vorzugehen. Nur so werden wir es auch schaffen die Pläne der Regierung zu verhindern!

– Michael Märzen

 

(1) http://www.bmwf.gv.at/fileadmin/user_upload/aussendung/expertenbericht/Quellendokument_Bericht_ExpertInnen_Final_110822.pdf

(2) http://diepresse.com/home/bildung/universitaet/696877/Umfrage_Ja-zu-Studiengebuehren?_vl_backlink=/home/bildung/universitaet/index.do

(3) http://diepresse.com/home/bildung/universitaet/687687/Hochschulplan_Weisenrat-fuer-40-Prozent-FHStudenten?from=simarchiv

(4) http://derstandard.at/1313024981377/Auf-Unis-stehen-Arbeiterkinder-alleine-da