Georg Spitaler und Jakob Rosenberg haben im Zuge des 110 jährigen Jubiläums des SK Rapid Wien den Auftrag des Vereins und des DÖW erhalten sich mit der verborgenen Geschichte der Hütteldorfer wissenschaftlich zu beschäftigen. Anlass war das vom Ballesterer kritisierte, weil komplett unreflektierte, Jubiläumsspiel gegen den FC Schalke 04, wobei diese Partie auch im Meisterschaftsfinale 1941 stattfand – am selben Tag wie der Überfall auf die Sowjetunion – und Rapid seit damals immer noch stolz den Titel deutscher Meister führt.
Zu aller erst muss gesagt werden, dass dieses Buch im Gegensatz zu der Veröffentlichung Eva Kreiskys und Spitalers zu Fussball und Männlichkeit zwar auch von Wissenschaftern geschrieben ist, allerdings sowohl wert auf Recherche, und dies trotz der kurzen Zeit von Auftrag zu Veröffentlichung von einem Jahr, als auch Lesbarkeit gelegt wurde. Eine wahre Hauptthese lässt das Buch vermissen, allerdings wäre ist es endlich eine Vereinsgeschichte, die nicht nur von unumstößlichen Höhepunkten sondern auch den negativen Seiten derselben spricht. Somit liegt wohl schon alleine darin, dass ein kleiner Teil Dialektik einfließt, ein wahrer Fortschritt.
Geschichten und Gschichtl
Die von Mensch zu Mensch erzählte Geschichte und vor allem die Sportgeschichte lebt von Legenden, Heldensagen und wechselseitigen Diffamierungen. Und so war die Nähe Rapids zu den Nazis ebenso fix wie die Opferrolle Österreichs. Oder die Austria sowieso ein „Judenverein“. Dieses Buch räumt mit eben solchen Legenden auf. Während kein einziger Rapid Spieler der NS Zeit Mitglied der NSDAP war, waren es gleich (zur Zeit bestätigt) zwei Austrianer, der Nazi Anteil unter den Funktionären bei Rapid war auch nicht höher (ca. 50%) als bei dem WSK, der Vienna oder sonst wo, und Rapid wurde nicht nur von Juden gegründet, sondern auch der Namensgeber der Rapid bei der Umbenennung (ehemals Erster Wiener Arbeiter-Fußball-Club) wurde in einem KZ ermordet, weil er Jude war. So weit so unbekannt. Im Grunde könnte man sagen, dass der Rahmen des Buches darin besteht „Unwiderlegbares“ oder gar über Generationen verbreitete „Wahrheiten“ zu widerlegen.
Mythen und Legenden
Aus dem angeblich sogar antifaschistischen Helden Sindelar (Austria & Wunderteam) wurde mittlerweile schon der Profiteur von „Arisierungen“, aus der Rapid anscheinend zumindest kein Nazi Verein. Doch eines muss vollkommen klar sein, nur weil die Dinge nicht so schlecht sind wie sie gegolten haben, bedeutet dies keineswegs einen Freispruch. So wurde ein Rapid Spieler 1946 vom Spielfeld weg verhaftet, nachdem ihn ein Zuschauer als Folterschergen der Militärstreife erkannt hatte. Ebenso sollte nicht vergessen werden, dass ob nun Mitläufer, Feiglinge, sich-mit-dem-System-Arrangierer oder wie auch immer, die Funktionäre immer noch zur Hälfte Mitglieder in der NSDAP wurden und dieser auch hörig waren. Aber auch mit dem „lokalpatriotischen, „österreichischen“ Gewinn der deutschen Meisterschaft wird ebenso aufgeräumt wie mit der angeblichen Benachteiligung Rapids, nachdem sie den großdeutschen Favoriten geschlagen hatten. Weder wurden mehr, noch weniger Spieler der Rapid in die Wehrmacht eingezogen als bei anderen Vereinen, und manchmal können sogar die größten Verherrlicher des Sportsgedanken nicht umhin sich politische Rechtfertigungen zu erschaffen, weil eventuell könnte es ja auch einfach an der besseren Mannschaft der Vienna gelegen haben, dass diese den Wiener Fussball in der Folge dominierte.
Buch lesen!
Dieses Buch wurde verfasst, um endlich einmal die Geschichte. Eines muss diesem Buch auf jeden Fall zugesprochen werden und dies ist der Versuch Sport und Politik in der Geschichte nicht nebeneinander sondern in einer dialektischen Beziehung zueinander darzustellen. Außerdem sollte erwähnt werden, dass der SK Rapid der erste Verein im Lande des „ersten Opfers“ – deutsche Vereine machen dies schon seit den 90er Jahren – ist, welcher sich überhaupt mit seiner dunklen Geschichte trotz Erfolge beschäftigt hat. In diesem Sinne: Das Buch ist empfehlenswert und eine Aufforderung an die restlichen Vereine ihre Vergangenheit in der NS-Zeit aufzuarbeiten.
– Martin Preisack